ALBVVG

Bundestag verabschiedet Engpassgesetz

Berlin - 23.06.2023, 18:30 Uhr

Das ALBVVG ist heute vom Bundestag verabschiedet worden. (Foto: IMAGO / Political-Moments)

Das ALBVVG ist heute vom Bundestag verabschiedet worden. (Foto: IMAGO / Political-Moments)


Der Bundestag hat das Engpassgesetz mitsamt allen Änderungsanträgen beschlossen. Bei der Debatte im Bundestag hoben fast alle Abgeordneten nochmals die Apotheken hervor – denn immerhin bringt das Gesetz für sie einige Erleichterungen mit sich. Die Opposition ging mit dem Gesetz der Ampel jedoch hart ins Gericht. Und auch ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening zog in einem Video-Statement ein „bestenfalls gemischtes Fazit“.

Der Deutsche Bundestag hat am heutigen Freitag das Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) in zweiter und dritter Lesung in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung beraten und beschlossen. Die Koalitionsfraktionen stimmten dafür, die Oppositionsfraktionen dagegen. Das Gesetz setzt unter anderem auf ein neues Frühwarnsystem, eine erhöhte Bevorratung, gelockerte Preisregeln bei Kinderarzneimitteln, und Anreize für eine Produktion in Europa.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte in der Debatte erneut, dass es falsch gewesen sei, dass die Politik so lange vor einer gesetzlichen Regelung zurückgescheut habe. Lieferengpässe gebe es schon lange, doch man habe auf Selbstverpflichtungen und Abmachungen gesetzt. Dass mittlerweile Krebsmedikamente, Kinderarzneimittel und Antibiotika hierzulande nicht zu haben seien, sei eine unhaltbare Situation. Nun werde man die Probleme ursächlich bekämpfen. Dass durch die ausgesetzten Rabattverträge und Festbeträge für Kinder, die Preise steigen, hält er für vertretbar: „Wenn wir hier sparen, ist das nicht ethisch“. Zudem gelte jetzt ganz allgemein für Rabattverträge, dass Hersteller sich mit den rabattierten Arzneimitteln für sechs Monate bevorraten müssen. Wer das nicht könne, bekomme keinen Vertrag.

Der Minister sprach zudem drei Änderungsanträge an: So sollen Notfallsanitäter:innen künftig zum Beispiel bei schweren Unfällen selbst Betäubungsmittel verabreichen können, wenn kein Arzt oder keine Ärztin verfügbar ist. Zudem soll die Genehmigung von Medizinalcannabis beschleunigt werden – zwei Wochen bleiben den Kassen dafür im Regelfall künftig. Überdies können die Länder künftig Modellvorhaben zum Drug-Checking durchführen – Lauterbach verspricht sich hiervon weniger Drogentote. Die Apotheken kamen beim Minister – anders als bei allen folgenden Redner:innen – nicht zu Sprache.

Kippels (CDU): Nullretaxverbot geht nicht weit genug

Abgeordnete der Oppositionsfraktionen kritisierten das ALBVVG. Georg Kippels (CDU) sprach von einem „Placebo“ mit einem sehr begrenzten Wirkungsgrad. Auch die neue Regelung zu Nullretaxationen ist für ihn eine „Mogelpackung“ und „zu kurz gesprungen“. Zwar sei es gut, dass man hier korrigiere – aber dies geschehe nur in einem kleinen Ausschnitt. Es verbleibe noch eine Reihe von Fallgestaltungen, in denen nicht einleuchtend sei, dass für die korrekte Versorgung von Patienten keine Vergütung gezahlt werden solle. Auch Kippels‘ Fraktionskollegin Diana Stöcker stellte sich erneut offensiv auf die Seite der Apotheken. Sie leisteten höchste Anstrengungen, betonte sie. Daher müssten der Zusatzaufwand bei Engpässen „und vor allem das Fixum dringend erhöht werden, um den Apotheken eine Zukunft zu geben“. Mit Blick auf die vom Bundesgesundheitsminister forcierten Gesundheitskioske machte Stöcker deutlich: Was nutzen solche Parallelstrukturen? Mit den Apotheken habe man bereits ein Netz niederschwelliger Anlaufstellen – sie seien die bessere Alternative zu Kiosken und noch flächendeckend erreichbar. „Streichen Sie die Idee der Gesundheitskioske und stärken Sie die Apotheken vor Ort“, so ihr Appell an die Ampel.

Piechotta: Globale Probleme müssen supranational gelöst werden

Auch Paula Piechotta (Grüne) adressierte die Apotheken – für sie bringe das ALBVVG „enorme Verbesserungen“, insbesondere mit den verstetigten erweiterten Austauschregeln. Aber auch mit der Abschaffung von Nullretaxationen und des Präqualifizierungsverfahrens sorge man für den bereits im Koalitionsvertrag versprochenen Bürokratieabbau – und zwar vor einem ausdrücklichen Bürokratieentlastungsgesetz. Den Kritiker:innen entgegnete sie, dass das Gesetz gar nicht so tue, als könne man alle weltweit existierenden Probleme von Arzneimittel-Engpässen national lösen. Mit ihm könne nur geregelt werden, was national regelbar sei und das helfen könne, mit den Engpässen in Deutschland besser umzugehen. Aber den globalen Problemen könne man nur supranational Herr werden können – hier setzt Piechotta auf das EU-Pharmapaket, das jetzt schnell und unverwässert kommen müsse. 

ABDA-Präsidentin: Wir werden weiter auf unsere Forderungen hinweisen

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening zog in einem Videostatement ein gemischtes Fazit. Es müsse sich erst noch zeigen, ob die Neuregelungen bei Fest- und Rabattverträgen sowie die neuen Bevorratungspflichten zu einer Verbesserung der Engpasskrise beitragen können. „Aus unserer Sicht wären tiefgreifendere und langfristigere Maßnahmen an den Preisbildungssystemen nötig gewesen“, sagte sie. Wer eine hochwertige Arzneimittelversorgung wolle, müsse auch bereit sein, in sie zu investieren.

Es sei zwar begrüßenswert, dass die Apotheken bei der Bewältigung der Engpasskrise mehr Freiheiten bekämen und entbürokratisiert werde. Aber eine angemessene Wertschätzung und eine auskömmliche Honorierung erhielten sie noch immer nicht. „Die nun beschlossenen 50 Cent für das Engpassmanagement sind und bleiben eine Missachtung unserer Arbeit“, so Overwiening. Die ABDA-Präsidentin weiter: „Es muss sich für junge Menschen auch in fünf oder zehn Jahren noch lohnen, eine Apotheke zu gründen und diese mehrere Jahrzehnte lang zu betreiben. Wir sind es unseren Patientinnen und Patienten, aber auch unserem eigenen Nachwuchs, schuldig, dass wir für den Erhalt der wohnortnahen Versorgung durch unsere Apotheken kämpfen. Deswegen werden wir auch während der Sommerpause im Rahmen von gezielten Aktionen immer wieder auf unsere Forderungen hinweisen und stehen zusammen, um im Herbst eine neue Protestwelle auszurollen. Aber wir sind auch weiterhin gesprächsbereit.“

Die nächste Station für das ALBVVG ist jetzt der Bundesrat. Er wird das nicht zustimmungspflichtige Gesetz am 7. Juli beraten. Dann stehen die Chancen gut, dass es rechtzeitig – spätestens zum 1. August, wenn die Übergangsregeln für den erleichterten Austausch im Fall von Engpässen auslaufen – in Kraft treten kann.

Einen Überblick des Bundesgesundheitsministeriums über einige der wichtigsten Regelungen des ALBVVG finden sie hier. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

und täglich grüsst das Murmeltier....

von Thomas B am 24.06.2023 um 9:52 Uhr

Und wieder einmal betont Herr Lauterbach durch konsequente Ignoranz, für wie entbehrlich er die Apotheke als Institution und den Beruf des Apothekers hält. Wir taugen aus seiner Sicht ganz offensichtlich nur, wenn es ums Abkassieren geht. Immer dann und nur dann, beschäftigt er sich mit uns.
Zu Frau Piechotta: Unvergessen das Weihnachtsmannzitat. Ja, die durchgewunkenen Änderungsanträge bringen Erleichterungen im Alltag. Vorausgesetzt, die Umsetzung in der Praxis muss nicht bis nach dem nächsten Schiedsverfahren warten. Aber sie haben keine spürbaren Auswirkungen auf die Auskömmlichkeit unseres Versorgungsauftrages. Die beschlossenen Erleichterungen sind zweifelsfrei ein Schritt in die richtige Richtung. Nicht mehr, nicht weniger. Zurücklehen können sich unsere Koalitionäre damit noch lange nicht, die Hauptbaustelle ist noch nicht mal in Planung. Mit dem nun vorgelegten Anfang wird sich keine einzige Apotheke erhalten lassen, kein: einzige:r Nachwuchspharmazeut:in auch nur für die Selbständigkeit interessieren oder Abiturient:in zu einem Studium der Pharmazie bewegen lassen. Auch kein:e PTA-Schüler:in wird sich damit finden.
Und: Das ganze Gesetz taugt sicher, um kurzfristig die Lage durch Umlenken der vorhandenen Warenströme geringfügig zu entspannen. Aber es handelt sich lediglich um geringfügige Kosmetik ohne nachhaltige Wirkung auf die Lieferfähigkeiten.

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