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Doping: Goldmedaillen aus der Apotheke
Etwa 8900 Dopingkontrollen werden pro Jahr hierzulande im Leistungssport vorgenommen. Wie Sportarzt Helmut Pabst aus München bekannt gab, liegt Deutschland damit international an der Spitze. Davon fielen 55 Tests positiv aus. Besonders "eifrige" Dopingsünder finden sich unter Leichtathleten, Gewichthebern und Radfahrern. Andere Länder handhaben diese Kontrollen wesentlich laxer: Russland lässt im Schnitt nur 715 Kontrollen zu, die Amerikaner verzichten gar völlig auf Stichproben im Training!
Pabst ist zufrieden mit dem deutschen Ergebnis: "Seit einigen Jahren bleibt die Zahl der erwischten Sünder gleich!" In der Hitliste der verbotenen Substanzen liegen anabole Steroide, Wachstumshormone und Entwässerungsmittel ganz vorn. Als Grund für den Griff zum Dopingmittel wird in erster Linie die Aussicht auf viel Geld angeführt - der sportliche Ehrgeiz rangiert erst dahinter!" Natürlich befinden sich die Athleten in einer Art Prüfungssituation", erläutert Horst Michna von der Deutschen Sporthochschule in Köln, "und da schlucken sie alles, um den Erfolg herbeizuzwingen!" Gesundheitliche Bedenken spielen dabei keine Rolle, weiß Michna: "Die beliebten Anabolika können unfruchtbar machen oder impotent - die Sportler scheint das nicht zu stören!"
Leider greifen auch immer mehr Freizeitsportler zu diesen Präparaten - bis zu 20 Prozent schwören auf Anabolika und sonstige Mittel zur Leistungssteigerung. Bezugsquelle für solche Präparate ist in erster Linie der internationale Schwarzmarkt. "Der ist organisiert wie der Waffenhandel", erklärt Dopingexperte Hans Geyer vom renommierten Kontrolllabor in Köln, "da werden riesige Geschäfte gemacht - derzeit ca. eine Milliarde Dollar im Jahr!" Schon 5,3 % der US-Jugendlichen greifen zu Anabolika - übers Internet haben sie leichten Zugang dazu: "Primobolan 100 mg gibt's dort für 14 US- Dollar."
Grundlage für das Ganze ist die einschlägige Untergrundliteratur, die vor allem aus drei Büchern besteht, u. a. "The Steroid Bible" und die "World Anabolic Review". Diese Machwerke enthalten detaillierte Informationen zu Herstellern, Schwarzmarktpreisen, Beurteilungen und Bezugsquellen: "Bei einem gewissen Marcel Valer in Budapest", weiß Geyer," kriegt man Anabolika. Oder in einer thailändischen Apotheke in Bangkok. "Interessierte stoßen gar auf den Stadtplan von Malaga, dem Mekka für Bodybuilder und Goldmedaillen-Süchtige: dort sind alle Apotheken eingezeichnet, in denen die begehrten Pillen und Spritzen offenbar leicht und günstig zu haben sind! Spanien gilt in Europa als "Einkaufsparadies" für Anabolika - neben Griechenland und der Türkei. Dort locken die "eczane" (Apotheken) an den Urlaubsküsten die sportlichen Betrüger in Scharen an. "Deutsche Apotheken sind nicht so attraktiv," erläutert Dopingfahnder Hans Geyer, "bei uns ist das Zeug einfach zu teuer." Stimmt wohl: kostet in Deutschland eine entsprechende Dosis Nandrolon um die 30 DM, so muss man in Spanien nur etwa ein Fünftel davon hinlegen.
Doch auch so kommt der Betrug am Zuschauer teuer genug: nach den Dosierungsschemata des Untergrunds - z. B. zwölf Wochen lang Anabolika schlucken - kostet das zwischen1600 und 2300 DM. Besonders beliebt sind Clenbuterol und Testosteron. Das Problem dabei sind allerdings häufig auftretende Fälschungen - manchmal ist bloß Salatöl in der Flasche! Deshalb werden die begehrten Präparate auch gern aus Beständen der Apotheken "abgezweigt" und auf dem Schwarzmarkt per Internet und am Rande von Fitness-Messen verkauft.
Ein relativ neues Feld für die Dopingexperten sind die so genannten Nahrungsergänzungsmittel: "Vitamine, Kreatinin, Mineralien etc. sind seit etwa drei Jahren der Hit in USA und nun auch bei uns", berichtet der Kölner Fahnder, "sie enthalten sehr oft Spuren von anabolen Steroiden, die dann zu positiven Dopingproben führen." So wurden z. B. prominente Athleten wie Merlene Ottey, Alex Leipold, Linford Christie oder Dieter Baumann aufgrund der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln gesperrt.
Heutzutage sollten Leistungssportler nur noch zu geprüften Präparaten greifen, um solchen Ergebnissen aus dem Weg zugehen, rät Geyer. Wahrscheinlich werden bald neue Methoden und Mittel zur unerlaubten Leistungssteigerung auftauchen, so das Fazit der Experten. Das Problem dabei ist aber nicht der chemisch-pharmakologische Nachweis, sondern die rechtliche Situation: "Wir müssen alles einwandfrei nachweisen, um vor Gericht bestehen zu können", sagt Hans Geyer, "denn es geht dabei stets um sehr viel Geld. Das macht die Sache enorm schwierig!"
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