Gesellschaftsrecht

Die Renaissance der Apotheken-OHG

11.07.2024, 07:00 Uhr

Der Grundsatz „drum prüfe, wer sich ewig bindet“ ist als Basisüberlegung auch bei der Apotheken-OHG zu beherzigen. (Foto: Malik E/peopleiamges/AdobeStock)

Der Grundsatz „drum prüfe, wer sich ewig bindet“ ist als Basisüberlegung auch bei der Apotheken-OHG zu beherzigen. (Foto: Malik E/peopleiamges/AdobeStock)


Es gibt gute Gründe, eine Apotheke in der Rechtsform der Offenen Handelsgesellschaft zu betreiben. Dabei muss es nicht immer der Klassiker einer Zwei-Personen-OHG sein. Doch rechtlich und steuerlich ist dabei einiges zu beachten. Rechtsanwalt Markus Rohner gibt einen Überblick.

In den vergangenen Jahren war eine wachsende Zahl von Apotheken-OHGs zu verzeichnen. Es kann gute Gründe geben, eine Apotheke in der Rechtsform der Offenen Handelsgesellschaft zu betreiben – gleichzeitig gibt es rechtlich und steuerlich einiges zu beachten. Nicht zuletzt wird die im März 2023 ergangene und mittlerweile rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Az. 26 K 2364/23) der Gründung von OHGs weiteren Vortrieb geben. Dabei geht es schon lange nicht mehr nur um den Klassiker der Zwei-Personen-OHG. Der Anzahl der Gesellschafter sind formal keine Grenzen gesetzt, ebenso wenig wie der Aufteilung der Anteile.

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Motive für eine Apotheken-OHG

Nicht selten wollen mehrere Apotheker die Kapital-, Haftungs- und Führungsverantwortung auf mehrere Schultern verteilen. Waren es vormals ganz überwiegend Eheleute oder „best friends“, die Apotheken gemeinsam betrieben haben, entscheiden sich heute oft junge Apotheker, diesen Schritt gemeinsam zu gehen. Gerade in großen Einheiten, also Apotheken mit mehreren Filialen und/oder Geschäftsbereichen, wird gerne die Verantwortung geteilt und dabei auch eine Aufteilung des Gewinns in Kauf genommen. Beim Erwerb von großen Apothekeneinheiten kann so beispielsweise der Kaufpreis von mehreren Apothekern geschultert werden. Die zunehmende Komplexität im Apothekenalltag – z. B. Digitalisierung, Einkauf, Marketing, Personal – kann dann von den OHG-Gesellschaftern in der Apotheke betreut werden, die dazu geeignet sind.

Nach wie vor gilt diese Motivation auch für das Apotheker-Ehepaar, das in gemeinsamer Verantwortung die Apotheke führen und entsprechende Werte gemeinsam schaffen will. Dabei sind diese Überlegungen nicht auf die Gründungs­phase beschränkt. Häufig kommt bei Apothekern, die Apotheken mit hohem finanziellem und persönlichem Engagement aufgebaut haben, der Wunsch auf, frühzeitig Partner aufzunehmen, um somit auch die Zukunft der Apotheke zu sichern.

Überhaupt ist die OHG ein geeignetes Instrument, die Nachfolge in der Apotheke zu gestalten. Dabei geht es nicht nur darum, den Nachwuchs an die Apotheke heranzuführen, indem junge Apothekerinnen und Apotheker als Gesellschafter in die Verantwortung genommen werden. Auch für andere Erwerber, seien es Apothekenmitarbeitende oder fremde Dritte, kann es sich anbieten, erst mit einem Teil als OHG-Gesellschafter einzusteigen, um dann später den Rest zu erwerben. Wiederum gilt: Je größer die Einheiten sind, desto eher kann ein solcher Weg Sinn ergeben.

All diese Wege haben verschiedene rechtliche und steuer­liche Implikationen, die es zu beachten gilt und die nach­folgend – naturgemäß nur in Grundzügen – dargestellt werden sollen.

Besonderheiten bei der Gründung der OHG: „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“

Bei der Gründung, Führung und Beendigung einer Apotheken-OHG sind gesellschaftsrechtliche und apothekenrechtliche Regelungen sowie steuerliche Maßgaben zu beachten.

Vorweg, weil es so wichtig ist: Der Grundsatz „drum prüfe, wer sich ewig bindet“ ist als Basisüberlegung auch bei der Apotheken-OHG zu beherzigen: Denn eine spätere Trennung der OHG-Gesellschafter ist schon gesellschaftsrechtlich nur in einem engen Korsett regelbar. Und wirtschaftlich ist der ausscheidende Apotheker zu entschädigen: Er erhält den Wert seines OHG-Anteils von den verbleibenden Gesellschaftern ausgezahlt.

Wie wird die Apotheken-OHG gegründet? Schließen sich mehrere Apotheker zur Gründung oder zum Erwerb einer Apotheke zusammen, müssen sie zunächst eine OHG nach den Grundsätzen des Handelsgesetzbuches gründen. Das ist eine Personengesellschaft, die dann Rechtsträger der Apotheke wird. Das ändert aber nichts an der vollen persönlichen Haftung eines jeden OHG-Gesellschafters für Verbindlichkeiten der OHG im Außenverhältnis. Jeder Gesellschafter kann einzeln neben der OHG für Verbindlichkeiten in Anspruch genommen werden. Er hat dann allerdings im Innenverhältnis einen Regressanspruch gegen die OHG oder anteilig gegen die Mitgesellschafter. Die Betriebserlaubnis ist gleichwohl für jeden Apotheker und Gesellschafter persönlich zu erteilen (obwohl der Rechtsträger der Apotheke die OHG ist).

Gesellschaftsvertrag

Das Rechtsverhältnis zwischen den Gesellschaftern ist in einem Gesellschaftsvertrag zu regeln, dessen Rahmen das Handelsgesetzbuch vorgibt. Die Verteilung der Gesellschaftsanteile ist frei regelbar. So muss bei einer Zweier-OHG nicht jeder Gesellschafter 50 Prozent der Anteile innehaben. Die Anteile können auch zum Beispiel im Verhältnis 60 : 40 oder 70 : 30, je nach Wunsch, ausgestaltet werden.

Grundsätzlich sind dann die Gesellschafter entsprechend dieser Quote auch am Gewinn beteiligt. Allerdings ist auch eine von dem Anteilsverhältnis abweichende Gewinnverteilung regelbar. Ebenso können Tätigkeitsvergütungen vereinbart werden. Generell ist hier eine ausgewogene Regelung erforderlich, die auch berücksichtigt, wie die Arbeitsleistung der einzelnen Gesellschafter für die Apotheke vergütet wird und was passiert, wenn sich ein Gesellschafter nicht (mehr) voll für die Apotheke einsetzen kann. Schließlich sind eine Vielzahl von weiteren Rechten und Pflichten der Gesellschafter zu regeln, wie zum Beispiel die Geschäftsführungskompetenzen sowie die Organisation von Gesellschafterversammlungen und die Mehrheitsverhältnisse bei der Stimmabgabe, um nur einige Punkte zu nennen.

Regeln für das Ausscheiden eines Gesellschafters

Von besonderer Bedeutung sind die Ausscheidensregeln für Gesellschafter. Grundsätzlich kann einem Gesellschafter nur bei besonders schwerwiegenden Verstößen das Gesellschaftsverhältnis aufgekündigt werden. Die Messlatte dafür liegt hoch. So bleibt dem Gesellschafter, der die OHG beenden will, in der Regel nur die Möglichkeit, selbst zu kündigen (der Verkauf seines Anteils wird immer die Zustimmung des anderen Gesellschafters bedürfen). Die Kündigungsmöglichkeit kann dabei – wenn z. B. noch Finanzierungen laufen – für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen sein.

Ist aber die Kündigung wirksam, steht dem Ausscheidenden ein Anspruch gegen den verbliebenden Apotheker auf Ver­gütung seines Gesellschaftsanteils zu. Hier ist es zwingend erforderlich, genau zu regeln, wie die Apotheke zu bewerten ist und in welchem Zeitraum Abfindungszahlungen zu leisten sind. Wird das unterlassen, kann es zu langwierigen und teuren Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern kommen. Wettbewerbsklauseln für den Ausscheidenden sind in diesem Zusammenhang ebenfalls unerlässlich.

Steuerliche Besonderheiten

Besonderheiten sind bei der Aufnahme eines Partners in die Apotheke und die damit verbundene OHG-Gründung zu beachten. Denkbar ist zum Beispiel, dass zur Vorbereitung der Nachfolge der zukünftige Nachfolger zunächst mit 20 Prozent an der dann neuen OHG beteiligt werden soll. Soll er den entsprechenden Gegenwert leisten, sind grundsätzlich zwei Wege möglich: Entweder der Nachfolger kauft vom Apotheker 20 Prozent seiner Apotheke und gründet mit ihm eine OHG. Das bedeutet dann, dass der Verkäufer auch 20 Prozent des Veräußerungsgewinns zu versteuern hat. Das könnte man grundsätzlich hinnehmen. Allerdings kann der Verkäufer die ihm nach Vollendung des 55. Lebensjahres zustehende Steuervergünstigung nur noch für die Veräußerung der verbleibenden 80 Prozent Anteile in Anspruch nehmen. Ein anderer Weg wäre, dass der neue Gesellschafter Geld in die neue OHG einlegt und dieses Geld dann für Gesellschaftszwecke zur Verfügung steht. In diesem Fall erfolgt auf privater Ebene des Abgebenden zunächst keine Versteuerung. Erst mit endgültiger Veräußerung der 80 Prozent Anteile wird eine Steuer fällig.

Werden im Übrigen zunächst 20 Prozent Anteile an den Nachfolger innerhalb der Familie geschenkt, stellt sich diese Frage (der Einkommensteuer für den abgegebenen Anteil) in der Regel nicht. Es ist aber darauf zu achten, dass die Regeln (zur Begünstigung) in der Schenkungsteuer genauestens beachtet werden.

So oder so stellt sich bei Aufnahme des potenziellen Nachfolgers immer die Frage, ob dieser für die Aufgabe geeignet ist und ob man überhaupt mit ihm für einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten kann. Stellt sich heraus, dass das nicht geht, steht der Abgebende vor einem nicht kleinen Problem. Denn wie oben bereits beschrieben, kann man grundsätzlich gesellschaftsrechtlich den Mitgesellschafter nicht hinauskündigen. Der Bundesgerichtshof lässt dafür eine Ausnahme zu: Mit einem neuen Gesellschafter kann eine „Kennenlernphase“ vereinbart werden, wobei man mit zwei Jahren auf der sicheren Seite sein dürfte. Innerhalb dieser Phase ist es ausnahmsweise gestattet, den neuen Gesellschafter wieder hinauszukündigen. Dabei sollte man un­bedingt für diesen Fall die wirtschaftlichen Folgen, also die Höhe der Abfindung regeln.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Apotheken OHG gesellschaftsrechtlich und steuerlich gut durchdacht und mit sicheren Verträgen umgesetzt werden muss. Ansonsten kann es sehr teuer werden.

Apotheken-OHG und Filialisierung

Bekannt ist, dass sich durch den Zusammenschluss mehrerer Apotheker in einer Apotheken-OHG nicht die Möglichkeit der Filialisierung potenziert. Die Apotheken-OHG kann eine Hauptapotheke und drei Filialapotheken betreiben, gleich wie viele Apotheker Gesellschafter sind. Zwar gib es immer wieder Versuche, das in Abrede zu stellen. Das Apothekengesetz ist insofern aber eindeutig. Allerdings kann in der Regel ein OHG-Gesellschafter auch als Filialleiter fungieren. Damit entfallen die Kosten für einen externen Filialleiter.

Die Entscheidung des VG Düsseldorf

Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hatte in eingangs zitierter Entscheidung darüber zu befinden, wie weit Haupt- und Filialapotheken auseinanderliegen dürfen. Das Besondere an dieser Entscheidung: Eine Apotheken-OHG in Düsseldorf mit zwei Apothekern und eine Apotheken-OHG in Aachen mit drei Apothekern haben ihre Apotheken in eine gemeinsame OHG zusammengeführt und es war zu entscheiden, ob das Kriterium „benachbarte kreisfreie Städte“ gemäß § 2 Abs. 4 b Apothekengesetz (ApoG) für die Haupt- und Filialapotheke zwischen den Städten erfüllt war.

Das Gericht hat in Fortsetzung der Rechtsprechung (OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2013, 13 A 2738/11 und VG Bremen, Urteil vom 3. April 2012, 5 K 1588/11) richtig festgestellt, dass der Begriff „benachbart“ funktional zu verstehen ist. Das heißt nach dem VG Düsseldorf, dass es maßgeblich darauf ankommt, ob eine Erreichbarkeit der Filialapotheke ausgehend von der Hauptapotheke in angemessener Zeit gewährleistet ist. Das ist regelmäßig bei einer Fahrzeit von nicht mehr als einer Stunde der Fall. Weitere Kriterien, zum Beispiel ob ein eng verflochtener Wirtschaftsraum vorliegt, seien nicht relevant.

Fazit

Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist nicht die Fort­setzung der Rechtsprechung zur maximalen Entfernung zwischen Haupt- und Filialapotheke. Im Zuge der Apothekenreform ist mittlerweile ohnehin geplant, deren Maximal­entfernung neu zu definieren. Auch wenn man an der Wirksamkeit der geplanten Entfernungsregelung – drei Stunden Fahrtzeit – Zweifel haben dürfte, wird doch eines deutlich: Die alte gesetzliche Regelung entsprach nicht der Lebenswirklichkeit. Aufmerksamkeit hat vielmehr die Grund­konstellation dieses Falls hervorgerufen: Zwei OHGs mit insgesamt fünf Apothekern schießen sich in korrekter Anwendung des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebs­ordnung zusammen, um gemeinsam ihre Apotheken zu betreiben. Hier ist auf die Ausgangsthese zurückzukommen: Es kann durchaus Sinn ergeben, die Verantwortung und Führung der Apotheken auf mehrere Schultern zu verteilen, um den immer komplexeren Anforderungen des Apothekenalltags gerecht zu werden und somit die Vorort-Apotheke gegenüber Versandapotheken wettbewerbsfähig zu stärken.


Dr. Markus Rohner, Rechtsanwalt
redaktion@daz.online


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