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DAZ-Interview mit PHOENIX-Chef Bernd Scheifele: Fast auf einer Linie mit den A

MANNHEIM (diz). Der Pharmagroßhandel spielt in unserem Gesundheitswesen eine tragende Rolle. Aufgrund seiner logistischen Funktionen und seiner finanziellen Größe können Entscheidungen des Großhandels den Pharmamarkt und damit auch den Apothekenmarkt beeinflussen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, Positionen des Großhandels zu kennen. Wir sprachen mit Dr. Bernd Scheifele, Vorstandsvorsitzender der PHOENIX Pharmahandel AG & Co., die in Deutschland den ersten Platz unter den Pharmagroßhandlungen einnimmt, über die Gesundheitspolitik, geplante und diskutierte Veränderungen im Pharmamarkt, die Einstellung zu den Grundpositionen der deutschen Apotheke und über Strategien von PHOENIX.

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Herr Dr. Scheifele, wie könnten Sie sich die große Richtung vorstellen, die die Gesundheitspolitik einschlagen sollte?

Scheifele:

Ich glaube, dass die Tendenz in der Gesundheitspolitik grundsätzlich in Richtung mehr Wettbewerb und in weniger Regulierung gehen sollte, kurzum: mehr Selbstverantwortung! Konkret heißt das: Wir brauchen eine deutlich höhere Selbstbeteiligung der Patienten und eine deutliche Reduzierung der Befreiung von der Zuzahlung. Ein Großteil der Finanzkrise, mit dem wir in der GKV konfrontiert sind, kommt daher, dass die Zuzahlung von der jetzigen Regierung gesenkt wurde. Die Abschaffung des Arzneimittelbudgets war richtig, weil es klar zu einer Medizin zweiter Klasse geführt hat. Viele Patienten wurden gegen Ende des Quartals nicht mehr adäquat bedient, was schließlich zu einer Unterversorgung geführt hat. Schließlich sollte die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel reduziert werden, auch im Hinblick auf die anderen europäischen Länder, wo wir weit niedrigere Steuersätze vorfinden.

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Was halten Sie von einer Differenzierung der Krankenkassenleistungen in Grund- und Wahlleistung?

Scheifele:

Vom Prinzip her halte ich das für den richtigen Ansatz. Aber unter der jetzigen politischen Konstellation wird dies nicht mehrheitsfähig sein. Eine Krankenversicherung sollte heute in einem der reichsten Länder der Welt nur für Risiken gelten, die der Einzelne nicht mehr alleine tragen kann. Wenn der Versicherungsgedanke dagegen zu breit gefasst wird, schafft man eine Vollkaskomentalität, die nicht finanzierbar ist. Das allgemeine Wohlbefinden kann nicht über die Versicherung abgedeckt werden.

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Die Bundesregierung versucht derzeit, auf das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen zu reagieren. Wie beurteilen Sie diese Ansätze?

Scheifele:

Zunächst ist wichtig, dass der Ausgabenzuwachs im Gesundheitswesen, den wir in allen westlichen Ländern sehen, strukturell bedingt ist aufgrund der Überalterung der Bevölkerung, der Innovationen der pharmazeutischen Forschung und ein allgemein steigendes Gesundheitsbewusstsein. Solche strukturell bedingten Zuwächse werden wir mit kurzfristigen Kosteneinsparungen allein nicht auffangen. Nach meiner Auffassung muss in erster Linie die Einnahmenseite völlig neu konzipiert und der Verschiebebahnhof der Krankenversicherung abgeschafft werden.

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Wie sehen Sie die von der Bundesgesundheitsministerin angedachten Vorschläge in Richtung Apotheker - ich denke hier an den Vorschlag von Frau Schmidt, die Aut-idem-Regelung auszudehnen?

Scheifele:

Der VFA, der Generika Verband, der BPI und der PHAGRO haben die Einführung von aut idem entschieden und mit überzeugenden Argumenten abgelehnt. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Die Apotheker sollten sich bei aut idem vor vermeintlichen kurzfristigen Verbesserungen ihrer Position hüten. Mittel- und langfristig wird aut idem zu einer dramatischen Preis- und letztlich auch Qualitätsspirale nach unten bei Arzneimitteln führen. Dies kann auch nicht im langfristigen Interesse der Apotheker sein.

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Die Arzneimittelpreisverordnung ist ins Gespräch gekommen. Von den Apothekern wird bereits über eine mögliche weitere Drehung nachgedacht. Welche Position nehmen Sie dazu ein?

Scheifele:

ABDA und PHAGRO haben abgestimmt ein so genanntes Drehungsmodell angeboten. D. h. im oberen Bereich wird die Spanne gekappt, im unteren Bereich findet ein Ausgleich durch Anhebung der Spanne statt. Persönlich halte ich dieses Konzept für überzeugend, bin jedoch skeptisch, ob es politisch durchsetzbar ist.

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Wie beurteilen Sie den Pharma-Großhandelsmarkt? Ist die Oligopolisierung abgeschlossen oder wird es weitere Zusammenschlüsse geben?

Scheifele:

Der Großhandelsmarkt dürfte sich stabilisiert haben. Hier sehe ich im Moment keine weiteren Konzentrationsbewegungen, auch was die im privaten Besitz befindlichen Großhandlungen anbelangt. Ob sich etwas im Bereich der genossenschaftlich strukturierten Großhandlungen tut - ich denke hier z. B. an Anzag und Sanacorp - das werden das Bundeskartellamt und letztendlich die Gerichte entscheiden. Wenn Sanacorp die Aktienmehrheit übernehmen sollte, geht die Marktkonzentration noch einmal einen Schritt weiter. Wird die Übernahme nicht zugelassen, dann erhebt sich die Frage, ob über kurz oder lang nicht ein ausländischer Player via Anzag einen Marktzugang bekommt.

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Welche Rolle spielt der Großhandel für Apotheken - abgesehen von der logistischen Funktion des Arzneilieferers. So hört man bisweilen, dass heute viele Apotheken ohne Großhandelsunterstützung sprich Rabatte und Finanzierungen nicht mehr überleben könnten: Hängen diese Apotheken am Tropf des Großhandels?

Scheifele:

Bei dieser Frage sollte man strikt trennen zwischen Rabatten und Finanzierungshilfen. Dass Apotheken am Tropf des Großhandels hängen, glaube ich so nicht. Diese Aussage halte eindeutig für überzogen. Richtig ist allerdings, dass der Großhandel schon immer eine Finanzierungsfunktion hatte. Die größte Zahl der deutschen Apotheken, die sich an guten Standorten befindet, arbeitet rentabel, z. T. mit sehr guten Ergebnissen. Wir haben sicher eine Bewegung im Markt, dass die Banken sich mit der Kreditvergabe bei Um- und Neubau etc. zurückhalten und dass dadurch der Großhandel z. T. noch stärker als früher eine Finanzierungsfunktion übernimmt. Kreditausfälle, die wir im Großhandel haben, sind allerdings zu 90 % keine Kredite, die aufgrund von Branchenproblemen entstanden sind, sondern sind allein auf Probleme im privaten Bereich zurückzuführen, die auf die Apothekenführung durchschlagen, z. B. Beteiligungen an riskanten Abschreibungsmodellen, Scheidung, zu hohe Betriebsentnahmen etc. Dies allerdings scheint mir eher ein gesellschaftliches Phänomen zu sein als ein Apothekenproblem.

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Immer wieder werden Stimmen laut, die verkünden, das Fremd- und Mehrbesitzverbot werde in absehbarer Zeit fallen. Welche Position nimmt hier PHOENIX ein?

Scheifele:

PHOENIX war von Anfang an strikt gegen Fremd- und Mehrbesitz von Apotheken. Da war sich der deutsche Pharmagroßhandel im Übrigen immer weitgehend einig. Zur Zeit wird die Diskussion darüber allerdings nicht immer fair geführt. Es wird m. E. gerne übersehen, dass es im benachbarten Ausland gerade die apothekernahen und genossenschaftlich organisierten Großhandlungen waren, die als erste Apothekenketten errichtet haben. Genannt werden müssen hier die niederländische Großhandlung OPG, die derzeit etwa 100 Apotheken besitzt und deren Ziel es ist, 150 Apotheken zu erwerben und damit etwa 10 % des holländischen Marktes kontrollieren wollen. In England war es die Unichem, die heute über 700 Apotheken besitzt. Und in der Schweiz haben wir als Beispiel die Galenica, die 36 Apotheken betreibt, gemeinsam mit der Unichem. Selbst in Österreich gehören der Herba die meisten Apotheken - und zwar schon vor dem Eintritt der Gehe. Die Aussage, nur die großen Aktiengesellschaften und die - wie die PHOENIX - im Privatbesitz befindlichen Großhandlungen würden auf die Übernahme von Apotheken und nach Fremd- und Mehrbesitz schielen, ist demnach nicht zutreffend. Zur Situation hier: Ich glaube nicht, dass das Thema, auch nach der nächsten Bundestagswahl, aktuell wird. Denn es lässt sich durch nichts belegen, dass man nach Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots Effizienzgewinne im System hätte.

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Auf der anderen Seite: angesichts der Aussage, dass das Geld im Einzelhandel verdient wird - ist es für den Großhandel nicht doch verlockend, sich hier stärker zu engagieren?

Scheifele:

Die Aussage, dass das Geld im Einzelhandel verdient werde, ist so zu verstehen, dass die Marge in der Apotheke eine höhere ist als im Pharmagroßhandel. Anders verhält es sich häufig bei der Verzinsung auf das eingesetzte Kapital. Aufgrund der teilweise sehr hohen Kaufpreise für Apotheken ist die Verzinsung auf das eingesetzte Kapital im Großhandel häufig attraktiver als bei Apotheken. Eine generelle Aussage ist insoweit irreführend.

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Denken wir das Szenario der Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots an. Manchen Apothekern käme das nicht ungelegen, da sie davon ausgehen, ihre Apotheke an einen Großhandel zu verkaufen.

Scheifele:

Da wäre ich sehr vorsichtig. Ist es nicht gerade so, dass Apotheken in schlechten Lagen häufig aufgabe- oder verkaufsbereit sind? Für solche schlechten Standorte finden Sie jedoch selten Käufer, die bereit sind, attraktive Preise zu bezahlen. Umgekehrt gibt es für Apotheker mit guten Lagen und entsprechender Rendite überhaupt keinen Anlass, ihre familiären Kleinbetriebe zu verkaufen. Eine andere Richtung darf nicht übersehen werden: Der Supermarkt außerhalb der Innenstädte gewinnt als Einkaufsstätte zunehmend an Bedeutung, und zwar nicht nur für Nahrungsmittel, sondern auch für Non-Food, also z. B. Textilien, technische Geräte usw. Damit wird der Supermarkt auch für die Apotheke immer interessanter. Das One-Stop-Shopping, das in den USA schon gang und gäbe ist, setzt sich auch bei uns immer mehr durch. Die Beispiele sehen wir in den USA, wo die großen Supermarktketten immer eine Apotheke mit dabei haben. Das ist für den Verbraucher bequem und angenehm. Da der Umsatz pro Quadratmeter in der Apotheke höher ist als in so manchen anderen Abteilungen eines Supermarktes, wäre es dann schon eher denkbar, dass Supermarktketten selbst eine Apotheke betreiben möchten. Das stellt für den klassischen Großhandel und die bestehenden Apotheken eher eine Bedrohung als eine Chance dar.

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Wie stellt sich die Auslandsstrategie von PHOENIX dar?

Scheifele:

Für uns liegt der Schwerpunkt im Ausland auf dem Engagement im Großhandel. Zu den letzten Beteiligungen, die wir erwerben konnten, gehört die Tamro, der Marktführer in Skandinavien. Wir haben uns auch beim Schweizer Großhandel engagiert und sind dort jetzt die Nummer zwei. Und in Italien haben wir ein Joint venture mit Adivar abgeschlossen, und zwar für Mittel- und Süditalien. Dadurch wird die Comifar, die mehrheitlich zu PHOENIX gehört, Marktführer in Italien mit etwa 22 % Marktanteil. Damit ist für uns der europäische Marktauftritt weitgehend abgeschlossen.

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Für gewisses Aufsehen sorgte die Übernahme von Apotheken in Florenz durch ein italienisches Unternehmen der PHOENIX. Was ist bei den Beteiligungen an ausländischen Apotheken zu erwarten?

Scheifele:

Erwerber war die Comifar, an der neben PHOENIX ca. 1000 italienische Apotheker beteiligt sind. Der Erwerb erfolgte, weil Comifar bislang in der Toskana nur schwach vertreten war. Hinzu kommt, dass der Kaufpreis verglichen mit Bologna und Mailand deutlich geringer war. Was die anderen europäischen Märkte anbelangt - ich denke insbesondere an die Niederlande und die Schweiz - kann ich nicht ausschließen, dass unsere europäischen Wettbewerber der PHOENIX eine verstärkte Retailstrategie aufzwingen. Wir beobachten diese Märkte genau und werden gegebenenfalls neu zu entscheiden haben.

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Ein Wort zur Internet- und E-commerce-Performance von PHOENIX. Welchen Stellenwert hat das Internet für Ihr Unternehmen?

Scheifele:

Wir gehörten zu den ersten, die mit My-PIN internet-basierte Dienstleistungen für die Apotheken angeboten haben. Wir haben dies dann weiter ausgebaut zum Portal für den Endverbraucher und die Pharmaindustrie. Und die letzte Stufe ist nun das e-Shop-Modul, wo wir dem Apotheker ermöglichen, mit geringem Aufwand einen e-Shop ins Netz zustellen, um für sich zu werben und im rechtlich zulässigen Bereich e-Commerce zu betreiben. Das Modul ist im Markt bereits auf großes Interesse gestoßen. Wir sind bei PHOENIX bewusst den Weg gegangen, unsere Kunden, die Apotheken, in die Lage zu versetzen, den e-shop einzurichten. Wir werden dies nicht selbst tun und wir gehen nicht selbst direkt an den Endverbraucher. Wir haben bei PHOENIX die Investitionen ins Internet nicht überdimensioniert, sondern mit Augenmaß gemacht und mit eigenen Kräften. Ich denke, mit der Einschätzung, das Internet nicht zu überschätzen, lagen wir richtig, insbesondere wenn man andere Unternehmen anschaut, die sich bei Dotcom-Gesellschaften zu hohen Preisen einkauften, dadurch ihren Börsenkurs kurzfristig hochjubelten, und dann die Dotcom-Unternehmen pleite gehen ließen. Für diese Unternehmen heißt B2B heute eher wieder back to business.

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Herr Scheifele, ein Statement von Ihnen zum Versandhandel: Wird er in Deutschland kommen?

Scheifele:

Aus meiner Sicht bietet er für den Patienten keinen Mehrwert, er ist weder bequem noch von der Arzneimittelsicherheit her attraktiv. In Holland und in der Schweiz hat sich Versandhandel nicht durchgesetzt. Er hätte nur dann eine Chance, wenn er sich auf Hochpreisprodukte konzentrieren würde und auf die Versorgung von chronisch Kranken - und damit eine klassische Rosinenpicker-Strategie fährt. Unter den Bedingungen eines Vollsortimenters ist der Versandhandel nicht rentabel. Per se hat der Versandhandel in Deutschland nach meiner Auffassung keinen Erfolg.

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Ein Blick nach innen. Wie sieht der moderne pharmazeutische Großhandel heute aus, was muss er leisten und seinen Kunden bieten? Soll er sich auf die Logistik beschränken oder auch Zusatzleistungen anbieten?

Scheifele:

Ich habe den Eindruck, dass alle Pharmagroßhandlungen in Deutschland seit Ende der 80erJahre eine gewisse All-Konzeptstrategie gefahren haben. Damit soll versucht werden, einen Kunden umfassend zu beraten, also von der Gründung einer Apotheke bis zum Verkauf, und ihn so an sich zu binden. Solche All-Strategien sind typisch für Märkte, in denen die eigentliche Kernleistung austauschbar ist. Persönlich stehe ich solchen All-Konzepten eher kritisch gegenüber. Ich glaube, dass sich viele Kunden in Sachen Marketing eher vom Großhandel beraten lassen, in Sachen Fortbildung mit der Kammer zusammenarbeiten und in Steuerfragen sich lieber mit ihrem Steuerberater zusammensetzen - und nicht in allen Bereichen nur einen Partner, den Großhandel, haben wollen. Persönlich tendiere ich dazu, dass der Großhandel sich auf seine Kernkompetenzen Logistik, Marketing und Personalmanagement konzentriert.

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Herr Scheifele, wir bedanken uns für das Gespräch!

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