Aktuelle schwedische Studie

Erhöhtes Lymphomrisiko – Tattoofarben und ihre Folgen

19.07.2024, 13:00 Uhr

Vorsicht: In einer Studie stieg bei Personen, die sich ihr Tattoo mit Laserbehandlung entfernen ließen, das Lymphomrisiko drastisch an. (Foto: uv_group / AdobeStock)

Vorsicht: In einer Studie stieg bei Personen, die sich ihr Tattoo mit Laserbehandlung entfernen ließen, das Lymphomrisiko drastisch an. (Foto: uv_group / AdobeStock)


Der Gang in ein Tattoo-Studio sollte gut überlegt sein. Denn einmal gestochen, bleiben die Farbpigmente dauerhaft unter der Haut und bergen zahlreiche gesundheitliche Risiken. Neben Infektionen und Allergien könnte auch eine erhöhte Krebsgefahr dazu zählen. In einer großen epidemiologischen Fall-Kontroll-Studie stellten schwedische Forscher nun ein erhöhtes Lymphomrisiko bei Tattoo-Trägern fest.

Tätowierungen sind mittlerweile zum Mainstream geworden. Etwa 20% der Europäer und bis zu 30% der Amerikaner sind tätowiert, die meisten Menschen bereits in jungen Jahren [1]. Das bedeutet, dass sie ihr ganzes Leben lang der Tätowiertinte ausgesetzt sind und damit karzinogenen Chemikalien wie primären aromatischen Aminen, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen und Schwermetallen (Kobalt, Chrom, Nickel). 

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Die Tattoofarbstoffe zerfallen in der Dermis in kleinere Partikel und sammeln sich teilweise in den Lymphknoten an. Hier finden verschiedene Immunreaktionen statt [2].

Erhöhtes Lymphomrisiko bei Tattoo-Trägern 

Bisher wird der Zusammenhang zwischen Tätowierungen und Krebsentstehung kontrovers diskutiert [3]. Eine große epidemiologische Studie bringt jetzt ein wenig Licht ins Dunkel [1]. Forscher der Universität Lund in Schweden analysierten mittels Daten des schwedischen nationalen Krebsregisters den Einfluss von Tattoos auf das Krebsrisiko. Eingeschlossen wurden alle Personen im Alter von 20­ bis 60 Jahren, bei denen zwischen 2007 und 2017 ein malignes Lymphom neu diagnostiziert wurde. Die Studienpopulation umfasste 11.905 Personen, darunter 2.938 Lymphomfälle. Tätowierte hatten ein höheres Risiko an einem malignen Lymphom zu erkranken als nicht Tätowierte (Inzidenzratenverhältnis [Incidence Rate Ratio, IRR] = 1,21; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,99 bis1,48). Die Daten zeigen, dass ein neues Tattoo insbesondere in den ersten zwei Jahren mit einem erhöhten Risiko für maligne Lymphome einhergeht. Danach sank die Gefahr mit zunehmender Expositionsdauer, erhöhte sich aber wieder ab einem Zeitraum von elf Jahren nach Tätowierung. Das Durchschnittsalter bei der Diagnose lag zwischen 51 und 57 Jahren, bei Hodgkin-Lymphomen bei 36 Jahren. Die häufigsten Subtypen unter den diagnostizierten Lymphomen waren das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (28%), das Hodgkin-Lymphom (21%) und follikuläre Lymphome (18%) [1].

Einfluss von Fläche, Farbe und Laser

Anders als vermutet wurde kein erhöhtes Gesundheitsrisiko bei größerer tätowierter Körperoberfläche beobachtet und bei verschiedenen Tätowierfarben war nur eine marginale Differenz festzustellen. Allerdings stieg das Lymphomrisiko drastisch an bei Personen, die sich ihr nicht länger erwünschtes Tattoo mit Laserbehandlung entfernen ließen. Das Inzidenzratenverhältnis betrug hier 2,63 im Vergleich zu Personen ohne Tattoos [1]. Dies entspricht den Ergebnissen experimentellen Untersuchungen, die zeigen, dass Azoverbindungen in Tätowiertinte nach Laserbestrahlung in karzinogene aromatische Amine wie o-Toluidin, 2-Amino-4-Nitrotoluol und 3,3′-Dichlorbenzidin gespalten werden [4, 5].

Weitere Forschung nötig

Die aktuell publizierte schwedische Studie deutet darauf hin, dass Tattoos ein Risikofaktor für maligne Lymphome sein könnten. Weitere epidemiologische Forschung ist erforderlich, um die Kausalität zu belegen. Derzeit laufen zwei große, prospektive Kohortenstudien in Deutschland und Frankreich [3]. Mit aussagekräftigen Resultaten ist jedoch erst in zehn bis 20 Jahren zu rechnen. Fakt ist: Trotz aller Bemühungen der Regulierungsbehörden um eine sichere Praxis des Tätowierens steht eine umfassende toxikologische Bewertung von Tätowiertinten nach wie vor aus. Es bestehen weiterhin enorme Wissenslücken über die Biokinetik hochkomplexer Tinten und ihrer Abbauprodukte [6, 7].

Literatur 

[1] Nielsen C et al. Tattoos as a risk factor for malignant lymphoma: a population-based case-control study. EClinicalMedicine 2024;72:102649; doi: 10.1016/j.eclinm.2024.102649

[2] Foerster M et al. Tattoo inks and cancer. Cancer Epidemiol. 2020:65:101655; doi: 10.1016/j.canep.2019.101655

[3] Giulbudagian M et al. Lessons learned in a decade: Medical-toxicological view of tattooing. J Eur Acad Dermatol Venereol 6. Mai 2024; doi: 10.1111/jdv.20072

[4] Hauri U, Hohl C: Photostability and breakdown products of pigments currently used in tattoo inks. Curr Probl Dermatol. 2015;48:164–169; doi: 10.1159/000369225

[5]  Tattoos: Auch der Abschied ist nicht ohne Risiko. Presseinformation des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) 21/2015, www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2015/21/tattoos__auch_der_abschied_ist_nicht_ohne_risiko-194946.html

[6] Giulbudagian M et al. Safety of tattoos and permanent make-up: a regulatory view. Arch Toxicol. 2020;94(2):357-369; doi: 10.1007/s00204-020-02655-z

[7] Charuta A et al. Types of colourants used in tattoo and permanent make-up techniques, legal regulations, health, and psychological aspects of tattooing. Health Sci Rep 2023;6(9): e1360; doi: 10.1002/hsr2.1360


Dr. Ines Winterhagen, Apothekerin
redaktion@daz.online


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