Neue Preise für Rezepturen

Was die Kündigung der Hilfstaxe in der Praxis bedeutet

Stuttgart - 20.12.2023, 16:45 Uhr

Rezepturpreise werden ab dem 1. Januar 2024 neu kalkuliert. (Foto: Pormezz / AdobeStock)

Rezepturpreise werden ab dem 1. Januar 2024 neu kalkuliert. (Foto: Pormezz / AdobeStock)


Die Einkaufspreise für Rezeptursubstanzen bewegen sich schon lange weit jenseits der in der „Hilfstaxe“ festgelegten Listenpreise. Zum 31. Dezember 2023 wurde die Hilfstaxe vom DAV fristgerecht gekündigt. Wie erfolgt nun die Preisbildung für Rezepturen, die nach dem 1. Januar 2024 mit den Krankenkassen abgerechnet werden? Zwischen den Verhandlungspartnern gibt es unterschiedliche Auffassungen.

In mehreren Verhandlungsrunden konnten sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) nicht auf eine Anpassung der Hilfstaxe einigen. Als Konsequenz wurde in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung des DAV am 25. September 2023 die Kündigung der „Anlagen 1 und 2 des Vertrages über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen“, wie die Hilfstaxe offiziell heißt, beschlossen.

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Mangels Fortgeltungsklausel für die bisherigen Preise entsteht zum 1. Januar 2024 ein „vertragsloser Zustand“, in dem beim Taxieren von Rezepturen die §§ 4 und 5 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) anzuwenden sind. Die Landesapothekerverbände haben nun für ihre Mitglieder Empfehlungen zum konkreten Vorgehen ausgesprochen.

Bezug auf den tatsächlichen Einkaufspreis

Die Festzuschläge von 90 % auf Rezepturbestandteile und 100 % auf Substanzen, die die Apotheke unverarbeitet abgibt, werden ab 1. Januar 2024 nicht mehr auf den Listenpreis der Hilfstaxe, sondern auf den tatsächlichen Einkaufspreis der Apotheke aufgeschlagen. Auch die Preise für Gefäße und nicht-verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel werden mit dem tatsächlichen Einkaufspreis berechnet. Für Rx-Arzneimittel ist der Listen-EK, also der einheitliche Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, gegebenenfalls zuzüglich Großhandelszuschlag, Berechnungsgrundlage.

Uneinigkeit über die abzurechnende Menge

Die Empfehlungen der Verbände sehen vor, ab dem 1. Januar 2024 für Rezeptursubstanzen die gesamte Packung abzurechnen, nicht die tatsächlich verarbeiteten Mengen. Begründet wird dies mit dem Wortlaut der AMPreisV. Demnach sei der „Einkaufspreis der üblichen Abpackung“ (§ 4 Absatz 2 AMPreisV bzw. § 5 Absatz 2 Ziffer 1) maßgebend. Anderer Meinung ist der GKV-Spitzenverband, wie seine Vertreter bereits in den Verhandlungen mit dem DAV zum Ausdruck brachten und auf Anfrage der DAZ noch einmal betonten. Nach Auffassung der Krankenkassen ist die in der Packung noch enthaltene Restmenge aufzubewahren und für die Herstellung weiterer Rezepturen zu verwenden, abgerechnet werden soll nur der tatsächlich verarbeitete Anteil. Mit der Entscheidung, ob er sich an die Empfehlungen seines Verbandes hält und damit ein Retaxationsrisiko in Kauf nimmt, oder doch nur Teilmengen abrechnet, wird der Apotheker letztendlich allein gelassen.

Unabhängig von der Empfehlung der Verbände kann es auf Landesebene Ausnahmen geben. So besteht in Schleswig-Holstein ein Arzneiliefervertrag mit den Primärkassen, der festlegt, dass bei ausreichender Verordnungshäufigkeit Reste von Arzneistoffen in der Rezeptur aufzubewahren und wiederzuverwenden sind. Die entsprechenden Packungen dürfen nur anteilig berechnet werden. Ob in einigen anderen Ländern ähnliche Verträge bestehen, ist der Redaktion nicht bekannt.

Worauf die Apotheke ab dem 1. Januar achten sollte

Beide Seiten betonen, dass sie „weiterhin in Kontakt stehen“ beziehungsweise an ihrer „Verhandlungsbereitschaft festhalten“. Wie lange der vertragslose Zustand, der laut DAV für beide Seiten einen unnötigen Mehraufwand bedeutet, anhalten wird, ist also momentan nicht abzusehen. Dem Verlustgeschäft durch die zunehmende Differenz zwischen tatsächlichem Einkaufspreis und dem in der Hilfstaxe festgelegten Preis macht die Arzneimittelpreisverordnung vorerst auch ohne Vertragsabschluss zwischen DAV und GKV-Spitzenverband ein Ende.

Grundsätzlich sollte die Apotheke ab dem 1. Januar 2024 die Einkaufspreise von Rezeptursubstanzen, Gefäßen und in der Rezeptur verarbeiteten, nicht-verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln sorgfältig dokumentieren, da davon ausgegangen werden muss, dass die Krankenkassen von den abrechnenden Apotheken die Vorlage der Einkaufsnachweise fordern werden. Viele Apotheken haben die Preise häufig hergestellter Rezepturen gespeichert – hier darf eine Neuberechnung auf Basis der tatsächlichen Einkaufspreise nicht vergessen werden. Für in der Apotheke hergestelltes gereinigtes Wasser kann nach Wegfall der Preisabsprachen nach Auffassung des DAV nur der Preis von Leitungswasser angesetzt werden. Alternativ empfiehlt sich hier der Bezug von industriell hergestelltem Aqua purificata in angemessenen Packungsgrößen. Aber vielleicht gibt es bis zum Jahreswechsel doch noch neue Entwicklungen? Die Nachrichten der Verbände sind jedenfalls mit Spannung zu erwarten.


Dr. Sabine Werner, Apothekerin und Redakteurin
readktion@daz.online


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2 Kommentare

Rezept

von Gregor Nelles am 21.12.2023 um 16:40 Uhr

Ja, dem Kollegen kann ich nur zustimmen. Die Rezepturen werden wie privat Rezepte abgerechnet und der Patienten holt sich das Geld von seiner Krankenkasse zurück…., anders geht es nicht, da keine Rechtssicherheit besteht und das Retaxationrisiko zu hoch ist. Wenn alle Preise steigen, können wir nicht Abseits stehen und ohne Erträge wirtschaftlich überleben.

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Rezeptur, Hilfstaxe

von scarabäus am 21.12.2023 um 9:04 Uhr

Solange hier keine preisliche Rechtssicherheit besteht, gibt's in meiner Apotheke ab Januar keine Rezepturen mehr zu Lasten der GKV. Punkt! Ich werde Kunden stattdessen anbieten, wie bei Privatpatienten in Vorleistung zu gehen - ansonsten Pech!
Das wird auch meine ausgedünnte Personaldecke schonen.

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