Keine Kreuzreaktivität mit endemischen Coronaviren

Wenn schon Antikörpertests, dann welche?

Stuttgart - 02.02.2022, 10:45 Uhr

Antikörpertests auf Basis von TAb (Gesamtantikörper) und S/RBD-Antigen bieten die höchste Empfindlichkeit und die längste Nachweisdauer von 14 Monaten. (Symbolfoto: IMAGO / Hartenfelser)

Antikörpertests auf Basis von TAb (Gesamtantikörper) und S/RBD-Antigen bieten die höchste Empfindlichkeit und die längste Nachweisdauer von 14 Monaten. (Symbolfoto: IMAGO / Hartenfelser)


Alle Welt interessiert sich derzeit für PCR- und Antigentests. Doch was wurde eigentlich aus den Antikörper-Tests? Sind sie in der Corona-Pandemie völlig nutzlos? Umstritten ist ihr Wert auf jeden Fall weiterhin, dennoch scheinen sie laut einer neuen Studie des PEI zum Nachweis einer COVID-19-Erkrankung besser zu sein als ihr Ruf, sofern man sie richtig interpretiert.

Bislang spielen Antikörpertests im Rahmen de Coronapandemie keine allzu große Rolle. Könnte sich das mit der zunehmenden natürlichen Durchseuchung der Bevölkerung (im besten Fall in Kombination mit Auffrischimpfungen) ändern?

Im Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts vom 20. Januar 2022 heißt es jedenfalls noch immer in der „Empfehlung zur COVID-19-Impfung von Personen mit Immundefizienz (ID)“, dass eine serologische Antikörpertestung nicht grundsätzlich empfohlen wird. Die Begründung: „Der Wert, der einen sicheren Schutz bedeutet und damit eine oder mehrere Impfstoffdosen unnötig machen würde, ist nicht bekannt.“

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Lediglich bei schwer immundefizienten Personen mit einer erwartbar stark verminderten Impfantwort soll frühestens vier Wochen nach der zweiten Impfstoffdosis und frühestens vier Wochen nach der dritten Impfstoffdosis eine serologische Untersuchung auf spezifische Antikörper gegen das SARS-CoV-2-Spikeprotein erfolgen (Gesamtprotein, S1- Untereinheit oder Rezeptorbindungsdomäne (RBD)), heißt es. Generell gilt, dass es keine Sicherheitsbedenken für eine Auffrischimpfung bei noch bestehender Immunität gibt. Warum sollte man also überhaupt auf Antikörper testen?

Auch in der DAZ 42/2021 schrieben Prof. Dr. Robert Fürst (Institut für Pharmazeutische Biologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main) und Dr. Ilse Zündorf (akademische Oberrätin am Institut für Pharmazeutische Biologie) allgemeingültig, also nicht nur für die Fragestellung der Sinnhaftigkeit bei Immundefizienten, über Antikörpertiter: „Für alle Geimpften sind diese Werte keine wirkliche Hilfe, um sich absolut sicher fühlen zu können. Wir können aber immerhin ungefähr abschätzen, wie gut unser Immunschutz ist und uns dann entsprechend verhalten: Sich gegebenenfalls eine Auffrischungsimpfung verabreichen lassen oder FFP2-Masken in größeren Menschenansammlungen tragen.“

Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker

Antikörpertests auf Corona – Risiko von Fehlinterpretation

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Die 20 besten Antigenschnelltests laut PEI

Schon zu Beginn der Pandemie im April 2020 warnte die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker (AMK) vor dem Risiko von Fehlinterpretationen von „Schnelltests“ auf SARS-CoV-2-Antikörper. Damals ging es noch weniger um den (nicht vorhandenen) Antikörper-Grenzwert, sondern zum einen darum, dass spezifische, gegen das Virus gerichtete Antikörper frühestens eine Woche nach Erkrankungsbeginn nachweisbar seien – in der Regel sogar erst nach 14 Tagen, wie es hieß. Zum anderen konnte nicht ausgeschlossen werden, dass bereits vorhandene Antikörper gegen andere (ältere) Coronaviren eine Kreuzreaktivität verursachen, also zu einem falsch-positiven Testergebnis führen. Zudem galt die Genauigkeit (Spezifität und Sensitivität) der Antikörpertests noch als fraglich, auch weil sie „häufig nur auf der Basis von kleinen Probenmengen in einzelnen Laboren ermittelt“ wurde. Es gelte diese noch unabhängig zu verifizieren, schrieb die AMK damals.

Auch bei den bereits breit eingesetzten Antigentests gab es lange Zeit keine unabhängige Prüfung, bis sich das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) zumindest für einen Teil der Angebote auf dem Markt dem annahm und Ergebnisse veröffentlichte (Für Mitte Februar wird zudem eine Positivliste des PEI zu Antigentests erwartet.). Wie die AMK schon 2020 erklärte, kann auch eine breite Testung auf SARS-CoV-2 spezifische Antikörper für epidemiologische Fragestellungen grundsätzlich sinnvoll sein, um den Stand der Immunisierung abzuschätzen. Insofern ist es nur zu begrüßen, dass sich das PEI nun auch die Antikörpertests im Rahmen einer Studie genauer angeschaut hat. Diese wurde im „Journal of Clinical Virology“ am 4.Dezember 2021 veröffentlicht. Das PEI hat darin in Zusammenarbeit mit der Universität Frankfurt am Main Proben von Personen mit verschiedenen COVID-19-Schweregraden auf deren Langzeit-Antikörperreaktion nach SARS-CoV-2-Infektion untersucht. 

Die Rolle der Antikörperavidität

Das Ergebnis der Studie hinsichtlich Sensitivität und Nachweisdauer der Antikörpertests hing von zahlreichen Faktoren ab: Antikörperklasse, Testdesign, Zielantigen des Anti-SARS-CoV-2-Antikörpertests, Antikörperavidität (Stärke der Antikörperbindung) und COVID-19-Schweregrad. Damit wird zunächst nochmals bestätigt, dass die Interpretation von Antikörpertests schwierig ist, auch hinsichtlich der grundsätzlichen Frage, wie lange nach einer Infektion spezifische Antikörper noch nachweisbar sind. Doch welche Antikörpertests sind nun am aussagekräftigsten?

In der Studie wurden die Antikörperreaktionen über einen Zeitraum von mehr als 430 Tagen nach SARS-CoV-2-Infektion bestimmt. Dabei wurden laut Mitteilung des PEI 828 Proben von 390 Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen COVID-19-Schweregraden in zwölf verschiedenen Tests untersucht – auf verschiedene Antikörperklassen (Gesamtantikörper, IgG, IgA, IgM), unterschiedliche SARS-CoV-2-Zielantigene (Rezeptorbindungsdomäne (RBD), Spike- (S) und Nukleoprotein (N)), neutralisierende Antikörper und die Bindungsstärke von Antikörpern ans Antigen (Antikörperavidität). Die Testspezifität wurde mithilfe von 676 präpandemischen Proben bestimmt.

Für die meisten Patient:innen war mit der Zeit eine zunehmende Antikörperavidität für die immunogenen SARS-CoV-2-Antigene RBD und Spikeprotein zu beobachten, heißt es einer Pressemitteilung des PEI zur Studie. 

Erst kürzlich twitterte Prof. Dr. Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie an der Technischen Universität München (TUM) und am Helmholtz Zentrum München, dass unser Immunsystem laut einer neuen Studie dreimal das Spike-Protein gesehen haben muss, um eine qualitativ hochwertige Immunantwort aufzubauen. Mit einer qualitativ hochwertigen Antwort ist besagte Antikörperavidität gemeint, also eine starke Bindung. Diese sei mindestens genauso wichtig wie einfach nur viele Antikörper (hoher Antikörper-Titer), erklärte Protzer auf Twitter. 

Wie das PEI in seiner Veröffentlichung erklärt, korreliert die Avidität mit der Antikörperreifung und der Bildung eines Immungedächtnisses.

Tests mit hoher Sensitivität und langer Nachweiszeit

Gesamtantikörpertests, die aufgrund ihres Testdesigns eine höhere Antikörperbindungsstärke messen können, heißt es, und die auf RBD oder Spikeprotein basieren, hätten mit zunehmender Antikörperavidität eine hohe Sensitivität und lange Nachweiszeit gezeigt. Die Antikörper seien über mehr als 430 Tage nach der Infektion nachweisbar, ohne dass ein Endpunkt absehbar sei. Auch Surrogat-Virusneutralisierungstests, welche die Bindung von RBD (das auch in den bisher zugelassenen Impfstoffen verwendet wird) an die ACE2-Rezeptoren inhibieren, zeigten eine lange Nachweisdauer neutralisierender Antikörper über 430 Tage, heißt es.

Wurden mit dem Testsystem dagegen jeweils nur die Antikörperklassen IgG, IgA und IgM nachgewiesen, hätten sich eine geringere Ausgangssensitivität und im Laufe der Zeit abnehmende Antikörpertiter gezeigt. Jedoch hätten IgG- und IgA-Tests bis 430 Tage nach Symptombeginn eine relativ hohe Sensitivität (Testpositivität) beibehalten. Nukleoprotein-basierte Tests sollen dagegen schon nach 120 Tagen einen Abfall der Antikörperspiegel gezeigt haben. Das habe bei den N-basierten IgG- und IgM-Tests auch zu einem Verlust der Sensitivität geführt. „Es zeigte sich, dass dies mit einer entsprechenden Abnahme der Avidität für das nicht immunogene Nukleoprotein zusammenhing“, erklärt das PEI. Bei Antigentests ist es hingegen von Vorteil, wenn sie das Nukleo-Protein (N-Protein) nachweisen, weil so auch veränderte Varianten bislang noch erkannt werden. 

IgA-Antikörpertests weniger spezifisch

Das eine ist die besprochene Sensitivität der Tests. Je höher die Prozentangabe der Sensitivität, desto mehr Tests zeigen richtige positive Ergebnisse an. Das andere ist die Spezifität: Je höher der Prozentsatz ist, desto mehr Tests werden richtigerweise als negativ angezeigt. In der PEI-Studie zeigten mit >99 Prozent alle außer den IgA-Antikörpertests eine hohe Spezifität. Es soll übrigens keine Kreuzreaktionen mit endemischen humanen Coronaviren gegeben haben. Die IgA-Antikörpertests haben demnach allerdings nur eine Spezifität von 96 Prozent.

IgG, IgA, IgM oder alles zusammen – die besten Antikörpertests

Auch die AMK wies 2020 darauf hin, dass IgM-Antikörper in der Frühphase einer Infektion gebildet werden. Im späteren Verlauf erfolgt ein Klassenwechsel zu IgG-Antikörpern. Zudem haben Längsschnittstudien zur Beurteilung der SARS-CoV-2-Antikörperkinetik ergeben, dass die IgA und IgM-Antikörper zwischen Woche drei und vier nach Beginn der Symptome ihren Höhepunkt erreichen und danach abnehmen, wobei IgA länger anhält als IgM. Außerdem wurde auch dort beobachtet, dass IgG gegen das Nukleokapsid (N)-Protein schneller zerfällt als IgG gegen das Spike-Protein.

Wie es im Fazit der PEI-Studie heißt, boten Tests auf Basis von TAb (Gesamtantikörper) und S/RBD-Antigen die höchste Empfindlichkeit und die längste Nachweisdauer von 14 Monaten, ohne bislang absehbares Ende des Nachweises. In der Studie finden sich auch Tabellen mit den Handelsnamen der untersuchten Tests. Wer sich dort einen Test mit besonders hoher Sensitvität und Spezifität heraussucht, sollte daran denken, dass auch nochmals zwischen einer schweren und einer milden COVID-19-Erkrankung unterschieden werden muss. So zeigen zwar beispielsweise sowohl

  • Wantai SARS-CoV-2 Ab ELISA (Wantai),
  • Advia Centaur COV2T (Siemens) und
  • Elecsys Anti-SARS-CoV-2 (Roche)

nach schwerer COVID-19-Erkrankung (bis zu 430 Tage) nach Symptombeginn eine Sensitivität von 100 Prozent, bei milden Symptomen gilt das jedoch erst ab circa 365 Tagen nach Symptombeginn. 30 Tage nach mildem Symptombeginn wird für diese Tests eine Sensitivität zwischen 76 und 88 Prozent angegeben. Auch die Spezifität dieser drei Tests wird mit fast 100 Prozent angegeben. Alle drei Tests besitzen RBD als Zielantigen und messen TAb (Gesamtantikörper).



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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