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Gesundheitsreform: Dicke Luft bei der Ministerin und ihren Beratern?

Berlin (ks) Ein weiteres Gutachten zu Reformen im Gesundheitswesen erhitzte in der vergangen Woche so manches Gemüt. Am 5. August sollte in der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) ein "neues" Papier der Gesundheitsexperten Gerd Glaeske, Karl Lauterbach, Jürgen Wasem, Christopher Hermann und Peter Schwoerer vorgestellt werden. Die Veranstaltung wurde kurzfristig abgesagt.

Die Begründungen der Absage blieben nebulös: Seitens der FES hieß es, es sei zu "überraschenden Meinungsverschiedenheiten" zwischen den Verfassern des Papiers gekommen, so die "Frankfurter Rundschau" am 6. August. Dass Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt selbst interveniert hat, wurde im Ministerium dementiert. Allerdings stellte man dort auch klar, kein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben zu haben. Tatsächlich wurde die Expertengruppe nicht auf Anregung des Ministeriums, sondern des SPD-Parteivorstandes tätig.

Inhaltlich nichts Neues

Das Papier enthält inhaltlich "nichts Unbekanntes", erklärte Lauterbach am 7. August bei der Vorstellung der Wählerinitiative für Schröder in Berlin. Gegenüber den bereits im Dezember 2001 und im April dieses Jahres in der FES vorgestellten Reformkonzepten bestünden keine wesentlichen Veränderungen, sondern lediglich "Konkretisierungen", so das Sachverständigenratsmitglied.

Seinerzeit hatte die Ministerin kein Problem, bei den FES-Veranstaltungen anwesend zu sein und dabei auch klarzustellen, dass ihre Reformvorhaben andere Schwerpunkte setzen. So sieht das Gutachten etwa vor, die Beitragsbemessungsgrundlage durch Einbeziehung von Miet-, Pacht- und Zinseinkommen zu erweitern – ein Vorschlag, der keine Unterstützung bei Schmidt findet. Ebenso wenig mag sie sich mit der Reformidee anfreunden, den Sicherstellungsauftrag auf die Krankenkassen zu übertragen. Dennoch mag es der Ministerin nicht gelegen kommen, dass die Vorschläge der SPD-nahen Stiftung just zum Start der heißen Wahlkampfphase an die Öffentlichkeit gebracht werden sollten. Lauterbach wiegelte inhaltliche Differenzen allerdings ab: Terminschwierigkeiten bei letzten Absprachen zwischen den Verfassern verhinderten die offizielle Veröffentlichung in der vergangenen Woche, erklärte er. Das endgültige Papier soll in jedem Fall noch vor der Bundestagswahl präsentiert werden.

Missmut bei Co-Autor Hermann

Die Frage ist, ob noch all seine Experten-Kollegen mitarbeiten wollen: So fand Christopher Hermann von der AOK Baden-Württemberg weniger freundliche Worte für die Ministerin. In der "Berliner Zeitung" vom 7. August erklärte er, Schmidt passe die Richtung der Expertengruppe nicht mehr: "Wir sind ihr zunehmend lästig geworden". Es seien grundlegende Strukturreformen nötig, die Ministerin wolle sich hingegen "durchwurschteln", so Hermann. Schmidt kommentierte diese Aussage lediglich mit den Worten "Es gibt Männer, die haben manchmal Probleme mit Frauen".

Politische Machtkämpfe?

Aus dem Kreis der Unterstützer der SPD-Gesundheitspolitik hört man jedoch auch, dass das persönliche Verhältnis zwischen Schmidt und ihrem einst so engen Berater Lauterbach merklich abgekühlt sei. Etwaige Machtkämpfe mögen Lauterbach nicht anzumerken sein, dennoch ist das Gedankenspiel, er könne selbst den Ministerposten anpeilen, nicht gänzlich abwegig. Seine Parteimitgliedschaft ist noch relativ jung, sein Ehrgeiz wirkt groß. Die Zeiten großer Vertraulichkeit zwischen ihm und Schmidt scheinen Beobachtern zufolge jedenfalls vorbei zu sein.

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