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Spannungskopfschmerz: evidenzbasierte Selbstmedikation

Stuttgart - 07.02.2023, 13:43 Uhr

In Deutschland leiden schätzungsweise bis zu einer Million Menschen unter einem Kopfschmerz als Folge eines Übergebrauchs von Schmerzmitteln. (Foto: fizkes / AdobeStock)
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In Deutschland leiden schätzungsweise bis zu einer Million Menschen unter einem Kopfschmerz als Folge eines Übergebrauchs von Schmerzmitteln. (Foto: fizkes / AdobeStock)


Spannungskopfschmerzen sind häufig, in vielen Fällen aber zum Glück harmloser Natur und damit der Selbstmedikation zugänglich. Bei der Frage, mit welchen Wirkstoffen bzw. Wirkstoffkombinationen diese erfolgen sollte, kann man sich an den Empfehlungen der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft (DMKG) orientieren.

Episodische Kopfschmerzattacken können laut DMKG gut mit nichtsteroidalen Analgetika wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Diclofenac behandelt werden. Neben der Monotherapie mit diesen Wirkstoffen werden zudem Fixkombinationen aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Coffein bzw. aus Paracetamol und Coffein empfohlen.

Für die Dosierung der empfohlenen Wirkstoffe gilt:

Analgetika bei Spannungskopfschmerzen
Wirkstoff                     Einzeldosis / TageshöchstdosisPräparatebeispiel
Acetylsalicylsäure500 mg / 3000 mgAspirin, versch. Generika
Diclofenac25 mg / 75 mgVoltaren, versch. Generika
Ibuprofen200-400 mg / 1200 mgNurofen, versch. Generika
Paracetamol500 mg / 4000 mgBenuron, versch. Generika

 

So wirken NSAR bei Spannungskopfschmerzen

Bei Acetylsalicylsäure, Diclofenac und Ibuprofen handelt es sich um nichtsteroidale Analgetika bzw. Antirheumatika (NSAR). Sie wirken analgetisch, antipyretisch und antiphlogistisch, indem sie Cyclooxygenasen hemmen.

Cyclooxygenasen liegen im Körper in verschiedenen Isoformen vor, medizinisch betrachtet sind vor allem die Isoformen COX1 und COX2 relevant. Cyclooxygenasen katalysieren die Umwandlung von Arachidonsäure zu Prostanoid-Vorstufen, aus denen in den Geweben dann unterschiedliche Prostaglandine gebildet werden. Diese vermitteln vielfältige, je nach Gewebe auch gegensätzliche, Wirkungen. Prostaglandin E2 (PGE2) bindet z. B. an Enden schmerzempfindlicher Fasern und sensibilisiert diese. Auch sorgt es für die Weiterleitung des Schmerzsignals ins Gehirn.

Für eine Analgesie ist nur die Hemmung der COX2 ausschlaggebend. Acetylsalicylsäure, Diclofenac und Ibuprofen sind jedoch unspezifische COX-Hemmer, das heißt, sie hemmen sowohl COX2 als auch COX1, wenn auch mit unterschiedlicher Affinität.

Mit Acetylsalicylsäure Kopfschmerzen lindern:

Die acetylierte Salicylsäure (Acetylsalicylsäure, ASS) ist präferenziell ein COX1-Hemmstoff. Sie ist dadurch in der Lage, Thrombozyten bereits in niedrigen Dosierungen irreversibel zu hemmen, weshalb sie auch – als einziges NSAR – in niedriger Dosierung zur Prävention von Herzinfarkt und Schlaganfall eingesetzt wird. Mit zunehmender Dosierung hemmt Acetylsalicylsäure dann auch die COX2. Die analgetische Wirkung beginnt bei 500 mg.

Acetylsalicylsäure kann zur Selbstmedikation von Kopf- und weiteren Schmerzen bei einem Alter von unter zwölf Jahren (unter 40 kg Körpergewicht) nicht abgegeben werden, da ASS ein Reye-Syndrom auslösen kann. Bei Patienten ab 65 Jahren sollten nur 3 x 500 mg täglich empfohlen werden, um bei altersbedingter Nieren- und Leberschwäche Nebenwirkungen zu vermeiden.

Diclofenac – nicht nur bei Gelenkschmerzen geeignet

Diclofenac ist vor allem in topischen Darreichungsformen zur Linderung von Gelenk- und Rückenbeschwerden bekannt. In Tablettenform kann es jedoch auch für die Behandlung von Spannungskopfschmerzen bzw. bei Migräne empfohlen werden. Diclofenac besitzt eine gewisse Selektivität für die COX-2, sodass Diclofenac die gleiche Menge Cyclooxygenase mit weniger Wirkstoff hemmt als andere NSAR. Zur Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen steht es in Einzeldosen zu 12,5 mg und 25 mg zur Verfügung.

Kopfschmerzmittel Ibuprofen

Ibuprofen ist schon bei Kindern zur Behandlung von Schmerzen und Fieber anwendbar. Bei Kopfschmerzen werden für Jugendliche (ab 12 Jahren) und Erwachsene 400 bis 800 mg als Einzeldosis bzw. 1200 mg als Tageshöchstdosis empfohlen. Ibuprofen hat auch bei sauren pH-Werten nur eine geringe Löslichkeit; zur Beschleunigung der Wirkstofffreisetzung wird Ibuprofen daher teilweise als Lysin-Salz angeboten (z. B. Dolormin, versch. Ibu-Lysin-Generika). Eine weitere Möglichkeit, Ibuprofen schneller an den Wirkort zu bringen, liegt in der Galenik. So bietet Reckitt Benckiser in der Nurofen-Palette unter anderem Weichkapseln an. Die Nurofen 400 mg Weichkapseln haben einen flüssigen Kern, in dem Ibuprofen bereits in gelöster Form vorliegt. Der Wirkstoff soll dadurch zweimal so schnell an den Wirkort gelangen wie bei Hartkapseln.

Paracetamol: Verträgliche Schmerzlinderung

Paracetamol wirkt antipyretisch und analgetisch, verfügt allerdings über keine antiphlogistische Komponente. Sein Wirkmechanismus ist bis heute nicht vollständig geklärt, die Hemmung der Cyclooxygenase spielt nur eine untergeordnete Rolle. In der Selbstmedikation von Kopfschmerzen hat Paracetamol aufgrund seiner vergleichsweise guten Verträglichkeit seinen Platz. Die Magenverträglichkeit ist besser als bei reinen COX-Hemmern und die Substanz ist auch für Schwangere geeignet.

Coffein boostert Kopfschmerzmittel

Lange Zeit waren sie verpönt, mittlerweile hat man den Wert von Fixkombinationen aus Analgetikum und Coffein jedoch erkannt und die DMKG empfiehlt sie daher auch für die Selbstmedikation von Spannungskopfschmerzen.

Coffein hat eine leicht stimulierende Wirkung und wird als adjuvantes Analgetikum in Fixkombinationen mit Acetylsalicylsäure und Paracetamol (z. B. Thomapyrin Intensiv, Neuralgin) sowie in Kombination mit Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin Coffein), Paracetamol (z. B. Paracetamol + Coffein axicur) oder Ibuprofen (z. B. Thomapyrin Tension Duo) angeboten.

Vorsicht: Analgetika-Kopfschmerz

Analgetika können Kopfschmerzen lindern – häufig oder regelmäßig eingenommen, können sie jedoch zu einer Zunahme der Kopfschmerztage führen bzw. zu einer Chronifizierung der Schmerzen.

Chronische Kopfschmerzen durch Übergebrauch von Schmerzmitteln (Medication Overuse Headache = MOH) sind nach den Kriterien der inter­nationalen Kopfschmerzgesellschaft folgendermaßen definiert: Kopfschmerzen an 15 oder mehr Tagen pro Monat, bestehend über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten, ausgelöst durch die regelmäßige Einnahme von Schmerzmitteln, die wegen symptomatischer Kopfschmerzen an mindestens 10 bis 15 Tagen pro Monat eingenommen wurden.

In Deutschland leiden schätzungsweise bis zu einer Million Menschen unter einem Kopfschmerz als Folge eines Übergebrauchs von Schmerzmitteln. Damit es nicht noch mehr werden, ist die Aufklärung von Patienten über die Risiken eines übermäßigen Schmerzmittelgebrauchs in der Apotheke immens wichtig!


Dr. Beatrice Rall, Redakteurin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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