Technische Stabilität und mehr

30.000 – und sonst? Das sind die Qualitätskriterien fürs E-Rezept

Stuttgart - 08.06.2022, 07:00 Uhr

Eines der Qualitätskriterien: Die Apothekensoftware muss zu einem hohen Prozentsatz bereit fürs E-Rezept sein. (s / Foto: Schelbert) 

Eines der Qualitätskriterien: Die Apothekensoftware muss zu einem hohen Prozentsatz bereit fürs E-Rezept sein. (s / Foto: Schelbert) 


30.000 E-Rezepte müssen im Rahmen der Pilotphase abgerechnet sein, bis die elektronischen Verordnungen in Regelversorgung überführt werden. Das ist allerdings nur eines der Qualitätskriterien, die die Gematik-Gesellschafter festgelegt haben, sprich 30.000 E-Rezepte allein reichen nicht. Doch was sind eigentlich die weiteren Qualitätskriterien?

Laut einem Gesellschafterbeschluss der Gematik von vergangener Woche sollen die Krankenkassen und die Apotheken spätestens ab dem 1. September 2022 bundesweit in der Lage sein, E-Rezepte einzulösen und abzurechnen. Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe sollen die ersten Regionen sein, in der auch Pilot-Praxen und -Krankenhäusern mitmachen – laut Gematik-Mitteilung werden dort „hochlaufend zu einem flächendeckenden Verfahren E-Rezepte ausgestellt“. Voraussetzung dafür ist das Erreichen von im Januar dieses Jahres abgestimmten Qualitätskriterien. Dazu gehört die Hürde von 30.000 ausgestellten, eingelösten und abgerechneten E-Rezepten im Rahmen der laufenden Testphase – bei über 18.000 Apotheken und über 60.000 Arztpraxen zum Üben reichlich wenig. Aber so wurde es nun mal festgelegt. Der aktuelle Stand lag am Montag (6. Juni 2022) bei 27.079 eingelösten Rezepten, die Zahl der abgerechneten liegt etwas darunter.

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Von den anderen Qualitätskriterien hört man wenig, obwohl sie auch seit Januar feststehen. Gesprochen wird immer nur über die 30.000. Anlass genug, die Kriterien, die der Redaktion vorliegen, noch einmal anzuführen.

Hoher Prozentsatz der Systeme muss bereit sein

Für den Übergang der E-Rezepte in die Regelversorgung muss Folgendes erfüllt sein:

  • Technische Stabilität: Der Fachdienst und der Identity Providers (IdP) (= Gesamtanwendung E-Rezept Gematik) müssen zu 99,9 Prozent verfügbar sein. Die Gematik hat dazu schon vor geraumer Zeit ein Dashboard online gestellt, das die Verfügbarkeit der einzelnen Komponenten der Telematikinfrastruktur (TI) anzeigt, und zwar in Echtzeit.
  • Schwere Fehler müssen ausgeräumt sein. Was genau ein schwerer Fehler ist, bleibt unklar. Als weitere Erklärung heißt es nur Kategorie „Blocker“ und „Hoch“ im Fehler-Dashboard der Gematik. Mittelschwere Fehler werden individuell bewertet.
  • Ein hoher Prozentsatz der Anbieter von Praxis- und Zahnarztpraxisverwaltungssystemen muss erfolgreich mindestens zehn E-Rezepte in der Produktivumgebung (PU) erstellt haben. Ein exakter Wert für den hohen Prozentsatz wird nicht definiert. Nach Informationen der DAZ fließen auch Marktanteil und Wichtigkeit mit ein. Besonders kleine Anbieter aus dem Start-up-Bereich, die schon lange technisch auf Kurs sind, sehen sich durch dieses Verfahren benachteiligt. Man müsse auf die Großen warten, heißt es.
  • Auf Apothekenseite muss ebenfalls ein hoher Prozentsatz der Software-Anbieter bereits erfolgreich mindestens zehn E-Rezepte in der PU eingelöst beziehungsweise eine E-Rezept-Quittung erstellt haben. Auch hier fließt der Marktanteil ein, allerdings ist die Situation im Apothekensoftwaremarkt eine gänzlich andere als bei den Arztsystemen. Es gibt deutlich weniger Anbieter und davon keinen mit einer marktbeherrschenden Stellung.
  • Alle Kassen müssen E-Rezepte entgegennehmen und abrechnen können. Das ist laut GKV-Spitzenverband schon lange der Fall. Zudem muss die Quote der aus technischen Gründen retaxierten E-Rezepte gegen null gehen. Sobald es zu einer Retaxation aus technischen Gründen kommt, soll eine sofortige Eskalation erfolgen, um das Problem zu beheben und die Retaxation zu verhindern.

All dies gilt es zu erfüllen, damit der aktuelle Zeitplan wie geplant umgesetzt werden kann. Man darf vor allem gespannt sein, wie das bei den nicht eindeutig definierten Kriterien umgesetzt wird. 

Die nächsten Schritte der stufenweisen Einführung sind noch nicht festgezurrt. Sie sollen von den Gesellschaftern aber „zeitnah“ festgelegt werden. Stand heute ist laut Gematik angedacht, das E-Rezept in Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe zum 1. Dezember verpflichtend einzuführen. Und zwar, nachdem die Gesellschafter den Erfolg der ersten Stufe beschlossen haben. Zudem sollen sechs weitere Bundesländer die Einführung sukzessive voranbringen. In 2023 sollen dann die ausstehenden acht Bundesländer folgen – und damit die bundesweite Nutzung des E-Rezepts.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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