BPhD-Kolumne

Auslandsaufenthalte im Pharmaziestudium – Chancen und Herausforderungen

01.07.2024, 10:45 Uhr

Anna Gommlich, BPhD-Generalsekretärin. (Foto: BPhD)

Anna Gommlich, BPhD-Generalsekretärin. (Foto: BPhD)


Auslandsaufenthalte während des Studiums geben die Möglichkeit, andere Kulturen kennenzulernen und einen Blick über den Tellerrand hinaus zu werfen. Nicht selten entstehen während eines Auslandssemesters gute Freundschaften und die Teilnehmenden knüpfen viele internationale Kontakte. Was ist möglich und was sollten Studierende bei der Planung beachten?

Auslandsaufenthalte bereichern das Leben der Studierenden ungemein [1]. Rund 137.000 in Deutschland immatrikulierte Studierende haben 2021 einen Auslandsaufenthalt absolviert und eine Zeit lang im jeweiligen Gastland studiert. Das entspricht in etwa 5,3 Prozent der gesamten Studierenden. Dieser Prozentsatz ist auch seit 2015 annähernd konstant [2]. Bei den Pharmaziestudierenden ist der Anteil an Studierenden, die den Schritt wagen und sich während des Studiums für ein oder zwei Semester im Ausland entscheiden, erfahrungsgemäß deutlich geringer.

Herausforderungen in der Organisation

Auch Pharmaziestudierende können sich an teilnehmenden Universitäten auf ein ERASMUS+ Stipendium bewerben und haben somit die Möglichkeit zwischen zwei und zwölf Monaten [3] im europäischen Ausland zu studieren oder ein Forschungspraktikum zu absolvieren. Zusätzlich gibt es weniger häufig vorkommende oder bekannte Förderprogramme, die ebenfalls genutzt werden können. Was hingegen aufgrund der Regelung der Studieninhalte in der Approbationsordnung für Apotheker und der notwendigen Anerkennung durch die Landesprüfungsämter nicht wie bei anderen Studiengängen möglich oder sehr erschwert ist, ist die Anerkennung der im Ausland erbrachten Studienleistung. Somit ergibt sich für Pharmaziestudierende aus einem Auslandsaufenthalt nahezu immer eine Verlängerung des Studiums.

Zusätzlich ist der hohe organisatorische Aufwand neben dem ohnehin sehr zeitaufwändigen Studium ein nicht zu vernachlässigender Faktor, der viele Studierende abschreckt. Außerdem ist es auch nicht einfach, sich Informationen einzuholen oder das Ausfüllen der benötigten Dokumente und Erfüllen der Anforderungen für die Auswahl der Bewerber*innen ist durch die Eigenheiten des Staatsexamens deutlich erschwert. Die Systeme sind schlichtweg für Studiengänge nach dem Bachelor-Master-System und Modulen mit ECTS ausgelegt. So kann z. B. das Online Learning Agreement (eine Übereinkunft beider Universitäten und des*der Student*in über die zu belegenden Fächer), welches für Aufenthalte mit ERASMUS+ mittlerweile zwingend erforderlich ist, nicht abgeschickt werden, ohne den angegebenen Kursen auch ECTS zuzuordnen oder die oft zur Auswahl der Bewerber*innen genutzten Noten der Examina existieren bis zum ersten Staatsexamen nicht, was einen Vergleich zwischen Bewerber*innen unterschiedlicher Semester zusätzlich erschwert. Die Lösung sind oft individuelle Absprachen mit den ERASMUS-Koordinator*innen beider Länder und dem zuständigen International Office, was einen weiteren erhöhten bürokratischen Aufwand und gegebenenfalls auch Schwierigkeiten mit sich bringt. Auf den speziellen Fall von Pharmaziestudierenden zugeschnittene Informationen gibt es kaum und bei aufkommenden Fragen muss entweder selbst recherchiert oder lange nach den richtigen Ansprechpartner*innen gesucht werden.

Das Absolvieren eines Teils der Famulatur im Ausland ist theoretisch möglich, die Anerkennung ist allerdings abhängig von den Landesprüfungsämtern und der damit einhergehende Aufwand oft so hoch, dass Studierende diese Möglichkeit nur sehr selten wahrnehmen. Eine Chance, die einige Studierende ergreifen, ist das PJ. Hier ist es deutlich einfacher möglich, einen Teil der praktischen Ausbildung im Ausland zu absolvieren. Dennoch führt der Auslandsaufenthalt auch hier möglicherweise zu einer Verlängerung des Studiums.

Auslandsaufenthalte als Chance

Ein Auslandsaufenthalt ist auch für Studierende des Gesundheitswesens sinnvoll. Er bietet eine Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern und ein anderes Gesundheits- und Versorgungssystem kennenzulernen. Ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist das Erlernen einer neuen Sprache, denn der Apotheker*innenberuf lebt in vielen Situationen von guter Kommunikation mit Patient*innen. Eine Beratung auch mal spontan in einer anderen Sprache durchführen zu können oder Fachliteratur nicht nur in der eigenen Sprache lesen zu können, bringt große Vorteile mit sich. Verbringt man eine längere Zeit im Ausland, werden dabei unweigerlich internationale Kontakte und Freundschaften geknüpft. Von einem internationalen Netzwerk kann auch im Berufsalltag oder beim Einstieg ins Berufsleben profitiert werden. Die Zeit in einem anderen Land trägt stark zur interkulturellen Kompetenz und persönlichen Entwicklung bei und hilft dabei, andere Kulturen kennen und schätzen zu lernen. Oft hebt ein Auslandsaufenthalt im Lebenslauf Bewerbungen positiv hervor. Zusätzlich bietet das Studieren in einem anderen Land häufig die Möglichkeit, wissenschaftliches Arbeiten kennenzulernen und sich darin zu üben. Während dieser Teil der Ausbildung im Pharmaziestudium hierzulande sehr stiefmütterlich behandelt wird, hat man in einem Auslandssemester oft die Gelegenheit, durch die freie Kurswahl oder direkte Teilnahme an einem Forschungspraktikum genau diese Lücke ein wenig näher kennenzulernen.

Wir können einen Unterschied machen

Aufgrund der nahezu unvermeidbaren Studienverlängerung entscheiden sich viele Pharmaziestudierende trotz der vielen Vorteile schlussendlich gegen einen Auslandsaufenthalt während des Studiums. Um dennoch den internationalen Austausch zu fördern und Pharmaziestudierenden die Möglichkeit zu geben, für einen kürzeren Zeitraum ins Ausland zu gehen, beteiligt sich der BPhD am SEP (Student Exchange Program der IPSF) und dem TWINNET der EPSA. Während das SEP einer Einzelperson ein 2-wöchiges bis 3-monatiges Praktikum weltweit in teilnehmenden Ländern ermöglicht, bietet das TWINNET einer kleinen Gruppe die Chance für einen direkten Austausch, ähnlich eines Schüleraustauschs, mit einem anderen Land innerhalb Europas.

So sehr diese Programme auch einige Pharmaziestudierende begünstigen und bereichernde Erfahrungen sowie internationalen Austausch ermöglichen, ist es doch gleichzeitig wünschenswert, dass in großen Austauschprogrammen die Besonderheit der Staatsexamina nicht vergessen werden und es somit Pharmaziestudierenden vereinfacht wird, während des Studiums ins Ausland zu gehen. Eine Anerkennung der im Ausland erbrachten Studienleistung zu ermöglichen, könnte das Interesse vieler Pharmaziestudierender an einem Auslandssemester deutlich erhöhen und den internationalen Wissensaustausch sowie kulturelle und sprachliche Bereicherungen bereits im Studium stärker fördern. Das Studium folgt bereits europaweiten Standards. Warum also nicht diese bereits bestehenden Chancen nutzen, um mehr und einfacheren internationalen Austausch zu ermöglichen.

[1] https://static.daad.de/media/daad_de/pdfs_nicht_barrierefrei/der-daad/analysen-studien/daad_2023_bintho-bericht_2020-21.pdf

[2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Hochschulen/Publikationen/_publikationen-innen-studierende-ausland.html
erste Tabelle

[3] https://eu.daad.de/infos-fuer-einzelpersonen/foerderung-fuer-studierende-und-graduierte/auslandsstudium/de/46246-studium-im-ausland-in-erasmus-programmlaendern/


Anna Gommlich, BPhD-Generalsekretärin


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