Wie haben Sie in ARMIN den Informationsaustausch zwischen Apotheke und Praxis organisiert?
Der Austausch lief über den elektronischen Medikationsplan. Als wir mit ARMIN gestartet sind, gab es allerdings noch keine Telematik-Infrastruktur, also mussten wir uns die technische Umgebung komplett selbst aufbauen. Das war extrem aufwendig. Hier haben wir der AOK PLUS sehr viel zu verdanken, die dies federführend umgesetzt hat. Zudem waren wir auf die Mithilfe der Praxis- und Apothekensoftware-Hersteller angewiesen. Die AVS-Hersteller haben das wirklich sehr gut hinbekommen, bei den PVS-Herstellern gab es einige Schwierigkeiten, ähnlich, wie wir es derzeit beim E-Rezept erleben. Diese technischen Aspekte zählen zu den Hauptgründen, weshalb das Projekt so viel Zeit in Anspruch genommen hat. Wir haben einen extra Server ins sichere Netz der KVen integriert, das war damals das Sicherste, was möglich war. Über diesen Server konnten Apotheken und Praxen Medikationspläne miteinander austauschen. Wenn die Apotheke zum Beispiel ein arzneimittelbezogenes Problem identifiziert hatte, konnte sie dem Medikationsplan einen Kommentar hinzufügen – allerdings haben wir die Zeichenzahl bewusst begrenzt, um die Kollegen anzuhalten, sich kurzzufassen. Für sehr komplexe Fälle war das natürlich nicht geeignet, da mussten Arzt und Apotheker auch mal miteinander telefonieren. Die Apotheke hatte dabei pro Patienten nur einen Ansprechpartner, meist war das der Hausarzt. Dieser koordinierende Arzt hat dann wiederum die anderen Verordner informiert.
Wäre eine Form des Austausches wie in ARMIN heute über die TI möglich?
Grundsätzlich ja. Auch das KV-Safe-Net ist ja in der TI aufgegangen und der ARMIN-Server lief zum Ende des Projekts hin darüber. Aber um in der TI für alle diese Möglichkeit zu schaffen, müssten erst noch entsprechende bundesweite technische Standards festgelegt werden und die Praxis- und Apothekensoftware-Hersteller müssten ihre Produkte daran anpassen. Wir haben in ARMIN Formate genutzt, die es den Teilnehmenden ermöglicht haben, die Medikationspläne direkt in ihren Praxis- und Apothekensystemen zu nutzen, etwa für einen Wechselwirkungscheck, und zu bearbeiten.
Sie haben sich bei ARMIN auch mit dem Thema Honorar beschäftigt. Zuletzt bekamen die Apotheken für die Startintervention etwa 115 Euro, je Medikationsanalyse wird es laut Schiedsspruch 90 Euro geben. Ist das Ihrer Erfahrung nach für den entstehenden Aufwand genug?
Es ist ein Kompromiss. Das war leider das Maximum dessen, was wir erreichen konnten. Die ARMIN-Vergütung ist schon eher realistisch, wenn man ehrlich ist.
Halten Sie es für gerechtfertigt, dass die Ärzte sich über das Honorar der Apotheken für die Dienstleistungen, speziell die Medikationsanalyse, beklagen?
Nein, absolut nicht. Wir hatten für die Dienstleistungen ursprünglich mit dem ärztlichen Honorar kalkuliert, die errechnete Vergütung wurde aber im Laufe des Schiedsverfahrens deutlich reduziert. Diese Kürzung hat sich die Schiedsstelle hergeleitet, indem sie das Gehalt eines Krankenhausapothekers mit dem eines Oberarztes verglich. Es ist also definitiv nicht so, dass die Vergütung der Apotheken über jener der Ärzte liegen würde, im Gegenteil, sie liegt ein ganzes Stück darunter. Auch der Vergleich mit einzelnen EBM-Ziffern ist inhaltlich falsch, weil die Praxen viele Pauschalen und Grundhonorierungen erhalten, die man dann einrechnen müsste. Das ist aber praktisch nicht machbar, da sich diese Pauschalen sehr komplex zusammensetzen. Auch die Schiedsstelle hat Abstand davon genommen, das auf die Apothekenhonorierung zu übertragen.
Wie wurden Ärzte und Apotheker bei ARMIN bezahlt?
Bei ARMIN haben Ärzte und Apotheker das gleiche Geld bekommen, allerdings mussten die Ärzte dafür weniger Zeit aufwenden als die Apotheker. Umgerechnet auf die Minute haben folglich auch bei uns die Ärzte deutlich besser verdient als die Apotheker.
In ARMIN ist für die Vergütung der Ärzte und Apotheker eine Dynamisierung eingebaut. Wonach richtet sich diese und warum hat die Schiedsstelle bei ihrer Entscheidung zu den pharmazeutischen Dienstleistungen darauf verzichtet?
Die Dynamisierung bei ARMIN richtet sich nach der Grundlohnsumme, weil das Medikationsmanagement sehr personalaufwendig ist und uns diese Richtgröße daher plausibel erschien. Zudem berücksichtigt sie ein Stück weit auch die Inflation, die damals allerdings kaum eine Rolle gespielt hat. Solch einen Mechanismus hätten wir bei den Dienstleistungen auch gern gehabt, die Schiedsstelle hat dies aber abgelehnt. Obwohl es während der vergangenen Jahre so gut wie keine Inflation gab, führte die Dynamisierung dennoch durch die Veränderungen bei den Löhnen zu vielen kleinen Anpassungen der Vergütung nach oben. Gestartet sind wir im Jahr 2016 mit einer Vergütung von 97,30 Euro, inzwischen gibt es knapp 115 Euro für die Startintervention. Es wäre wichtig gewesen, wir hätten bei den Dienstleistungen einen ähnlichen Mechanismus durchbringen können, gerade mit Blick auf das aktuelle Inflationsgeschehen, aber das war schlichtweg nicht verhandelbar.
Mit ARMIN ist jetzt Schluss – wie geht es weiter? Was passiert mit den Ergebnissen, wenn sie veröffentlicht sind? Hat die ABDA schon einen Plan in der Schublade, wie man das Projekt Medikationsmanagement vorantreiben wird?
Die ABDA hält unbedingt an dem Ziel fest, das Medikationsmanagement bundesweit auszurollen. Es ist im Grunde alles nach Plan gelaufen: Wir haben das ABDA-KBV-Modell entworfen, die Politik war interessiert und hat uns aufgefordert, es umzusetzen. Das haben wir getan und wir haben gezeigt, was das Medikationsmanagement den Patienten wirklich bringt. Jetzt geben die beteiligten Länder mit dem Ende des Projekts die Verantwortung zurück an den Bund und wir müssen nun schauen, wo wir Unterstützung bekommen. Klar ist: Ohne die Ärzte geht es nicht – aber wir werden sicher auch auf politischer Ebene für unsere Anliegen werben.
Frau Müller, vielen Dank für das Gespräch.
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