DAV-Vorsitzender Hans-Peter Hubmann

„Das Spiel spielen wir nicht mit!“

München - 09.10.2024, 12:30 Uhr

Der DAV-Präsident Hans-Peter Hubmann bei der Eröffnung der Expopharm 2024. (Foto: Schelbert)

Der DAV-Präsident Hans-Peter Hubmann bei der Eröffnung der Expopharm 2024. (Foto: Schelbert)


„Die mit dem Apothekenreformgesetz genannten Maßnahmen ergeben einen toxischen Mix, der die wirtschaftliche Lage der Apotheke noch weiter verschlechtern und die Personalknappheit verschärfen würde“, machte Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands, in seiner Eröffnungsrede zur Expopharm deutlich. Die Apotheken brauchen dringend eine finanzielle Soforthilfe, es sei genug Geld im System. Und sie könnten noch mehr leisten, wenn es ihnen wirtschaftlich besser ginge.

Allein die Tatsache, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor einem Jahr die Inhalte seiner Apothekenreform per FAZ-Artikel kommunizierte, ist nicht vergessen: „Unpersönlicher und weniger wertschätzend geht es nicht“, so Hubmann. Die Kernpunkte des Reformvorhabens, die Strukturkomponente (Apotheke ohne Apotheker) und die Honorarkomponente, seien nicht geeignet, die Situation der Apotheken vor Ort zu verbessern. Im Gegenteil, „sie verschärfen die ohnehin prekäre Lage und gefährden damit die hochwertige, flächendeckende Arzneimittelversorgung“, brachte es Hubmann auf den Punkt. Denn Leistungen, die ausschließlich von Apothekerinnen und Apothekern persönlich erbracht werden können, wären nur noch stark eingeschränkt möglich. Hubmann nannte es „geradezu zynisch“, wenn Lauterbach sage, dass es keine Leistungskürzungen für die Versicherten gebe. Lauterbach betone zwar die Notwendigkeit der Reform, wobei er sich als Retter der Apotheke darstelle, er verfolge aber weiterhin den Irrweg der Abschaffung des „teuren Apothekers“, so Hubmann weiter. 

Statt die Arbeit der Apotheken wertzuschätzen, treibe der Minister einen Gesetzgebungsprozess voran, der das Apothekensterben beschleunige und damit die Versorgung der Menschen akut gefährde. Für Hubmann ist es klar: Lauterbach versucht, die Zustimmung der Apothekerschaft zu diesem Gesetz zu erpressen, indem er verkündet: keine Honorarreform ohne Strukturreform. Für Hubmann steht dagegen fest: „Herr Professor Lauterbach, nehmen Sie zu Kenntnis: Dieses Spiel spielen wir nicht mit!“

Apotheken brauchen mehr Honorar, jetzt!

Viele Gesundheitspolitiker haben dagegen verstanden, dass die Vergütungsstruktur der Apotheken gestärkt werden müsse durch eine Erhöhung des Fixhonorars, das derzeit auf dem Niveau von 2013 liege, bzw. auf dem Stand von 2004, wenn man den seit fast zwei Jahren erhöhten Kassenabschlag berücksichtige. Hubmann forderte eindringlich, dass die Apotheken jetzt eine spürbare Erhöhung des Honorars brauchen. Geld sei im System vorhanden, der Orientierungswert für das ärztliche Honorar sei um 3,85 Prozent angehoben worden. Hubmann: „Die Argumente für diese Anpassung, die sogar vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen akzeptiert wurden, gelten eins zu eins auch für uns!“ Mit der von Lauterbach vorgesehenen Umverteilung des Apothekenhonorars, mit der Reduktion des variablen Honoraranteils würden letztlich alle Apotheken noch stärker von der Preisentwicklung abgekoppelt. So fragte Hubmann, wer unter diesen Umständen noch das Risiko einer Apothekenneugründung oder -übernahme eingehe und wer sich noch für die Apotheke als Arbeitgeber entscheide, wenn Krankenkassen und Industrie deutlich attraktivere Konditionen bieten können. „Ohne eine ausreichende ökonomische Grundlage gibt es keine gute Versorgung“, machte Hubmann deutlich. Eine Apothekenreform sollte die Apotheken finanziell und strukturell stärken.

Honorarverhandlungen: ja, aber…

Die mit der Reform ins Spiel gebrachten Honorarverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband seien keine Option, es seien Verhandlungen zwischen Partnern mit ungleichlangen Spießen. Solche Verhandlungen landeten oft vor der Schiedsstelle, außerdem seien sie langwierig. Gleichwohl hält der DAV-Vorsitzende eine Verhandlungslösung für sinnvoll, allerdings nur unter der Bedingung, dass es eine Apotheken-Soforthilfe gebe und dass die Verhandlungen auf verlässlichen und klar fixierten Parametern basierten. 

Hubmann ist sich bewusst, dass die Kassen unter großem finanziellen Druck stehen, aber die GKV -Finanzen würden auch zusätzlich durch versicherungsfremde Leistungen belastet. Die Krankenkassen zahlen z. B. seit Jahren anteilig immer mehr für die Krankenkassenbeiträge von Bürgergeldempfängern, was allein im Jahr 2022 für 9,2 Mrd. Euro Defizit der Kassen sorgte. Würde eine Lösung gefunden, diesen Missstand zu beseitigen, wären Beitragssatzstabilität und Möglichkeiten für unsere Vergütungsverbesserung gegeben, so Hubmann.

Apotheken könnten mehr leisten, wenn…

Der DAV-Vorsitzende betonte, dass die Apotheken mit pharmazeutischen und präventiven Dienstleistungen wie Testen, Impfen und Screenings, außerdem durch assistierte Telemedizin sehr wohl dazu beitragen können, Versorgungslücken zu schließen und das ambulante System zu entlasten. Andere Ländern gingen bereits diesen Weg.

Die im Gesundes-Herz-Gesetz vorgesehenen neuen pharmazeutischen Dienstleistungen im Bereich Prävention und Früherkennung von Herz-Kreislauferkrankungen begrüße man. Allerdings könnten diese Leistungen nur Apotheken erbringen, denen es wirtschaftlich gut gehe und Apotheken, in denen Apothekerinnen und Apotheker anwesend seien. Der Gesetzentwurf zur Apothekerreform konterkariere dagegen solche Leistungen. Hubmann: „Man könnte auch sagen: Das eine Gesetz schafft ab, was das andere voraussetzt.“

Um die Bedeutung der Apotheken zu verdeutlichen, stellte Hubmann heraus, was Apotheken heute schon leisten, z. B. die tägliche Beratung, mit der die Einnahmetreue der Patienten verbessert wird und letztlich Klinikeinweisungen vermieden werden. Oder das Management der Lieferengpässe und das mit hohem Kraftaufwand eingeführte E-Rezept – alles habe zusätzlich Zeit- und Personaleinsatz gekostet. Hubmann erinnerte dabei an die Friedenspflicht, die der DAV mit dem GKV-Spitzenverband bis zum 31. Dezember 2024 vereinbart habe und die verlängert werden könne, bis sichergestellt sei, dass nur formal fehlerfreie und vollständige E-Rezepte die Apotheke erreichen.

pDL kein Flop

Irritierend sei die Bemerkung aus dem Bundesgesundheitsministerium gewesen, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) ein „Flop“ seien. Hubmann konterte: „Wir Apothekerinnen und Apotheker wollen und können pharmazeutische Dienstleistungen“, aber wenn man die Apotheken mit Bürokratie und kaum honorierten Zusatzleistungen belaste, mehr Beinfreiheit bei der Arzneimittelabgabe verweigere und dazu noch die wirtschaftliche Grundlage entziehe, dann dürfe man sich nicht wundern, wenn die Apotheken keine Ressourcen mehr haben, pDL zu erbringen. Ähnlich agiere das BMG, wenn es Lieferengpässe kleinrede. Hubmann legte dem Ministerium nahe, den Apotheken endlich mehr Entscheidungskompetenzen zu geben sowie ein realistisches Engpasshonorar, das den Aufwand abbilde. Wenn Apotheken in Sachen Gesundheit für die Menschen immer schwerer erreichbar sind, wird sich das Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung weiter verstärken. Hubmann erneuerte sein Gesprächsangebot an die Politik: Die Apothekerinnen und Apotheker leisten gern ihren Beitrag für eine funktionierende Gesundheitsversorgung, „man muss nur mit uns reden“.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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Wie geht es weiter mit den pDL?

1 Kommentar

Umfrage?

von Beldowitz am 09.10.2024 um 13:15 Uhr

„Wir Apothekerinnen und Apotheker wollen und können pharmazeutische Dienstleistungen“

Ergab das eine Umfrage unter allen Inhabern, oder wie kommen Sie auf so eine Aussage?

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