Interview und Wahlanalyse zu Kammerwahlen

„Unsere Mitglieder werden immer jünger"

25.09.2024, 07:00 Uhr

Der Hauptgeschäftsführer der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Andreas Walter, erläutert die Analyse der Kammerwahlen. Foto: AKWL

Der Hauptgeschäftsführer der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Andreas Walter, erläutert die Analyse der Kammerwahlen. Foto: AKWL


Die Apothekerkammer West­falen-Lippe (AKWL) legt in diesem Jahr zum zweiten Mal eine detaillierte Auswertung vor, welche Gruppen von Mitgliedern sich in welchem Ausmaß an den Kammerwahlen beteiligen. Wie sind die Zahlen einzuordnen und welche Schlüsse zieht die Kammer daraus? Darüber sprach die DAZ mit AKWL-Hauptgeschäftsführer Andreas Walter.  

DAZ: Herr Walter, nahezu im gesamten Bundesgebiet kämpfen Kammern mit einer sinkenden Beteiligung an den Kammerwahlen. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück? 

Walter: Dieser Trend ist schon seit  einiger Zeit zu beobachten. In West­falen-Lippe lag die Wahlbeteiligung in den 1970er-Jahren noch zwischen  
60 und 70 Prozent. Über die Jahre  hinweg ist sie kontinuierlich gesunken – übrigens weitgehend analog zur  Beteiligung an politischen Wahlen. Vor rund 50 Jahren haben bei Bundestagswahlen noch zwischen 80 und  
90 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Im Jahr 2009, am vorläufigen Tiefpunkt, waren es lediglich noch rund 70 Prozent. Die ältere Generation hat Wählen früher als erste Bürgerpflicht empfunden. Das hat sich im Laufe der Zeit gewandelt, sowohl bei den politischen als auch bei den Kammerwahlen. 

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Wer wählt bei Kammerwahlen?

DAZ: Die AKWL hat im Jahr 2024 bereits zum zweiten Mal sehr detailliert ausgewertet, welche Gruppen sich an den Kammerwahlen in welchem Ausmaß beteiligen. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Analyse? 

Walter: Wir sehen, dass sich bestimmte Muster abzeichnen. Unter den Selbstständigen ist der Anteil der Wähler höher als unter den Angestellten, unter den jungen Apothekerinnen und Apothekern ist die Wahlbeteiligung vergleichsweise gering, und Vollzeitkräfte wählen häufiger als Teilzeitkräfte. Vieles davon ist erklärbar. Wer zum Beispiel nur wenige Stunden pro Woche arbeitet, hat oft privat viel um die Ohren – sei es die Kinderbetreuung oder die Pflege eines Angehörigen. Unter solchen Umständen hat eine Kammerwahl womöglich nicht oberste Priorität. Und für Inhaberinnen und Inhaber nimmt die berufspolitische Weichenstellung vielleicht einen besonders hohen Stellenwert ein, weil ihre wirtschaftliche Existenz an der Apotheke hängt. Kurzum: Die Wahlbeteiligung spiegelt ein Stück weit die Betroffenheit der einzelnen Wählergruppen wider. 
                     
DAZ: Offenbar geben aber auch Apothekerinnen seltener ihre Stimmen  
ab als Apotheker. Worauf führen Sie das zurück? 

Walter: Die Abhängigkeit vom Geschlecht haben wir zwar in die Auswertung einbezogen, stellen aber fest, dass sie von anderen Effekten überlagert wird. Apothekerinnen arbeiten zum Beispiel öfter in Teilzeit als Apotheker, und in der Gruppe der jungen Mitglieder finden sich viele Frauen. Letztlich konnten wir keine Trennlinie zwischen Frauen und Männern feststellen, die Wahlbeteiligung ist bei beiden Geschlechtern etwa gleich hoch. 

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DAZ: Mit Blick auf das Alter der  Wählerinnen und Wähler fällt auf, dass innerhalb der Gruppe der Mitglieder unter 35 Jahren die Beteiligung vergleichsweise gering ist.  Woran liegt das? 

Walter: Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass in dieser Gruppe die besondere Lebenssituation hemmend wirkt. Wenn man so jung ist, möchte man sich vielleicht erst mal beruflich etablieren oder gründet eine Familie. In solchen Lebensphasen liegt der Fokus oft nicht auf der Berufspolitik. Das entspricht übrigens, wie bereits erwähnt, dem allgemeinen Trend – in diesem Punkt sind Apothekerinnen und Apotheker auch nicht anders als der Durchschnitt der Bevölkerung. 

DAZ: Die AKWL war im Jahr 2019 die erste Kammer, die sowohl Online- als auch Briefwahl angeboten hat. Nun ist bereits der zweite Wahlgang abgeschlossen, in dem die Mitglieder sich aussuchen konnten, ob sie digital oder analog abstimmen möchten. Wie lautet Ihr erstes Fazit? 

Walter: Unsere Mitglieder nehmen die Online-Wahl gut an, insbesondere die jüngeren Apothekerinnen und Apotheker. 2019 hat rund ein Drittel der Wählerinnen und Wähler online abgestimmt, 2024 waren es bereits gut  
45 Prozent. Bei den Mitgliedern unter 35 Jahren waren es sogar etwa 65 Prozent. Die Online-Wahl ist sicher ein Faktor, der dazu beiträgt, dass wir die Wahlbeteiligung in Westfalen-Lippe in den vergangenen Jahren stabil halten konnten. Dennoch werden wir vorerst auch die Abstimmung per Brief anbieten. Denn in der Gruppe der Apothekerinnen und Apotheker  
ab 66 Jahren haben sich drei von  vier dafür entschieden, analog zu wählen. Diese Mitglieder wollen wir nicht verlieren. 

Dr. Andreas Walter

Dr. Andreas Walter ist Apotheker und Hauptgeschäftsführer der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Nach dem Pharmaziestudium und der Approbation im Januar 1993 hat er zunächst als Offizin- und Krankenhausapotheker gearbeitet, ehe er im Oktober 1995 zur AOK Niedersachsen wechselte. Dort leitete er die pharmazeutische Beratungsstelle in Oldenburg. Seit dem Jahr 1999 ist er für die AKWL tätig, seit rund 15 Jahren als Hauptgeschäftsführer.

DAZ: Lassen sich bestimmte Entwicklungen im Wahlverhalten erkennen, wenn Sie die Zahlen von 2019 und 2024 vergleichen? 

Walter: Grundsätzlich sind die Ergebnisse recht ähnlich. Es fällt auf, dass wir bei den Pharmazeuten im Praktikum ein beachtliches Plus zu verzeichnen haben. 2019 wählten rund  24 Prozent der PhiP, 2024 waren es fast 33 Prozent. Das ist sehr erfreulich und lässt hoffen, dass sich das mittelfristig bei der Wahlbeteiligung innerhalb der Gruppe der Mitglieder unter 35 Jahren widerspiegeln wird. 

DAZ: Wie ist es Ihnen gelungen, die PhiP zum Wählen zu animieren? 

Walter: Wir haben in den vergangenen Jahren unser Engagement im universitären Bereich deutlich ausgebaut. Zum Beispiel suchen wir während der Orientierungswoche vor Studienbeginn den Kontakt zu den Studierenden und laden sie im Laufe des Studiums zu verschiedenen Anlässen ein, so zum Beispiel nach dem bestandenen Ersten Staats­examen, zu einer sogenannten White-Coat-Ceremony, oder nach dem bestandenen Zweiten Staatsexamen zu einer  Examensfeier. Die ersten Semester, die wir auf diese Weise abgeholt haben, absolvieren aktuell ihr Praktikum. Es ist somit durchaus möglich, dass unsere Bemühungen um den Nachwuchs Früchte tragen. Das werden wir nach der nächsten Auswertung in fünf Jahren sehen. 

DAZ: Welche Strategien lassen sich  aus Ihrer Auswertung noch ableiten, um die Wahlbeteiligung an der Kammerwahl nicht nur konstant zu halten, sondern zu steigern? 

Walter: Zunächst muss man anerkennen, dass es schon ein Erfolg ist, die Wahlbeteiligung konstant zu halten. Wir sehen seit einiger Zeit eine Verschiebung: Unsere Mitglieder werden im Schnitt immer jünger. Zwischen 2014 und 2024 sind wir um etwa 1000 Mitglieder gewachsen. Es kommen deutlich mehr junge Apothekerinnen und Apotheker nach, als ältere ausscheiden. Nun ist gerade die Gruppe der jungen Kolleginnen und Kollegen jene, innerhalb derer die Wahlbeteiligung eher gering ist. Vor diesem Hintergrund ist es ein gutes Zeichen, wenn es uns gelingt, das Niveau der Wahlbeteiligung zu stabilisieren. Insofern werden wir unsere bisherige Strategie fortführen. Ein Patentrezept, wie wir die Wahl­beteiligung schnell und deutlich ankurbeln können, habe ich nicht. Wir wollen durch gute Kammerarbeit überzeugen und jede Möglichkeit nutzen, mit unseren Mitgliedern in Kontakt zu kommen, um Begeisterung für die Berufspolitik zu schüren. 

DAZ: Herr Walter, vielen Dank für das Gespräch


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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