Präsidentin schreibt an Mitglieder des Gesundheitsausschusses

Warum CardLink aus Sicht der ABDA die Arzneimittelversorgung gefährdet

Stuttgart - 22.03.2024, 13:15 Uhr

ABDA-Präsidentin Overwiening hat sich an die Mitglieder des Bundestags-Gesundheitsausschusses gewandt. (Foto: ABDA)

ABDA-Präsidentin Overwiening hat sich an die Mitglieder des Bundestags-Gesundheitsausschusses gewandt. (Foto: ABDA)


Vergangene Woche hat die Gesellschafterversammlung der Gematik nur mit den Stimmen des BMG die technischen Spezifikationen für das sogenannte „CardLink-Verfahren“ beschlossen. Die ABDA-Präsidentin erläutert nun in einem Schreiben den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses, warum das Verfahren aus Sicht der Standesvertretung die Arzneimittelversorgung der Patient*innen gefährdet.

Die Spezifikation des CardLink-Verfahrens ist seit vergangenem Donnerstag in trockenen Tüchern. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG), das in der Gesellschafterversammlung über eine absolute Mehrheit von 51 Prozent verfügt, hat sie gegen die Stimmen aller anderen Gesellschafter im Alleingang beschlossen. Ins Spiel gebracht wurde die Technik von den ausländischen Arzneimittelversendern, die beim Abruf durch Stecken der eGK in der Apotheke vor Ort außen vor sind. 

Bereits in einer ersten Reaktion hatte die ABDA ihr Entsetzen kundgetan. Das sei ein „Novum“, so die ABDA. „Dass das Ministerium nun in einer bemerkenswerten Abstimmung erstmals seine 51-Prozent-Mehrheit nutzt, um den Partikularinteressen vereinzelter Großkonzerne nachzukommen, schockiert uns“, erklärte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. Zudem verwies die ABDA auf Sicherheitsbedenken. 

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Jetzt hat die ABDA-Präsidentin nachgelegt und sich an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Bundestags gewandt – „mit einem dringlichen Anliegen an Sie, bei dem die Patientensicherheit in der Arzneimittelversorgung unmittelbar betroffen ist“, wie sie schreibt. 

Im Folgenden erläutert sie, warum das CardLink-Verfahren aus Sicht der ABDA die Arzneimittelversorgung gefährdet. Bei allen anderen E-Rezeptabrufverfahren seien in den Spezifikationen strengste Sicherheitsanforderungen festgelegt, die im Vorfeld mit den Gesellschaftern der Gematik, sowie den Kontrollorganen des Datenschutzes (BSI und BfDI) erarbeitet wurden, heißt es. Vor Freigabe der Spezifikation müssen normalerweise alle relevanten Fehler ausgeräumt sein. Weiter heißt es: Beim CardLink-Verfahren haben in den vergangenen Monaten alle Gesellschafter der Gematik – bis auf das BMG – sowie beide Kontrollorgane des Datenschutzes wiederholt auf erhebliche Sicherheitsbedenken hingewiesen. Mehr als 20 gemeldete und für die Freigabe des Verfahrens relevante Bedenken habe es bis zuletzt gegeben.

 Laut ABDA-Präsidentin war die Meinung aller Expert*innen klar: „Ohne Zulassungsprüfung der erforderlichen Apps gefährdet das „CardLink-Verfahren die Datensicherheit erheblich, gefährdet das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in das E-Rezept und macht die Arzneimittelversorgung angreifbar, beliebig und somit unsicher.“ Trotzdem habe das Ministerium dieses Verfahren gegen alle anderen Gesellschafter der Gematik im Alleingang durchgesetzt – „in einem bislang noch nie vorgekommenen Abstimmungsverfahren“.

Wie funktioniert das CardLink-Verfahren?

Das CardLink-Verfahren ermöglicht es, ortsunabhängig E-Rezepte mittels Versichertenkarte (eGK) abzurufen. Der eHealth-CardLink übernimmt dabei die Rolle des Kartenterminals. Die eGK wird allerdings nicht physisch gesteckt, sondern über ein Handy mit entsprechender App mit dem eHealth-CardLink verbunden. Dieser verbindet sich wiederum mit dem Konnektor in der Apotheke. Danach passiert technische dasselbe wie beim Abruf mittels eGK in der Apotheke: Nach einem Versichertenstammdatenabgleich werden die E-Rezepte vom Fachdienst abgerufen. 

Ohnehin schon genug Probleme mit dem E-Rezept

Weiter weist Overwiening auf die „angespannte allgemeine Lage rund um die E-Rezept-Einführung“, also die wiederkehrenden Systemausfälle, für die es nicht immer eine Lösung gebe. Entgegen der Darstellung des BMG sei das E-Rezept Verfahren alles andere als stabil. Daher findet die ABDA: „In dieser fragilen Einführungsphase einen neuen, vierten E-Rezept-Einlöseweg einzuführen, der noch dazu den ungeprüften Smartphone-Apps von Drittanbietern einen direkten Zugang zur Telematikinfrastruktur gewährt, ist fahrlässig.“ Schließlich werde den Inhabern dieser Apps somit erlaubt, medizinische Daten (gemäß § 311 SGB V) ohne Anforderungen und Zulassung zu transportieren. Dabei gebe es mit der Gematik-App einen komplett digitalen Einlöseweg. Über diesen seien auch die Versender, „deren Partikularinteressen das BMG mit seiner Entscheidung“ bediene, erreichbar. Die ABDA sieht keinen wettbewerbsrechtlichen Grund für eine Sonderlösung für diese Konzerne.

CardLink gefährdet Arbeitsplätze

Im letzten Absatz geht die ABDA-Präsidentin, dann darauf ein, dass durch die schlechte wirtschaftliche Lage und die daraus resultierenden Apothekenschließungen viele der 160.000 Arbeitsplätze in den Apotheken gefährdet sind. Die Bundesregierung weigere sich nach wie vor, diese schwierige Lage anzuerkennen und die Apotheken vor Ort aufrichtig und nachhaltig zu stabilisieren, schreibt sie. Stattdessen eröffne sie den großen internationalen Versandhandelskonzernen, ohne dass diese Pflichten im Versorgungsprozess tragen, einen vereinfachten Zugang zum „Markt“ der verschreibungspflichtigen Arzneimittel. Sie appelliert daher an die Parlamentarier: „Bitte nutzen Sie Ihre gesetzgeberischen Möglichkeiten: Verhindern Sie den unkontrollierten schnellen Marktzugang solcher unsicheren Smartphone-Apps und bitte stärken Sie die Apotheken vor Ort!“

Es ist davon auszugehen, dass die Versender entsprechende Lösungen, die auf das Verfahren setzen, zeitnah im Markt platzieren. Sie haben die Technik schließlich entwickeln lassen. Anfang Februar hatte DocMorris-Chef Walter Hess bereits vollmundig verlauten lassen: „Wir rechnen damit, dass unsere App Ende Februar, Anfang März freigeschaltet werden kann. Unsere Lösung steht und ist funktionsbereit. Wir warten jetzt noch, dass die letzten Schritte der Zertifizierung abgeschlossen werden.“ 

Um die Apotheken vor Ort technisch möglichst schnell technisch auf Augenhöhe zu bringen, arbeiten eigentlich alle namhaften Player im Markt daran, das CardLink-Verfahren zur Verfügung zu stellen. Die spannende Frage ist, wie schnell das gelingt, und wie viele Patient*innen in dieser Zeit an den Versender verloren gehen. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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