Kein Missbrauchspotenzial bei Quviviq?

Daridorexant in der GKV jetzt länger als 28 Tage verordnungsfähig

Stuttgart - 24.11.2023, 10:45 Uhr

Patient*innen mit anamnestischem Missbrauch oder Abhängigkeit von Alkohol oder anderen Substanzen sollten auch bei Daridorexant sorgfältig überwacht werden. (Packshot: Idorsia / DAZ)

Patient*innen mit anamnestischem Missbrauch oder Abhängigkeit von Alkohol oder anderen Substanzen sollten auch bei Daridorexant sorgfältig überwacht werden. (Packshot: Idorsia / DAZ)


Wer nur kurzzeitig an Schlaflosigkeit leidet, findet oft auch in der Apotheke ohne Rezept Hilfe. Dauern die Schlafstörungen jedoch länger, sollten Ärzt*innen aufgesucht werden. Allerdings waren diesen bei einer Verordnung von Schlafmitteln über 28 Tage hinaus bislang die Hände gebunden – zumindest was die Erstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung angeht. Das ändert sich nun mit dem neuartigen Schlafmittel Daridorexant.

Die Erstattung von Schlafmitteln durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist so eine Sache. Noch recht neu unter den Schlafmitteln in der Apotheke ist Daridorexant in Quviviq™.

Zulassungsinhaber Idorsia gab nun am 11. November bekannt, dass dieser erste, in Europa zugelassene, duale Orexin-Rezeptor-Antagonist (DORA) „regelhaft und ohne zeitliche Einschränkung verordnet werden“ kann – bei Patient*innen mit chronischer Insomnie. Auch laut Indikation darf Quviviq™ nur bei Erwachsenen angewendet werden, wenn deren Schlafstörungen seit mindestens drei Monaten anhalten und eine beträchtliche Auswirkung auf die Tagesaktivität haben.

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Wie Idorsia erklärt, war die Verordnung zuvor laut Arzneimittelrichtlinie Anlage III für Hypnotika auf die Kurzzeittherapie beschränkt [1]. Die Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie beinhaltet eine Übersicht aller bestehenden Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse in der Arzneimittelversorgung [2].

Idorsia: Nur Daridorexant kann für chronische Therapie verordnet werden

Obwohl die Behandlungsdauer auch mit Daridorexant so kurz wie möglich sein sollte, erklärt Idorsia nun, dass Daridorexant derzeit das einzige Schlafmittel ist, das „aufgrund seines guten Sicherheits- und Verträglichkeitsprofils sowie dem Fehlen von Anzeichen für körperliche Abhängigkeit für eine chronische Therapie verordnet werden kann“. Alle anderen verschreibungspflichtigen Schlafmittel seien regelhaft nur für eine Kurzzeittherapie von bis zu 28 Tagen verordnungsfähig [1].

In medizinisch begründeten Einzelfällen war auch zuvor schon eine länger als vier Wochen dauernde Behandlung auf GKV-Kosten mit Schlafmitteln möglich: bei vollständig blinden Menschen oder Kindern und Jugendlichen mit Autismus oder Smith-Magenis-Syndrom[3]. Bei Daridorexant geht das nun aber auch außerhalb dieser Sonderfälle.

Schlafstörungen adäquat mit bekannten und neuen Wirkstoffen behandeln

Nicht mehr schlaflos durch die Nacht

Anfang des Jahres hatte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Daridorexant jedoch einen Dämpfer erteilt, als es keinen Zusatznutzen für das neue Schlafmittel aussprach. Als zweckmäßige Vergleichstherapie diente die „medikamentöse Kurzzeittherapie mit kurzwirksamen Benzodiazepinen oder Non-Benzodiazepinrezeptor-Agonisten“ bei Patient*innen, die seit mindestens drei Monaten unter Schlafstörungen litten. Zudem durfte eine kognitive Verhaltenstherapie nicht angesprochen haben oder nicht möglich sein. Doch wie so oft bei der Nutzenbewertung, wurde nicht der Beweis erbracht, dass Daridorexant tatsächlich keinen Zusatznutzen hat – sondern die vorgelegten Studien reichten nicht aus, um diesen für den G-BA zu belegen [4].

Gemeinsam mit der begrenzten Verordnungsfähigkeit, gab es für Ärzt*innen bislang also wenig Anlass, Daridorexant-Rezepte an Insomnie-Patient*innen auszugeben. Das könnte sich nun ändern, jedoch heißt es in den Eckpunkten der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), dass die Nutzenbewertung von der Änderung der Erstattungsfähigkeit unberührt bleibt [5]. 

Anlage III Nummer 32 der Arzneimittel-Richtlinie lautet in der Spalte „Arzneimittel und sonstige Produkte“ nun wörtlich [6]:

„32. Hypnotika/Hypnogene oder Sedativa (schlaferzwingende, schlafanstoßende, schlaffördernde oder beruhigende Mittel) zur Behandlung von Schlafstörungen,          

a) ausgenommen                    

  • zur Kurzzeittherapie bis zu 4 Wochen oder 
  • für eine länger als 4 Wochen dauernde Behandlung in medizinisch begründeten Einzelfällen. Eine längerfristige Anwendung von Hypnotika/Hypnogenen oder Sedativa ist besonders zu begründen.

b) ausgenommen

  • zur Behandlung eines gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus (Nicht-24-Stunden-Schlaf-Wach-Syndrom) bei vollständig blinden Personen oder 
  • für die Behandlung von Schlafstörungen (Insomnie) bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2 bis 18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung und/oder Smith-Magenis-Syndrom, wenn Schlafhygienemaßnahmen unzureichend waren oder                   –
  • Daridorexant für die Behandlung von Schlafstörungen (Insomnie), deren Symptome seit mindestens 3 Monaten anhalten und eine beträchtliche Auswirkung auf die Tagesaktivität haben. Die Zweckmäßigkeit einer Weiterbehandlung ist innerhalb der ersten 3 Monate und anschließend in regelmäßigen Abständen zu beurteilen. Darüber hinaus sind Patientinnen und Patienten mit anamnestischem Missbrauch oder Abhängigkeit von Alkohol oder anderen Substanzen sorgfältig hinsichtlich eines möglichen Missbrauchs von Daridorexant zu überwachen.“

Der letzte Hinweis zum Missbrauchspotenzial von Daridorexant wurde nach einem Einwand von der Hennig Arzneimittel GmbH & Co. KG im Stellungnahmeverfahren zum G-BA-Beschluss aufgenommen [5].

Literatur 

[1] Pressemitteilung Idorsia.Ab sofort in Kraft: QUVIVIQ™ kann bei Patient:innen mit chronischer Insomnie regelhaft und ohne zeitliche Einschränkung verordnet werden. Stand November 13, 2023. 

[2] Dokument der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Fragen und Antworten. Anlage III Arzneimittel-Richtlinie: Verordnungseinschränkungen und -Ausschlüsse. Stand Februar 2020. 

[3] Tragende Gründe zum G-BA-Beschluss Arzneimittel-Richtlinie/Anlage III:
Nummer 32 – Daridorexant. Stand 17. August 2023, www.g-ba.de/beschluesse/6139/ 

[4] Gnegel G. IQWiG sieht keinen Zusatznutzen für Schlafmittel Daridorexant. DAZ.online 17.02.2023, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/02/17/iqwig-stellt-keinen-zusatznutzen-fuer-schlafmittel-daridorexant-fest 

[5] Zusammenfassende Dokumentation zum G-BA-Beschluss Arzneimittel-Richtlinie/Anlage III: Nummer 32 – Daridorexant. Stand 17. August 2023, www.g-ba.de/beschluesse/6139/ 

[6] Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie:Anlage III (Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse) – Nummer 32 (Daridorexant) vom 17. August 2023, www.bundesanzeiger.de/pub/de/amtliche-veroeffentlichung?1


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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