Pharma und Kosmetik

Abwasseraufbereitung: Produzenten sollen mindestens 80 Prozent zahlen

Berlin - 15.04.2024, 14:45 Uhr

Abwasserreinigung ist sehr kostenintensiv. Zukünftig sollen dafür Kosmetik- und Pharmaproduzenten zahlen. (Foto: IMAGO / Sven Simon)

Abwasserreinigung ist sehr kostenintensiv. Zukünftig sollen dafür Kosmetik- und Pharmaproduzenten zahlen. (Foto: IMAGO / Sven Simon)


Die EU will Pharma- und Kosmetikproduzenten für schädliche Einträge ins Grundwasser zur Kasse bitten. Zukünftig sollen sie mindestens 80 Prozent der Abwasserreinigungskosten bezahlen. Pharma-Produzenten beklagen eine ungerechte Verteilung der Kosten.

Hersteller von Arzneimitteln und Kosmetikprodukten müssen zukünftig mindestens 80 Prozent der Kosten für die Wiederaufbereitung von Abwässern übernehmen, wenn sie Produkte in der EU in Umlauf bringen, die nachweisbare Mikroschadstoffe ins Abwasser eintragen – auch Hersteller die ihren Sitz nicht in der EU haben. Das hat das Europaparlament im Rahmen des EU-Pharmapaketes beschlossen. Die restlichen Kosten werden aus den nationalen Haushalten finanziert. Das gab das EU-Parlament am vergangenen Mittwoch auf seiner Internetseite bekannt, nachdem seine Mitglieder das Pharma-Paket mit 481 Zustimmungen, 79 Gegenstimmen und 26 Enthaltungen beschlossen hatten. Allerdings muss noch der Rat der Europäischen Union dem Pharma-Paket zustimmen.

Kritik der Pharma-Produzenten

In Reaktion auf die erfolgreiche Abstimmung im EU-Parlament äußerten sich der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa), Progenerika und der Bundesverband der Arzneimittelhersteller in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Sie beklagen eine aus ihrer Sicht „unfaire“ Kostenverteilung: „Nach Schätzungen liegen die Kosten dafür allein in Deutschland bei mehr als 36 Milliarden Euro in den nächsten 30 Jahren. Diese Belastung ist aus Sicht der deutschen Verbände der Pharmaindustrie BAH, BPI, Pro Generika und vfa in unfairer Weise einseitig und konterkariert die mit der Pharmastrategie angegangene Standortpolitik.“

Zusätzliche Filterung von Arzneimitteln

Zusätzlich Kosten bei der Abwasseraufbereitung entstehen zukünftig durch die Nachrüstung weiterer Filterstufen. Bis 2035 ist vorgesehen, dass alle Gemeinden der EU mit mindestens 1.000 Einwohner:innen eine Kläranlage mit zweiter Klärstufe betreiben müssen, diese entfernt biologisch-abbaubare organische Bestandteile. Ab 2039 sehen die Vorgaben des Pharma-Pakets die Nachrüstung einer dritten Klärstufe für alle Städte ab 150.000 Einwohner:innen vor, die für das Herausfiltern von Stickstoff und Phosphor genutzt wird. Ab 2045 müssten auch Städte ab 10.000 Einwohner:innen die dritte Stufe nachrüsten.

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Eine vierte Reinigungsstufe zum Herausfiltern von Mikroschadstoffen aus Arzneimittel und Kosmetik soll ab 2045 in allen Städten der EU mit mindestens 150.000 Einwohner:innen in den Kläranlagen installiert werden. Zudem wird dies dann auch für Städte ab 10.000 Einwohner:innen verbindlich, wenn für die Region eine Risikowarnung vorliegt.

Hauptsächlich verantwortlich für schädliche Einträge ins Grundwasser sind Ibuprofen und Diclofenac. Laut eines Gutachtens des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) belaufen sich die Abwasserreinigungskosten allein für Diclofenac auf 5,85 Milliarden Euro für einen Zeitraum von 30 Jahren.

Modellregionen mit vierter Stufe

In Deutschland wird bereits in einigen Modellregionen mit dem Aufbau einer vierten Klärungsstufe zur Reduktion von Arzneimittel- und Kosmetikrückständen begonnen. In Schleswig-Holstein investiert die Landesregierung aktuell 6 Millionen aus EU-Agrarfördermitteln für den Ausbau kommunaler Kläranlagen zur Beseitigung von Arzneimittelrückständen und Bioziden. Darüber berichtete die Deutsche Presseagentur am vergangenen Mittwoch. In Nordrhein-Westfahlen verfügen bereits 20 Kläranlagen über eine vierte Filterstufe, bis 2039 sollen hier 101 weitere Anlagen nachgerüstet werden.


Michael Zantke, Redakteur, DAZ
redaktion@daz.online


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