ALBVVG ist kleines Pflaster

ZI: Drei Millionen gesetzlich Versicherte aktuell von Lieferengpässen betroffen

Berlin - 18.12.2024, 13:45 Uhr

Wenn das verschriebene Arzneimittel nicht verfügbar ist, ist Stress angesagt. (Foto: DAZ/Schelbert)

Wenn das verschriebene Arzneimittel nicht verfügbar ist, ist Stress angesagt. (Foto: DAZ/Schelbert)


Das Zentralinstitut kassenärztliche Versorgung legt neue Zahlen zu Lieferengpässen vor. Das Lieferengpassgesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bezeichnet der Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried als „kleines Pflaster“.

Jeder zweite hat bereits selbst oder im engsten Familienkreis Erfahrung mit Arzneimittelmangel gemacht. Das war das Ergebnis einer Umfrage von Forsa im Auftrag des Bundesverbands des pharmazeutischen Großhandels, die Anfang des Monats veröffentlicht wurde.

Bereits Ende August hatte ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold betont, dass das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) „bisher kaum Wirkung gezeigt“ habe. Trotz des im Juli vergangenen Jahres in Kraft getretenen Gesetzes müssten Apothekenteams mehrere Millionen Stunden Mehrarbeit leisten, um die Engpässe auszugleichen.

Eine Untersuchung des Zentralinstituts kassenärztliche Versorgung (ZI) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Demnach gibt es immer noch empfindliche Versorgungslücken und aktuell sind mehr als drei Millionen gesetzlich Versicherte davon betroffen. Dies zeigt eine aktuelle Auswertung der vertragsärztlichen Arzneiverordnungsdaten für die Jahre 2022 bis 2024.

Niveau von Anfang 2022

„Die mit der Sonder-Pharmazentralnummer dokumentierten Engpässe haben Ende des dritten Quartals 2024 wieder das Niveau von Anfang 2022 erreicht. Kurzum: Das ALBVVG hat keinen nachhaltigen Effekt“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

Auch ein Blick auf die Lieferengpassliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zeige keinen positiven Effekt, so von Stillfried weiter. Nach wie vor seien dort über 500 Präparate gelistet.

„Für einige Lieferengpässe stehen ausreichend Alternativen zur Verfügung. Andere hingegen verschlechtern die Versorgungslage der betroffenen Versicherten und führen zu hohen Arbeitsaufwänden in Arztpraxen, etwa durch intensive Beratung bzw. Umstellung der Therapie“, sagte Stillfried.

Lage bei GLP-1-Rezeptoragonisten „hoch angespannt“

So sei bei den GLP-1-Rezeptoragonisten die Versorgungslage „hoch angespannt“. Da diese nicht nur bei Typ-2-Diabetes zum Einsatz kommen, sondern auch als Mittel zur Gewichtsreduzierung beworben werden, können die Produktionskapazitäten den enormen Bedarf nicht decken können. „Wenn dadurch die auf einen GLP-1-Rezeptoragonisten eingestellten Diabetikerinnen und Diabetiker nicht versorgt werden können, entsteht in den Arztpraxen ein erhöhter Beratungsbedarf zum Therapiemanagement.“ Bei einem Wechsel zum momentan einzig lieferbaren Wirkstoff Tirzepatid stiegen die Therapiekosten mindestens auf das Doppelte der früheren Therapien an, so der Zi-Vorstandsvorsitzende weiter.

ALBVVG: Öffentlich sichtbarer Nutzen eher gering

Zum ALBVVG sagte Stillfried: „Viele Lieferengpässe, etwa bei einzelnen Antibiotika oder Asthmasprays mit dem Wirkstoff Salbutamol, dauern monatelang an – ohne, dass die Politik interveniert.“ Trotz zahlreicher finanzieller Anreize des Gesetzgebers bleibe das Strukturproblem ungelöst: Die zu geringe Anzahl der Wirkstoffhersteller. „Insofern war das Gesetz lediglich ein kleines Pflaster auf einige der Versorgungslücken. Insgesamt scheint der öffentlich sichtbare Nutzen der gesetzlichen Maßnahme aber eher gering. Wie hoch dagegen die Kosten des Gesetzes ausfallen, können nur die gesetzlichen Krankenkassen beurteilen.“


Deutsche Apotheker Zeitung
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