Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

29.09.2024, 07:30 Uhr

Die Apothekenreform von Lauterbach: keiner will sie außer er selbst. Da muss ein neuer Gesetzentwurf her. (Foto: Alex Schelbert)

Die Apothekenreform von Lauterbach: keiner will sie außer er selbst. Da muss ein neuer Gesetzentwurf her. (Foto: Alex Schelbert)


Wer will eigentlich noch die Apothekenreform von Lauterbach? Nur Lauterbach. Und vielleicht noch die Krankenkassen. Ansonsten steht im Land mittlerweile eine große Front an Landes- und Bundespolitikern, die von diesem Gesetzentwurf in der jetzigen Form nichts, aber auch gar nichts halten. Alle Gesundheitspolitikerinnen und -politiker, die in den vergangenen Wochen und Monaten Apotheken besucht haben (und das waren viele!), um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen, sind sich einig: Apotheken ohne Apotheker geht gar nicht. Und ja, die Apotheken brauchen eine finanzielle Unterstützung. Selbst aus der SPD kommt Widerstand. Also, wann kommt der Reset? Jetzt kommt erst mal Cardlink. Mehr als ein Drittel der Apotheken ist schon dabei. Aber leider noch nicht bei den pDL, da könnten es noch einige mehr werden. Ebenso bei den Kammerwahlen. Vielleicht sind die jüngeren Apothekers dafür zu begeistern.

23. September 2024

Weit über 150 Millionen sind im „Jackpot“! Nun ja, mein liebes Tagebuch, stimmt nicht ganz, ein „Jackpot“ ist der Sammeltopf für die Honorare der pharmazeutischen Dienstleistungen pDL wahrlich nicht. Wer einige Euro daraus erhalten möchte, muss Dienstleistungen erbringen – und die kosten Zeit und Geld. Über zwei Jahre gibt es mittlerweile die pDL. Eigentlich ein guter Ansatz, dass Apotheken solche Leistungen erbringen und abrechnen können. Der Ansturm der Apothekenauf die pDL hält sich aber noch in Grenzen. Der Wille ist zwar da, allein es fehlt das Tun. Und dafür gibt es durchaus ernst zunehmende Gründe: Zeitmangel, Personalmangel, Geldmangel. Vielleicht hätten die pDL, wenn sie vor zehn oder fünfzehn Jahren eingeführt worden wären, mehr Erfolg gehabt. Allerdings gibt es einen Lichtblick: Die Tendenz, pDL zu erbringen, zeigt deutlich nach oben. Wurden 2023 rund 10 Mio. Euro abgerufen, so meldet der für die Verteilung zuständige NNF, dass bereits im ersten Halbjahr 2024 rund 11 Mio. Euro ausgezahlt wurden an über 7700 Vor-Ort-Apotheken (immer noch weniger als die Hälfte der Apotheken). Wenn wir uns daran erinnern, dass man anfangs Sorge hatte, die 150 Mio. Euro reichten nicht aus, dann sieht die Realität anders aus. Die Standesvertretung ruft immer wieder dazu auf, pDL zu erbringen. Leider werden ob der Millionen im Sammeltopf schon Begehrlichkeiten wach: Die Kassen wollen den Fonds am liebsten ganz auflösen und würden stattdessen auf Direktabrechnung mit den Apotheken setzen. Und sogar EU-Versender glauben, pDL erbringen und abrechnen zu können und wollen ran an diese Millionen. Auch dem Bundesgesundheitsminister sind die hohen Einlagen nicht verborgen geblieben. In seiner Apothekenreform plant er bereits, 50 Millionen Euro davon für eine bessere Finanzierung der Notdienste abzurufen. Mein liebes Tagebuch, über 500 Apotheken schließen jährlich, die Personal- und Finanzsituation bessert sich nicht wirklich – wie sieht vor diesem Hintergrund die Entwicklung der pDL aus?

 

24. September 2024

Was Lauterbachs Apothekenreform bewirkt: Der politische Austausch zwischen Abgeordneten und Apothekerinnen, Apothekern hält an! Erst in der vergangenen Woche hatten der SPD-Politiker Herbert Wollmann und zwei seiner Fraktionskollegen einige Landapothekerinnen und -apotheker zu einer Gesprächsrunde eingeladen, um sich über die Apothekenreform auszutauschen. Sogar Karl Lauterbach hatte daran teilgenommen. Ja, Lauterbach war gesprächsbereit, aber nicht einsichtig. Er kann nicht nachvollziehen, dass die Apotheken seine Reformpläne nicht als die große Chance sehen. Den Ausgang dieser Gesprächsrunde dürfte auch die Apothekerin Karolin Romahn von der Apotheke im Altmark Forum in Stendal nicht zufriedengestellt haben. Sie lud nun ihrerseits Herbert Wollmann ein, um ihm deutlich zu machen, was heute in der Patientenversorgung schon schief läuft und welche Folgen das „desaströse Gesetzesvorhaben“ von Lauterbach haben kann. Die junge Apothekerin treibt vor allem um, dass die Bundesregierung dem Beruf der Apothekerin, des Apothekers keinerlei Wertschätzung entgegenbringt. Seit 20 Jahren habe es keine Erhöhung des Einkommens gegeben: „Wir brauchen endlich mehr Geld, um auch unsere Beschäftigten ordentlich zu entlohnen. Da hilft uns keine Apotheke light wie es der Minister plant.“ Es müsse endlich auch für Apotheken eine Anpassung an die Inflation geben, gaben Karolin Romahn und auch der beim Besuch anwesende Thomas Rößler, stellvertretender Vorsitzender des LAV Sachsen-Anhalt, dem SPD-Politiker mit auf den Weg. In einer Pressemitteilung ließ Wollmann durchblicken, es gebe  gute Chancen, dass das Gesetz in der geplanten Form nicht in das Bundeskabinett eingebracht werde. Immerhin, mein liebes Tagebuch, das wäre ein Anfang. Apothekerin Romahn will dran bleiben und weiter kämpfen, nicht nur für sich und ihre Beschäftigten, sondern auch für eine gute Patientenversorgung.


25. September 2024

Während Günther Jauch schon seit einiger Zeit frisch und fröhlich Werbung macht für den EU-Versender Shop Apotheke und das Cardlink-Verfahren, ist es endlich auch für die deutschen Vor-Ort-Apotheken soweit: In dieser Woche sollen 6000 Apotheken an den Cardlink-Zugang angeschlossen sein. Die Gedisa, die standeseigene Gesellschaft für digitale Services der Apotheken, erhielt vor Kurzem die Zulassung für ihre Cardlink-Lösung. Das bedeutet, dass nun Apotheken über die Gedisa-App „Apoguide“ oder mit den Apps von Partnerunternehmen, zum Beispiel mit der Apotheken-App von apotheken.de, das Cardlink-Verfahren nutzen können. Mein liebes Tagebuch, freuen wir uns, dass nun auch die Vor-Ort-Apotheken, die dies ihren Kundinnen und Kunden anbieten wollen, dabei sein können.

 

VKammerwahlen – sie waren in den vergangenen Jahren nicht von einer hohen Wahlbeteiligung gekrönt. Selten waren es mehr als 30 Prozent der Wahlberechtigten, die ihre Stimme abgaben. Worauf die niedrige Beteiligung zurückzuführen ist, mag viele Gründe haben. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) wertet seit 2019 das Verhalten der Wählerinnen und Wähler aus. Es wählten mehr ältere als jüngere Kammermitglieder, mehr Vollzeit- als Teilzeitkräfte, mehr Männer als Frauen, mehr Selbstständige als angestellte Apothekerinnen und Apotheker. Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen? Wie Andreas Walter, Hauptgeschäftsführer der AKWL im DAZ-Gespräch erklärt, sei die Möglichkeit der Online-Wahl vor allem bei jüngeren Kammermitgliedern gut angenommen worden. Man wolle aber auch weiterhin die Briefwahl anbieten, die von den Älteren bevorzugt werde. Hoffnung auf eine höhere Wahlbeteiligung macht die wachsende Wahlbeteiligung bei Pharmazeuten im Praktikum: Im Vergleich zu 2019 nahm sie beim Nachwuchs um rund neun Prozentpunkte zu. Unterm Strich sieht es Walter allerdings bereits als Erfolg, die Wahlbeteiligung konstant zu halten. Letztlich müsse man durch eine gute Kammerarbeit überzeugen und jede Möglichkeit nutzen, mit den Mitgliedern in Kontakt zu kommen. Wie wahr, mein liebes Tagebuch.

 

26. September 2024

So leicht lässt sich die Freie Apothekerschaft (FA) nicht abspeisen. Das Verwaltungsgericht Köln wies ihren Antrag ab, das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zu verpflichten, die sogenannte Länderliste zu aktualisieren und die Niederlande von ihr zu streichen. Aber die FA hat daraufhin eine „ordentliche“ Verpflichtungsklage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht. Es soll endlich geklärt werden, wie es um die Sicherheitsstandards im Land von DocMorris und Shop Apotheke bestellt ist. Die FA ist der Meinung, dass sie nicht mit den deutschen Standards vergleichbar sind. Das BMG müsse daher handeln und diese EU-Versender von der Länderliste streichen, was bedeuten würde, dass sie wohl nicht mehr nach Deutschland liefern dürften. Mein liebes Tagebuch, so weit, so richtig. Es gibt einen kleinen Haken dabei: Die Länderliste wurde seit 2011nicht mehr angetastet geschweige denn angepasst, warum also sollte es jetzt dringend sein? Das Gericht könnte keine Eilbedürftigkeit in dieser Sache feststellen und die Sache erstmal hintan stellen.  Da drängt sich uns die Frage auf, warum hat unsere Standesvertretung nicht schon längst ganz offiziell auf eine Überprüfung und Anpassung der Liste gedrängt. Ein Versäumnis?

 

Wieder so eine Sau, die durchs Tiktok- und Youtube-Dorf getrieben wird: Der Farbstoff Methlenblau wird als Nootropikum, als Substanz zum Gehirndoping empfohlen. Was ist dran? Laut wissenschaftlichen Beiträgen (s. DAZ 2024 Nr. 37, S. 34) soll Methylenblau neuroprotektiv wirken, die Substanz scheint in niedrigen Dosen Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit zu fördern. Das dicke Aber: Es gibt Interaktionen und viele Risiken, auch die Dosierung ist unklar. Und die Substanz, die landläufig und auf dem Schwarzmarkt im Handel ist, dient industriellen und analytischen Zwecken und besitzt keine pharmazeutische Reinheit, ist also nicht zur Einnahme vorgesehen. Mein liebes Tagebuch, die ABDA warnt daher zu Recht vor eine Einnahme und rät dringend von einer Abgabe in der Apotheke ab. Die Apotheke sollte bei einer Nachfrage nach einer Chemikalie immer den Verwendungszweck erfragen.

 

27. September 2024

Bewegt sich da noch was in Sachen Apothekenreform? Setzt vielleicht ein bisschen Umdenken im Bundesgesundheitsministerium ein? Es wäre viel zu früh, eine hoffnungsfrohe Stimmung zu zeigen. Dennoch, manchmal gibt’s kleine Lichtblicke. So bei einem Online-Expertentalk der „Osnabrücker Zeitung“, an dem neben ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening auch Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi SPD), Schleswig-Holsteins Gesundheitsstaatssekretär Dr. Oliver Grundei (CDU) und ein Apotheker aus Schleswig-Holstein dabei waren. Bemerkenswert waren Äußerungen von Philippi: Man müsse Apotheken "überleben" lassen, sagte er, „das kann sicher nicht funktionieren, indem wir die Einkommen der Apotheker kürzen, wir können es auch nicht ändern, wenn wir eine Apotheke light aufsetzen“. Na, mein liebes Tagebuch, da geht doch wieder einmal ein Landesminister deutlich auf Distanz zu Lauterbachs Plänen. Aber kommt das bei Lauterbach an? Philippi meinte, man könne auf Lauterbach Einfluss nehmen: So habe man dem Bundesgesundheitsminister nahegelegt, das Skonto-Verbot rückgängig zu machen. Mein liebes Tagebuch, das ist fein, aber was hat’s gebracht? Philippi sagte auch, er habe angeregt, über Vorhaltepauschalen für Apotheken nachzudenken, um das Problem des Apothekensterbens gerade in unterversorgten Regionen zu stoppen. Der niedersächsische Gesundheitsminister zeigte sich jedenfalls zuversichtlich, etwas bewegen zu können. Mein liebes Tagebuch, es wäre zu schön…

 

Mein liebes Tagebuch, mir ist derzeit kein Bundesland bekannt, das hinter der Apothekenreform von Lauterbach steht, zumindest kein Bundesland, dessen Landesgesundheitsminister(in) sich eindeutig positiv dazu öffentlich geäußert hat. Im Gegenteil, aus den Bundesländern ist viel Verständnis für die Lage der Apotheken zu hören, es gibt sogar Gegenvorschläge zur Apothekenreform. Und wirklich alle Bundestagsabgeordneten, die in den vergangenen Wochen die Einladung von Apotheken wahrgenommen haben, um sich über die Apothekenrealität zu informieren, bekennen sich zur Apotheke vor Ort und sprechen sich dafür aus, dass auch eine finanzielle Unterstützung notwendig ist. Erst in dieser Woche hat der FDP-Bundestagsabgeordnete Ingo Bodtke die Mohren-Apotheke in Eisleben, Sachsen-Anhalt, besucht und der FDP-Landtagsabgeordnete Konstantin Pott die Apotheke von Jens-Andreas Münch, Präsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt, in Magdeburg.

Jetzt meldet sich Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Prof. Dr. Kerstin von der Decken zu Wort. Sie ist auch Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) und steht so mit allen anderen Ländern in Kontakt. Auf dem parlamentarischen Abend der Heilberufe in Schleswig-Holstein sagte sie, die Lage der Apotheken erfülle sie mit Sorge. Sie kennt die Probleme der Apotheken, die GMK habe daher bereits im vorigen Jahr vorgeschlagen, eine Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung zu prüfen und ein Finanzierungskonzept zu erarbeiten. Sie wandte sich gegen die Pläne, Light-Apotheken einzuführen und gegen die Aufhebung der ständigen Dienstbereitschaft. Was sie auch sagte: Es sei derzeit nicht bekannt, ob und wie die geplante Reform überhaupt weiter betrieben werde. Ihr Fazit ist daher erstmal: „Abwarten und dann reagieren“. Mein liebes Tagebuch, wenn das kein deutliches Signal ist! Es scheinen sich die Anzeichen zu verdichten, dass die Reform in dieser Ausgestaltung wohl nicht kommt. Wer in diesem Land steht noch zu Lauterbachs Reform? Niemand außer den Krankenkassen. Also, warten wir ab, irgendwann wird Lauterbach aus der Deckung kommen. Vielleicht in seiner Videoansprache auf dem Apotag?


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

Umsteuern!

von Ulrich Ströh am 29.09.2024 um 9:12 Uhr

Wir Apothekers müssen endlich aus der selbstinszenierten Opferrolle herauskommen..

Die Klagemauer in Berlin ist schon besetzt….

Weniger reden , mehr handeln!

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PDL

von Beldowitz am 29.09.2024 um 8:15 Uhr

PDL sind wie die Nackenmassage beim Friseur. Nice to have, aber im Endeffekt geht es um das Kürzen der Haare. Und wenn der Laden voll ist, und der Friseur keine 5 Euro für die Kostendeckung dafür verlangen kann, gibt es eben keine Nackenmassage. Einfache Marktwirtschaft. Aber damit hat es unsere Standesvertretung ja nicht so.

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Sonntägliche Pflichtlektüre . . . Aber

von Uwe Hansmann am 29.09.2024 um 7:59 Uhr

Lieber Peter Ditzel,

sonntags bietet sich ja immer wieder die Gelegenheit, Ihre treffenden Zustandsbeschreibungen der vorausgegangenen Woche zu lesen. Immer mit großem Interesse.

Am Ende komme ich dann für mich aber immer wieder zum gleichen Resümee:

Es ist wieder eine Woche ins Land gegangen, ohne das den Apotheken von der Politik auch nur ansatzweise nennenswerte Unterstützung zu teil wird!!

Dieser Beruf wird von Lauterbach und seinen Vasallen mit maximaler Kraft der kompletten Zerstörung zugeführt.

Wenn man dazu noch die aktuellen Berichte zur Entwicklung des Apothekenwesens aus den USA gelesen hat, dreht sich einem komplett der Magen um.

Und Lauterbach gibt keinerlei definitive Antworten, wie denn nach Zerstörung bisheriger Strukturen die Versorgung der Bevölkerung vonstatten gehen soll.

Bitter, ganz bitte für Deutschland, die frühere Apotheke der Welt.

Allen einen geschmeidigen Restsonntag!

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