PRAC prüft Tofacitinib

Kardiovaskuläre Probleme unter JAK-Inhibitoren – ein Klasseneffekt?

Stuttgart - 15.02.2022, 10:45 Uhr

Liegt es nicht nur an Tofacitinib? Verursachen auch andere JAK-Hemmer, die zur Behandlung von chronisch entzündlichen Erkrankungen angewendet werden, kardiovaskuläre Probleme? (b/Foto: Kateryna_Kon / AdobeStock)

Liegt es nicht nur an Tofacitinib? Verursachen auch andere JAK-Hemmer, die zur Behandlung von chronisch entzündlichen Erkrankungen angewendet werden, kardiovaskuläre Probleme? (b/Foto: Kateryna_Kon / AdobeStock)


Tofacitinib kann das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse und Tumore erhöhen, auch bei Baricitinib sind verstärkt venöse Thromboembolien und kardiovaskuläre Probleme beschrieben – also ein Klasseneffekt der JAK-Inhibitoren? Das will der PRAC der EMA nun überprüfen.

Zu den Risiken einer Therapie mit dem Januskinase-Hemmer (JAK-Inhibitor) Tofacitinib in Xeljanz® wurde schon viel geprüft, berichtet und gewarnt: Erst im Juli 2021 informierte der Zulassungsinhaber Pfizer über neue Sicherheitsbedenken zu Tofacitinib in einem Rote-Hand-Brief – Patient:innen mit Rheumatoider Arthritis (RA), die 50 Jahre oder älter waren und mindestens einen zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktor aufwiesen, erlitten unter Tofacitinib häufiger einen Myokardinfarkt, Schlaganfall oder starben aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses oder entwickelten maligne Erkrankungen als Patienten, die TNF-alpha-Inhibitoren anwendeten. Die Daten stammen aus einer abgeschlossenen klinischen Prüfung (A3921133). Die Studie hatte zudem zutage gefördert, dass Tofacitinib verglichen mit TNF-alpha-Hemmern häufiger zu schweren Infektionen und Blutgerinnseln in der Lunge und in tiefen Venen (venöse Thromboembolien, VTE) und zum Versterben der Patienten (Tod jeglicher Ursache) führt.

Baricitinib erhöht Risiko für VTE und kardiovaskuläre Ereignisse

Mit schweren kardiovaskulären Ereignissen als Nebenwirkung einer JAK-Inhibitor-Therapie steht Tofacitinib aber nicht allein da: Auch Baricitinib (Olumiant®) erhöhte in einer Beobachtungsstudie bei Patient:innen mit Rheumatoider Arthritis das Risiko für schwere kardiovaskuläre Probleme und venöse Thromboembolien (VTE) im Vergleich zu TNF-alpha-Hemmern.

Könnte es sich also um einen Klasseneffekt der JAK-Hemmer handeln? Dem will nun der für die Risikobewertung von Arzneimitteln bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zuständige PRAC in einem „Sicherheits-Review“ nachgehen. Bei der Behandlung von Entzündungskrankheiten wirkten Baricitinib und andere JAK-Hemmer ähnlich wie Tofacitinib, weswegen der PRAC überprüfen will, „ob diese Risiken mit allen in der EU zur Behandlung von entzündlichen Erkrankungen zugelassenen JAK-Hemmern verbunden sind und ob die Zulassungen für diese Arzneimittel geändert werden sollten“, erklärt der PRAC als Ergebnis seiner letzten Sitzung vom 7. bis 10. Februar 2022.

Die Historie von Tofacitinib

Für Tofacitinib wurden bereits früher risikominimierende Maßnahmen beschlossen und in Kraft gesetzt. So soll dem Rote-Hand-Brief vom Juli 2021 zufolge Tofacitinib bei Patienten über 65 Jahren, bei Patienten, die gegenwärtig rauchen oder früher geraucht haben, bei Patienten mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren und bei Patienten mit anderen Risikofaktoren für maligne Erkrankungen nur dann eingesetzt werden, wenn keine geeigneten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen. Auch sollten die verordnenden Ärzte und Ärztinnen die Risiken mit ihren Patient:innen besprechen, einschließlich des Risikos für Myokardinfarkt, Lungenkrebs und Lymphom. Darüber hinaus wurde die Produktinformation zu Tofacitinib 2021 weiter aktualisiert, um dem erhöhten Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Probleme und Krebs Rechnung zu tragen, informiert die EMA. 

Auch davor war die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) bereits aktiv geworden: Im März 2020 informierte die AMK über risikominimierende Maßnahmen aufgrund des Risikos venöser thromboembolischer Ereignisse sowie schwerwiegender und tödlich verlaufender Infektionen im Zusammenhang mit Tofacitinib. Und bereits im April 2019 hatte ein weiterer Rote-Hand-Brief gewarnt, die zugelassene Dosierung von 5 mg Tofacitinib zweimal täglich bei Rheumatoider Arthritis nicht zu überschreiten. Zudem hatte die EMA bereits 2013 Sicherheitsbedenken und empfahl Xeljanz® zunächst nicht zur Zulassung, diese erfolgte dann erst 2017.

Tofacitinib ist ein Januskinase-Hemmer (JAK-Inhibitor), der in Kombination mit Methotrexat (MTX) zur Behandlung der mittelschweren bis schweren aktiven Rheumatoiden Arthritis oder aktiven Psoriasis-Arthritis (PsA) bei erwachsenen Patienten eingesetzt wird. Daneben hat Tofacitinib die Zulassung bei aktiver Ankylosierende Spondylitis, mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa (erwachsene Patienten) und zur Behandlung der Juvenilen idiopathische Arthritis (ab zwei Jahren). Für alle Indikationen gilt, dass Patienten auf konventionelle Therapien nicht, nur unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben müssen.

Baricitinib verordnen Ärzte erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Rheumatoider Arthritis. Wie bei Tofacitinib dürfen auch sie auf eine vorangegangene Behandlung mit einem oder mehreren krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARDs) nur unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Zusätzlich findet Baricitinib Anwendung bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Atopischer Dermatitis. Zudem empfiehlt die WHO mittlerweile Baricitinib für schwerkranke COVID-19-Patient:innen. Sie hätten mit der Therapie bessere Überlebenschancen und die Notwendigkeit einer künstlichen Beatmung werde reduziert, heißt es in der erst im Januar 2022 aktualisierten WHO-Richtlinie (eine Zulassung liegt für die Behandlung von COVID-19 nicht vor).

Daneben finden weitere JAK-Inhibitoren bei entzündlichen Erkrankungen Anwendung: Abrocitinib (Cibinqo®), Filgotinib (Jyseleca®), Upadacitinib (Rinvoq®). Bei myeloproliferative Neoplasien kommt Ruxolitinib (Jakavi®) zur Anwendung.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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