Nobelpreis Medizin 2023

Karikó und Weissman – mRNA-Forschung mit Nobelpreis gewürdigt

Stuttgart - 02.10.2023, 17:50 Uhr

Screenshot vom Livestream der Preisverleihung (nobelprize.org DAZ/gg).

Screenshot vom Livestream der Preisverleihung (nobelprize.org DAZ/gg).


Der diesjährige Nobelpreis in der Kategorie Physiologie oder Medizin geht an Katalin Karikó und Drew Weissman. Beide haben an der Universität Pennsylvania gemeinsam daran gearbeitet, mRNA therapeutisch nutzbar zu machen – mit Erfolg. Unter anderem ihre Erkenntnisse bildeten die Grundlage für die Entwicklung der mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2.

„Für ihre Entdeckungen zu Nukleosid-Basenmodifikationen, die die Entwicklung wirksamer mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 ermöglichten“ erhalten in diesem Jahr Katalin Karikó und Drew Weissman den Nobelpreis in der Kategorie Physiologie oder Medizin. Das verkündete Thomas Perlman, Sekretär des Nobel-Komitees, kurz vor 12 Uhr. Anschließend nahm Professor Rickard Sandberg das Publikum mit auf einen kurzen, einordnenden Ausflug in die Geschichte der Impfstoffe, um die Tragweite der Forschungsergebnisse Karikós und Weissmans auszuleuchten. 

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Herkömmliche Impfstoffe arbeiten mit abgeschwächten oder inaktivierten Erregern, rief er dem Publikum in Erinnerung. Fortschritte der Impfstoffentwicklung hätten etwa die Einführung Protein-basierter Vakzine – wie die HPV-Impfung – sowie Vektor-basierter Impfungen – wie die Ebola-Impfung – dargestellt. Für diese werden keine ganzen Krankheitserreger mehr benötigt, jedoch werden sie ressourcenintensiv in Zellkulturen produziert. 

Warum mRNA-Vakzine lange nicht umsetzbar waren 

mRNA kann hingegen zellunabhängig und in großem Maßstab produziert werden, etwa mit dem T7-in-vitro-Transkriptionssystem. Ein Einbringen der Moleküle in Zellen ist beispielsweise über Lipid-Carrier-Systeme möglich. Da mRNA also das Potenzial für eine skalierbare, schnelle und flexible Impfstoffproduktion hat, ist sie schon vor einiger Zeit in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Jedoch blieben zwei Probleme ungelöst: Die in vitro produzierte mRNA führte nur zu geringen Proteinausbeuten und löste in dendritischen Zellen eine inflammatorische Reaktion mit Zytokinfreisetzung aus.

Diesen Herausforderungen nahmen sich Katalin Karikó und Drew Weissman in gemeinsamen Forschungsarbeiten an der Universität Pennsylvania an. Die 1955 in Szolnok (Ungarn) geborene Karikó hatte zuvor zu der Biochemie von RNA gearbeitet, der 1959 in Lexington (Massachusetts, USA) geborene Weissman brachte einen immunologischen Forschungshintergrund mit. 

Unterschied Basenmodifikationen

Gemeinsam fanden sie heraus, dass die Ursache des erwähnten Problems in den Basen der mRNA-Moleküle lag. Die vier Basen A, U, G und C können in humaner mRNA auch in modifizierter Form vorliegen, in der in-vitro erzeugten mRNA war dies hingegen nicht der Fall. Tauschten die Forschenden in den künstlich erzeugten mRNA-Molekülen beispielsweise Uridin durch Pseudouridin aus, unterblieb die Aktivierung des toll-like-Rezeptors durch das synthetische Molekül und damit auch die nachgelagerte inflammatorische Antwort. Weiterhin stieg die Proteinausbeute unter der Verwendung der mRNA-Moleküle mit modifizierten Basen. 

Mit diesen Forschungsergebnissen legten Karikó und Weissman zu Beginn der 2000er Jahre die Grundlage für die schnelle Entwicklung von passenden mRNA-Vakzinen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie. 

Diese Impfstoffe werden vermutlich nicht das einzige Anwendungsgebiet bleiben. Intensiv geforscht wird an weiteren präventiven Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten auf mRNA-Basis, sowie an therapeutischen Vakzinen gegen Krebserkrankungen und an therapeutisch einsetzbaren Proteinsystemen.

Anschließend standen Professor Gunilla Karlsson-Hedestam (Vorsitzende des Komitees), Professor Olle Kämpe (Stellvertretender Vorsitzender) und Sandberg für Fragen aus dem Auditorium zu Verfügung. Besonders interessierte die anwesenden Journalist:innen, ob das Komitee einen Einfluss auf mRNA-Impfstoffen skeptisch gegenüberstehenden Menschen durch die Verleihung des renommierten Preises erwarte. Kämpe meinte hierzu, dass der Preis durchaus zum Vertrauen in die Impfstoffe beitragen, aber schwerlich in ihrer Meinung gefestigte Personen umstimmen könne. Er betonte, dass Sicherheit und Wirksamkeit der zugelassenen Vakzine gründlich untersucht und bestätigt wurden. Ein Signal an Arzneimittelaufsichtsbehörden, künftige mRNA-Impfstoffe schnell zuzulassen, sende der Nobelpreis jedoch nicht. Die Zulassung einer Impfung sei immer ein Einzelfall und von den Begleitumständen abhängig.


Dr. Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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