Was ist drin?

Korallenfreundliche Sonnencremes – was sagen die Hersteller? (Teil 3)

Stuttgart - 09.05.2022, 17:50 Uhr

Beispielsweise Avène wirbt mit einem patentierten Filtersystem. Die vier UV-Filter sollen nachweislich keine Auswirkungen auf Korallen, Phytoplankton und Zooplankton haben. (c / Foto: Christian Horras / AdobeStock)

Beispielsweise Avène wirbt mit einem patentierten Filtersystem. Die vier UV-Filter sollen nachweislich keine Auswirkungen auf Korallen, Phytoplankton und Zooplankton haben. (c / Foto: Christian Horras / AdobeStock)


Immer mehr Sonnencreme-Hersteller bewerben ihre Produkte als „rifffreundlich“. Doch wie umweltbewusst sind die Kosmetik-Firmen wirklich? Außerdem ist die DAZ der Frage nachgegangen, ob Schwimmbekleidung eine umweltfreundliche Alternative zu Sonnencremes ist.

Einige Marken, etwa Ladival, kennzeichnen ihre Produkte als „rifffreundlich“ oder „korallenfreundlich“ gemäß Hawaiianischem Riffgesetz beziehungsweise „Hawaii Standard“. Sie verzichten dementsprechend auf die Inhaltsstoffe Oxybenzon und Octinoxat. Zum Beispiel erhielt die „Ladival Sonnenmilch für Kinder LSF50+“ von Ökotest ein „sehr gut“.10.a Andere chemische UV-Filter können dennoch enthalten sein. Hier stehen etwa Isoamyl p-Methoxycinnamate und Diethylamino Hydroxybenzoyl Hexyl Benzoate auf der Inhaltsstoffliste (Siehe Tabelle in Teil 2). Das Produkt ist laut Hersteller frei von Mikroplastik, Emulgatoren, Farb- und Konservierungsstoffen und Parfüm.

UV-Filter, die in den Verdacht geraten sind, wie Hormone zu wirken5:

  • 3-Benzylidencamphor (3-BC) ist inzwischen verboten und darf seit Februar 2016 nicht mehr in Produkten stecken, die in der Europäischen Union verkauft werden. Für diesen Stoff, wie auch für die Lichtschutzfilter:
  • 4-Methylbenzylidencamphor (4-MBC bzw. MBC),
  • Ethylhexylmethoxycinnamate (Octylmethoxycinnamate, OMC),
  • Benzophenone-1 (BP1),
  • Benzophenone-2 (BP2),
  • Benzophenone-3 (Oxybenzon, BP3) wurde die hormonelle Wirksamkeit im Tierversuch gezeigt.

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La Roche Posay (L'Oréal) schrieb auf Anfrage zu rifffreundlicher Sonnencreme: „L’Oréal versteht es als Mission, verantwortungsvoll mit der Umwelt und unserem biologischen Fußabdruck umzugehen. Medien berichten vermehrt über Korallenbleichen und den Zusammenhang mit Sonnenschutz-Filtern, insbesondere den Stoffen Oxybenzon und Octinoxat. Keines unserer Sonnenschutzprodukte enthält einen dieser Sonnenschutzfilter.“ L‘Oréal habe auch selbst eine umfassende Studie durchgeführt, um der Ursache weiter auf den Grund zu gehen und betont, dass eine große Zahl an Klimawissenschaftlern das Korallensterben vor allem auf den Temperaturanstieg der Ozeane zurückführe. Ein Zusammenhang mit den Lichtschutzfiltern von L'Oréal habe so mit Sicherheit ausgeschlossen werden können, heißt es.

Die Marke Avène (Pierre Fabre) verweist auf ihrer Homepage auf ihr patentiertes Filtersystem Sunsitive Protection® aus vier Filtern und schreibt: „Die Filter haben nachweislich keine Auswirkungen auf Korallen, Phytoplankton und Zooplankton. Getestet an Korallen, Phytoplankton und Zooplankton, Thorel et al. Journal Toxics 2020.“ Auf Nachfrage, um welche vier UV-Filter es sich dabei handelt, antwortete Avène: 

Enthalten seien diese UV-Filter in den Kinder-Sonnenschutzprodukten, den Sonnenschutzprodukten für den Körper und dem B-Protect-Sonnenschutz. 

Tinosorb® M und Tinosorb® A2B [INCI: Methylene Bis-Benzotriazolyl Tetramethylbutylphenol (Nano) und Tris-Biphenyl Triazine (Nano)] stellen neuere Mischformen von Filtern dar. Sie sind zwar chemische UV-Filter, liegen aber in den Produkten wässrig dispergiert vor, weil sie schwer löslich sind, und ähneln insofern Nanopartikeln. Sie sind in einer Konzentration von bis zu 10% zugelassen, besitzen ein Breitband-Wirkspektrum (UV‑A und UV‑B) und finden sich in diversen Hautpflegeprodukten mit UV-Schutz wie in Tagescremes.“ 

Quelle: DAZ 30/2017, Ralf Schlenger 

Wie in einem Artikel von „Spektrum.de“ von 2019 nachzulesen, sind Sonnenschutzmittel größtenteils lipophil. Dadurch werden sie, wenn sie in die Umwelt gelangen, nicht im Wasser gelöst und verdünnt, sondern „in Tieren, vor allem in lipophilen Organen, gespeichert: sie bioakkumulieren“. Zudem sollen sie sich in Sedimenten einlagern können, was sich auf bodenlebende Organismen auswirken könnte. Aus Meerwasser seien UV-Filter-Konzentrationen im Bereich von 1-100 ng/L bis hin zu mehreren µg/L bekannt, „aus Sedimenten weit höhere Konzentrationen (bis zu mg/L)“, erklärt die Autorin und promovierte Biologin Gabriele Kerber.

Naturkosmetik und Schwimmbekleidung

Auch die Marke Eucerin orientiert sich bei ihrer Sonnenschutzlinie am Hawaiianischen Riffgesetz und verzichtet auf Octinoxat und Oxybenzon. Im Angebot ist zudem ein Produkt mit rein mineralischen Filtern, die „Sensitive Protect Kids Mineral Sun Lotion LSF30“. Laut Hersteller wird seit 2015 für die Entwicklung neuer Produkte kein Mikroplastik mehr verwendet, seit Ende 2020 sind alle Eucerin Produkte nylonfrei. Der Stoff macht Texturen geschmeidiger.

Naturkosmetik verzichtet üblicherweise auf chemische Filtersubstanzen. Zum Beispiel wurden die Inhaltsstoffe des „Lavera Sensitiv Sonnensprays LSF30“ von Ökotest (Ausgabe 06/2021) mit „sehr gut“ bewertet.10.b Es enthält die mineralischen Filter Zinkoxid und Titandioxid. Die „Weleda Edelweiss“ Sonnenschutz-Produktlinie enthält Titandioxid und verwendet laut Hersteller keine Nanopartikel. Die Marke Dr. Hauschka verwendet für ihre „getönte Sonnencreme Gesicht LSF 30“ ebenfalls ausschließlich mineralische Filter (Zinkoxid, Titandioxid), laut Deklaration in Nanoform.

Drei Standards für Sonnenschutzbekleidung 

Trotz der kontroversen (Umwelt-)Diskussion um Sonnenschutzmittel herrscht prinzipiell Einigkeit darüber, dass auf UV-Schutz nicht verzichtet werden darf. Der Schutz der Gesundheit hat Priorität. Das Bundesamt für Strahlenschutz weist währenddessen auf eine andere Art von Sonnenschutz hin: Spezielle UV-Schutzbekleidung. Sie bietet eine Option ohne chemische Substanzen –   Rifffreundlichkeit inklusive. Bei Wassersportlern beispielsweise ist die Methode längst Standard. Doch auch Menschen mit sehr empfindlicher, blasser oder zu Allergien neigender Haut und vor allem Kinder profitieren von dem hervorragenden und dauerhaften Schutz. Insbesondere wer sich viele Stunden in der Sonne aufhält, sei es beim Gärtnern oder Schnorcheln, ist zuverlässig geschützt. 

Gute Sonnenschutzbekleidung ist leicht, atmungsaktiv und trocknet extrem schnell. Bei der Auswahl sollten Interessierte, neben dem deklarierten UV-Schutzfaktor (UPF), auch auf den angegebenen „Standard“ achten. Davon gibt es grundsätzlich drei:

  • Australisch-Neuseeländischer Standard (AS/NZS 4399:1996)
  • Europäischer Standard (EN 13758-1)
  • UV-Standard 801

Letzterer bietet den Vorteil, dass der UPF sowohl am trockenen Stoff als auch am nassen, gedehnten Zustand bestimmt wird. Die „internationale Prüfgemeinschaft für angewandten UV-Schutz“ empfiehlt diese Art der Prüfung für alle sogenannten Beschattungstextilien, da sie die ungünstigsten Bedingungen mit einschließt. Hierzu gehört ebenfalls eine maximale Strahlungsintensität zur Messung des UPF mit dem Sonnenspektrum von Melbourne/Australien am 1. Januar, dem Höhepunkt des australischen Sommers.7



Tatjana Ortinau, Apothekerin
redaktion@daz.online


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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