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Digitalstrategie für Gesundheit und Pflege
Lauterbach verspricht den „Turbo-Schub“ für die Digitalisierung
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat seine Digitalisierungsstrategie jetzt offiziell vorgestellt. Er verspricht nicht weniger als den „Turbo-Schub“: Mit der elektronischen Patientenakte und dem E-Rezept soll es ab 2024 wirklich vorangehen. Geplant ist zudem, dass Apotheken künftig assistierte Telemedizin anbieten können. Doch viele Details sind noch offen – hier bleiben die bereits angekündigten Gesetzentwürfe abzuwarten.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) weiß es selbst am besten: Weder in der medizinischen Versorgung noch in der Forschung ist die Digitalisierung bislang gelungen. Er war als Berater dabei, als die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) vor zwei Jahrzehnten die ersten Schritte hin zur Digitalisierung im Gesundheitswesen unternahm. Was Schmidt seinerzeit versprach, will er nun endlich einlösen, erklärte der Minister am heutigen Donnerstag bei der Vorstellung seiner „Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege“. Den „Defätismus“, der sich in den letzten 20 Jahren vor allem in der Ärzteschaft, aber auch bei vielen Apotheker:innen breit gemacht hat, will er nicht akzeptieren. Lauterbach will der Digitalisierung jetzt wirklich zum Durchbruch verhelfen, damit Deutschland international wieder Anschluss findet.
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Auf dem Weg dorthin hat sich Lauterbach zunächst drei Etappenziele gesetzt: Bis 2025 sollen 80 Prozent der GKV-Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen. Bis Ende 2025 sollen sodann 80 Prozent der ePA-Nutzer:innen, die in medikamentöser Behandlung sind, über eine digitale Medikationsübersicht verfügen. Und bis Ende 2026 sollen mindestens 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten durch das neue Forschungsdatenzentrum Gesundheit realisiert werden.
Die Basis für das kommende Digitalgesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz
Das und mehr ist der jetzt vorgelegten Broschüre zur Digitalisierungsstrategie zu entnehmen. Diese Strategie in Form einer bunten Übersicht mit vielen Grafiken hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) „über mehrere Monate gemeinsam mit Patientenvertretern und Akteuren des Gesundheitswesens entwickelt“, heißt es in einer Pressemitteilung. Zwei konkrete Gesetzesvorhaben sollen dieser Idee folgen: Das Digitalgesetz, das den Behandlungsalltag mit digitalen Lösungen verbessern soll und unter anderem ePA und E-Rezept adressiert, sowie das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, mit dem Gesundheitsdaten für die Forschung erschlossen werden sollen. Diese Gesetzesvorhaben sind Lauterbach zufolge schon weit fortgeschritten und sollen in den „nächsten Wochen“ als Referentenentwürfe vorgelegt werden. Tatsächlich dürften noch so einige Details zu lösen sein.
ePA: Detailfragen noch offen
So steht zwar schon fest, dass die automatisch für jede:n Versicherte:n angelegte ePA mit Opt-Out-Möglichkeit bis Ende 2024 eingerichtet wird. Wie das Widerrufsverfahren allerdings genau laufen soll, ist noch unklar. „Das werden wir noch entwickeln“, sagte Lauterbach. Wichtig sei, dass es unbürokratisch sei. Ebenfalls ungewiss ist, wie bereits angesammelte Behandlungsdaten von Patienten und Patientinnen in die ePA fließen sollen. Aber darauf legt das BMG auch gar keinen Fokus. Erst einmal gehe es darum, aktuelle Basisdaten einzuspeisen, erklärte Lauterbach. Vor allem zur Medikation, aber auch Krankenhausbefunde. Mit der Zeit sollen Vitalparameter dazu kommen. Ob und wie sodann alte Daten Eingang finden, müsse man noch überlegen. Den Hausärzten allein könne man dies wohl nicht zumuten, meint auch Lauterbach.
E-Rezept: Hoffnung statt harter Termine
Auch sonst bleibt in der Strategie noch vieles vage. Etwa beim E-Rezept. Auf handfeste neue Einführungsdaten legt man sich nicht fest. In der Pressemitteilung des BMG heißt es lediglich: „Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und die Nutzung stark vereinfacht werden (E-Rezept kann dann sowohl mit Gesundheitskarte wie mit ePA-App eingelöst werden).“ In der Pressekonferenz erklärte Lauterbach auf Nachfrage, dass die Technologie für das E-Rezept schon vorhanden sei – und er „hoffe“, dass es Anfang 2024 in größerem Stil komme. Und so steht es auch unter den „mittelfristigen Maßnahmen“, dass über das E-Rezept Daten für die ePA und den elektronischen Medikationsplan (eMP) bereitgestellt gestellt werden. Ziel ist dabei, die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen, indem die Medikation automatisiert geprüft wird.
Telemedizin nutzbar machen
Das Digtialgesetz soll aber auch noch einige andere Regelungen mit sich bringen. Unter anderem soll die Telemedizin weiter nach vorn gebracht und ein niedrigschwelliger Zugang ermöglicht werden. So soll künftig in Apotheken oder Gesundheitskiosken „assistierte Telemedizin“ angeboten werden können, insbesondere auch in unterversorgten Regionen. Außerdem soll die 30-Prozent-Limitierung für telemedizinische Leistungen aufgehoben werden (bislang können Ärzte und Ärztinnen sie nur in diesem Umfang abrechnen). Das BMG verspricht: „Bis 2026 gibt es in mindestens 60 Prozent der hausärztlich unterversorgten Regionen eine Anlaufstelle für assistierte Telemedizin.“
Gematik soll vollständig staatlich werden
Zudem soll die Gesellschaft für Telematik – bislang bekannt als Gematik GmbH – zu einer Digitalagentur in 100-prozentiger Trägerschaft des Bundes weiterentwickelt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die bislang zu 49 Prozent in der Gesellschafterversammlung vertretenen Selbstverwaltungsorganisationen – darunter etwa der Deutsche Apothekerverband – außen vor bleiben. Lauterbach zufolge will man so an Tempo gewinnen und die Handlungsfähigkeit der Gematik stärken. Die Gespräche mit der Selbstverwaltung werde es selbstverständlich weiterhin geben, verspricht der Minister – auch die Digitalstrategie sei schließlich nach sehr intensiven Gesprächen mit dieser entstanden.
Schluss mit Veto-Recht der Datenschützer
Ein interdisziplinärer Ausschuss, der unter anderem mit Vertretern der obersten Datenschutzbehörden (BfDI, BSI), sowie aus Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll die Digitalagentur künftig bei allen Entscheidungen mit Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten. Ein Veto-Recht der Datenschützer soll es jedoch nicht mehr geben. Lauterbach ist überzeugt, dass sich mit einer solchen Entscheidungsverlagerung auf „breitere Schultern“ Qualität und Zeit gewinnen lässt.
Die Ziele des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes
Mit dem zweiten geplanten Gesetz, dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz will man die Forschung stärken. Denn es gibt zwar schon viele gute Daten, doch diese liegen in ihren jeweiligen Silos und lassen sich nicht verknüpfen. Künftig soll eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle den Zugang zu Forschungsdaten aus verschiedenen Quellen (z. B. Krebsregister, Krankenkassendaten) ermöglichen. Die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen soll dann über Forschungspseudonyme ermöglicht werden. Die Daten bleiben dabei aber dezentral gespeichert.
Auch die Probleme mit den 16 Landesdatenschutzbehörden sowie dem Bundesdatenschützer will man lösen: Die datenschutzrechtliche Aufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben im Gesundheitswesen soll künftig nur noch durch eine/n Landesdatenschutzbeauftragte/n erfolgen.
Zudem soll das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) beim BfArM weiterentwickelt werden. Künftig soll auch die forschende Industrie dort Anträge auf Datenzugang stellen können. Entscheidend für die Anfragen soll der Nutzungszweck sein – nicht der Absender.
Nicht zuletzt sollen pseudonymisierte ePA-Daten künftig zu Forschungszwecken automatisch über das FDZ abrufbar sein.
Die Digitalisierungsstrategie ist auf der Homepage des BMG abrufbar: www.bundesgesundheitsministerium.de/digitalisierungsstrategie
4 Kommentare
Epa
von Ann Didi am 14.03.2023 um 8:34 Uhr
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