Zustimmungspflicht vermeiden

Apothekenreform: Um jeden Preis ohne den Bundesrat

Süsel - 12.08.2024, 07:00 Uhr

Muss der Bundesrat der Apothekenreform zustimmen? (IMAGO /Schöning)

Muss der Bundesrat der Apothekenreform zustimmen? (IMAGO /Schöning)


Aus den Bundesländern gibt es in der Reformdebatte reichlich Zustimmung für die Positionen der Apotheker - aus allen Parteien. Das bringt politischen Gegenwind für die Reformpläne, aber im formellen Gesetzgebungsverfahren wird es voraussichtlich keine Rolle spielen. Denn offenbar gibt sich das Bundesgesundheitsministerium große Mühe, eine Pflicht zur Zustimmung des Bundesrates zu vermeiden. Dabei wird in Kauf genommen, dass die Zukunft geflüchteter angehender Apothekerinnen und Apotheker weiter offenbleibt.

Schon bevor die ersten Entwürfe für die Apotheken-Reform bekannt wurden, stellte sich die Frage, ob der Bundesrat einem solchen Gesetz zustimmen müsste. Theoretisch kann der Bundesrat zwar auch bei nicht zustimmungspflichtigen Gesetzen Einspruch erheben, aber bei einer Zustimmungspflicht gehen die Rechte des Bundesrates weiter. Daraus können sich Verzögerungen und weitere Verhandlungsrunden mit ungewissem Ausgang ergeben. Ob ein Gesetz zustimmungspflichtig ist, hängt davon, ob Belange der Länder berührt werden. Auch wenn nur ein Aspekt Ländersache ist, muss der Bundesrat dem Gesetz insgesamt zustimmen.

Viel Zuspruch für Apotheken aus den Ländern

Inzwischen bekommt diese Frage zusätzliche Bedeutung durch die vielen Äußerungen aus der Landespolitik, die sich für eine Stärkung der Apotheken und gegen „Apotheken ohne Apotheker“ aussprechen. Eine solche Positionierung hatte die Gesundheitsministerkonferenz der Länder bereits im Juni beschlossen. Kürzlich bekräftigte dies beispielsweise die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach. Solche Äußerungen aus den Bundesländern könnten politisch besonders relevant werden, wenn sie aus SPD-geführten Landesregierungen kommen. Aus diesem Kreis zeigt vor allem der niedersächsische Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi (SPD) regelmäßig viel Verständnis für die Belange der Apotheken. Es besteht die Hoffnung, dass dies in einem SPD-geführten Bundesministerium wahrgenommen wird.

Anerkennung für geflüchteten Berufsnachwuchs musste weichen

Doch das formelle Gesetzgebungsverfahren ist eine andere Sache. Offenbar bemüht sich das Bundesgesundheitsministerium gezielt, eine Pflicht zur Zustimmung des Bundesrates zu vermeiden. Das ist an der Entwicklung des Entwurfs für die Apotheken-Reform erkennbar. Eine Mitte Juli vorgenommene Änderung des Entwurfs unterschied sich von der vorherigen Fassung außer in redaktionellen Kleinigkeiten praktisch nur in der Streichung der Pläne, mit denen Anerkennungsmöglichkeiten für ausländische Fachkräfte mit nicht abgeschlossener Ausbildung geschaffen werden sollten. 

Es ging dabei um angehende Apothekerinnen und Apotheker, die ihr Hochschulstudium bereits abgeschlossen haben, aber den praktischen Teil der Ausbildung aufgrund von Konflikten im Ausbildungsstaat dort nicht durchführen können. Ihnen sollte die Möglichkeit eröffnet werden, die praktische Ausbildung und unter bestimmten Voraussetzungen auch den Dritten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung in Deutschland zu absolvieren. 

Diese bereits ausformulierte Regelung wurde jedoch aus dem Entwurf gestrichen. Sie hätte in die Arbeit der Landesprüfungsämter eingegriffen und damit Belange der Bundesländer berührt. Dies hätte offensichtlich die Pflicht zur Zustimmung des Bundesrates ausgelöst, aber dies sollte ebenso offensichtlich vermieden werden. Die Belange der geflüchteten angehenden Apothekerinnen und Apotheker und der allseits beklagte Fachkräftemangel mussten demnach hinter das politische Kalkül zurücktreten, das Gesetz nicht der Entscheidung des Bundesrates zu überlassen. 

Dies dürfte ein Zeichen dafür sein, wie sehr der Einfluss der Länder an dieser Stelle gefürchtet wird. Wie die Ausbildung für den geflüchteten Berufsnachwuchs weitergehen soll, bleibt damit weiter offen. Durch das lange Warten dürfte die Frage für die Betroffenen immer drängender werden.

Bei der AMPreisV geht es nicht um Anpassung durch Ministerium

Daneben wird spekuliert, ob die geplanten Änderungen an der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) eine Zustimmungspflicht auslösen könnten. Diese Überlegungen stützen sich auf § 78 Absatz 1 Arzneimittelgesetz. Dieser schreibt vor, dass verschiedene Änderungen der Verordnung durch das Bundeswirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsministerium jeweils mit oder ohne Zustimmung des Bundesrates durchgeführt werden können. 

Dabei geht es also um Ermächtigungen für Änderungen durch die Ministerien. Sie zielen vor allem auf regulatorisch einfache Anpassungen der Apothekenhonorierung. Doch bei der Apotheken-Reform geht es nicht um Änderungen durch Ministerien, sondern durch den Gesetzgeber, also auf einer ganz anderen Ebene. Sie betreffen auch weiterreichende Inhalte, nämlich den Wechsel der Zuständigkeit der Ministerien. Das sollte eine Angelegenheit des Bundesgesetzgebers sein.

Politische Überzeugung wichtiger als formelles Verfahren

Damit wird sich der Einfluss der Länder auf die Reform wohl auf die politische Stimmung beschränken, wenn nicht noch neue Inhalte mit Länderbezug in den Entwurf aufgenommen werden sollten. Doch der politische Einfluss kann wichtiger sein als ein formelles Verfahren, zumal der Bundesrat erfahrungsgemäß nur sehr selten den Vermittlungsausschuss anruft. Entscheidend sollte daher die Binse jeder Gesetzgebung sein: Weder das Ministerium noch der Bundesrat werden das Gesetz beschließen, sondern die Bundestagsabgeordneten – und die sind in ihren Wahlkreisen verankert und sollten damit auch für Positionen aus der Landespolitik zu gewinnen sein.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Eben KARL

von ratatosk am 06.09.2024 um 10:26 Uhr

Um seine Machenschaften durchdrücken zu können ist ihm jedes Mittel recht , auch wenn demokratische Prozesse leiden.
Zu Recht fürchtet er kompetente Politiker und Fachleute, die ihm dieser Dreck einfach um die Ohren hauen würden. Leider zahlt hier die altehrwürdige SPD dafür auch einen ungeheueren Preis, leider aber zu Recht, wenn man solche Typen gegen jede Vernunft frei walten lässt

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