Auswirkung süßer Getränke aufs Herz untersucht

Begünstigen Süßstoffe Vorhofflimmern?

07.05.2024, 17:50 Uhr

Kann Süßstoff der Gesundheit schaden? (Foto: Towfiqu Barbhuiya / AdpbeStock)

Kann Süßstoff der Gesundheit schaden? (Foto: Towfiqu Barbhuiya / AdpbeStock)


Zucker in großen Mengen ist ungesund. Die meisten Menschen sind sich des Risikos für Diabetes, Übergewicht und Herzerkrankungen bewusst. Weil sie trotzdem nicht auf den Geschmack verzichten möchten, greifen viele zu künstlich gesüßten Speisen oder Getränken. Eine epidemiologische Studie legt nun nahe, dass der Konsum künstlich gesüßter Getränke das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen könnte.

Die Autoren der Publikation im Fachmagazin „Circulation: Arrhythmia and Electrophysiology“ griffen für ihre Untersuchung auf Daten der UK Biobank zurück. Von über 200.000 Teilnehmern standen genetische Daten und Ernährungsfragebögen zur Verfügung. Keiner der Probanden litt zu Beginn des Untersuchungszeitraums unter Vorhofflimmern. Während des Beobachtungszeitraumes von im Mittel 9,9 Jahren traten in der Studien­population 9.362 Fälle von Vorhofflimmern auf. Ernährungsgewohnheiten wurden mittels mehrerer 24-Stunden-Ernährungsfragebögen erfasst und extra­poliert. Anhand ihres Konsums süßer Getränke teilten die Forscher die Teilnehmer in vier Kategorien ein (0 l; < 1 l; 1 bis 2 l; > 2 l pro Woche). Dabei unterschieden sie zwischen zuckerhaltigen und künstlich gesüßten Getränken sowie reinem Fruchtsaft. Außerdem wurden die Teilnehmer anhand genetischer Daten in drei Risikokategorien für Vorhofflimmern eingeteilt. 

Die Auswertung ergab, dass das Risiko für Vorhofflimmern in den Gruppen, die mehr als zwei Liter zucker­süße oder künstlich gesüßte Getränke konsumierten, um 10 % bzw. 20 % erhöht war. 

Aus den Daten ging außerdem eine negative Assoziation zwischen dem wöchentlichen Konsum von höchstens einem Liter reinem Fruchtsaft und dem Auftreten von Vorhofflimmern hervor. Das Risiko dieser Gruppe war um 8 % erniedrigt. Genetische Risikofaktoren scheinen aber für den größten Teil der Fälle verantwortlich zu sein. In der höchsten genetischen Risikogruppe trat Vorhofflimmern bei deutlich mehr Personen auf als in den niedrigeren. Auch das Risiko von Rauchern war höher.

Assoziation bedeutet nicht Kausalität

Um die Aussagekraft der Studie bewerten zu können, müssen Stärken und Schwächen in der Analyse betrachtet werden. Zu den Stärken gehört die große Teilnehmerzahl. Hingegen eine Schwäche ist, dass die Daten zu den wöchentlichen Ernährungsgewohnheiten mittels wenigen 24-Stunden-Fragebögen aus einem Zeitraum von drei Jahren extrapoliert wurden. Langfristige Veränderungen der Gewohnheiten konnten nicht erfasst werden. Außerdem wurden ein möglicher Koffeingehalt der Getränke und die Art der Süßstoffe nicht erfasst. Eine mögliche biologische Erklärung für die Funde scheint es nicht zu geben. Nach bisherigem Kenntnisstand sind künstliche Süßstoffe pharmakologisch inaktiv. So bemerken die Autoren selbst, dass die Assoziation nicht notwendigerweise Kausalität bedeutet.

Risikofaktor Diabetes und Übergewicht

Auch Diabetes und Übergewicht sind Risikofaktoren für das Auftreten von Vorhofflimmern, unter anderem wegen des kardialen Remodeling, wie andere Arbeiten zeigen. In der hier besprochenen Studie konsumierten Teilnehmer mit höherem BMI mehr an zuckerhaltigen und auch künstlich gesüßten Getränken. Die Prävalenz für Diabetes war unter den Konsumenten von künstlich gesüßten Getränken erhöht und unter mit Zucker gesüßten Getränken verringert.

Experten sehen keinen Anlass zur Sorge

In einer vom britischen Science Media Center erstellten Expertenreaktion geben sich die befragten Ernährungswissenschaftler vorsichtig und verweisen etwa auf weitere Risikofaktoren für Vorhofflimmern. Dazu gehören Alkohol- und Drogenkonsum. Beweise für schädliche Wirkungen von Süßstoffen seien noch strittig. Die Praxis, Zucker in der Ernährung möglichst zu reduzieren, bleibe unangefochten. Einen Grund, gänzlich auf künstlich gesüßte Getränke zu verzichten, gebe es auf Grundlage der Studie nicht. Wer auf Nummer sicher gehen will, ersetzt sowohl mit Zucker als auch mit künstlichen Süßstoffen wie Aspartam, Acesulfam K oder Sucralose gesüßte Getränke durch Wasser und genießt gelegentlich ein Glas Fruchtsaft.

Auch einigen Arzneimitteln werden Süßstoffe zugesetzt. Hier geht es jedoch nicht darum, ein angenehmes Konsumerlebnis zu erzielen, sondern darum, den teilweise unangenehmen Geschmack der Wirkstoffe zu überdecken. Dies kann die Compliance des Patienten erhöhen. Die geringe Menge, in der gesüßte Arzneimittel konsumiert werden, gibt keinen Anlass zur Sorge, dass hier ein Risikofaktor für Vorhofflimmern liegen könnte. 

Literatur

Sun Y et al. Sweetened Beverages, Genetic Susceptibility, and Incident Atrial Fibrillation: A Prospective Cohort Study. Circ Arrhythm Electrophysiol 2024;17(3):e012145

Science Media Center England. Expert reaction to study looking at a link between sweetened drinks and atrial fibrillation risk, 5. März 2024


Ulrich Schreiber, MSc Toxikologie, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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