Deckungszusage für Grippeschutz reicht meist nicht

Haftpflicht bei COVID-19-Impfungen: Was ist zu beachten?

Stuttgart - 10.12.2021, 15:15 Uhr

 Wenn Apotheken planen COVID-Impfungen anzubieten, sollten sie die bestehenden Versicherungsverträge genau  prüfen. (Foto: made_by_nana / AdobeStock)

 Wenn Apotheken planen COVID-Impfungen anzubieten, sollten sie die bestehenden Versicherungsverträge genau  prüfen. (Foto: made_by_nana / AdobeStock)


Aller Voraussicht nach werden Apotheker:innen in Kürze Impfungen gegen COVID-19 durchführen können. Wie bei jeder neuen Apothekendienstleistung stellt sich auch hier die Frage nach dem Haftpflichtversicherungsschutz. Denn die Deckungszusage für die Grippeschutzimpfung lässt sich laut Versicherungsmakler Steffen Benecke nicht unbedingt auf die neue Situation übertragen.

In Apotheken in Deutschland werden demnächst Impfungen gegen COVID-19 verabreicht werden dürfen. Die Kolleg:innen, die bereits im Rahmen von Modellprojekten gegen Influenza impfen, können theoretisch sofort loslegen, sobald die rechtliche Grundlage für Corona-Impfungen durch Apotheker:innen geschaffen ist. 

Die Deckungszusage des Versicherers aus dem vergangenen Jahr im Zusammenhang mit den Modellprojekten zur Grippeimpfung lasse sich allerdings nicht unbedingt auf diese jetzt anstehenden Aufgaben übertragen, erklärt der auf Apotheken spezialisierte Versicherungsmakler Steffen Benecke auf Nachfrage der DAZ. „Nur mit viel Glück ist diese Deckungszusage so gehalten, dass sie auch gegen die neuen Erreger genutzt werden kann. Häufig werden sich die Vokabeln ‚Grippe‘ oder ‚Pilotprojekt‘ darin wiederfinden, die sich nicht ohne weiteres auf die neue Situation übertragen lassen“, erläutert er. Es empfiehlt sich also, wenn Apotheken planen COVID-19-Impfungen anzubieten, die bestehenden Verträge genau zu prüfen. 

Doch prüfen reicht nicht: Apotheken müssen auf jeden Fall Rücksprache mit ihrem Versicherer halten. Darauf weist Rechtsanwalt Jascha Arif in seinem aktuellen AZ-Beitrag hin. Beginnen Pharmazeut:innen mit den Impfungen, ohne Rücksprache mit dem Versicherer zu halten, könne sich dieser im Schadensfall auf Leistungsfreiheit nach § 26 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) berufen oder eine Sonderkündigung nach § 24 VVG aussprechen. Eine bloße Anzeige reiche nicht, so Arif. 

Valide formulierte Deckungszusage einholen 

Außerdem rät er, auf jeden Fall eine valide formulierte Deckungszusage vom Versicherer einzuholen und diese von einem Experten prüfen zu lassen. Hier könne es auf Feinheiten ankommen, zum Beispiel was die Räumlichkeiten betrifft. So müssen die Grippeimpfungen in den jeweiligen Apothekenräumlichkeiten stattfinden, der neue § 20b IfSG, der die COVID-Impfungen in Apotheken regelt, soll Impfungen auch außerhalb der Apotheke erlauben – etwa in einem mobilen Impfteam. Diese Abweichung sollte man daher auch bei der Formulierung der Deckungszusage mit berücksichtigen, falls Impfungen außerhalb der Apotheke in Betracht kommen, rät der Rechtsanwalt.

Ist mit höheren Beiträgen zu rechnen?

Zu Beginn der Grippeimpfprojekte hatten einige Versicherungen zunächst Zusatzbeiträge gefordert – die Allianz beispielsweise 700 Euro je impfende Person im Jahr. Auch die R+V kam anfangs mit einem Zusatzbeitrag um die Ecke. Diese Vorhaben sind aber schnell zurückgenommen worden.

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Auf die Frage, ob das auch bei COVID-19-Impfungen zu erwarten ist, erklärt Benecke, dass dort die Angst mitschwinge, dass das impfunwillige Klientel nach einer verpflichtenden Impfung versuchen könnte, wegen vermeintlicher Impfschäden Ansprüche bei allen Beteiligten geltend zu machen. Der Hausarzt habe dieses Risiko sicher in gleicher Form zu tragen. Er zahle aber, für einen einzigen Berufsträger 500 bis 1.000 Euro Haftpflichtversicherungsbeitrag im Jahr. Apotheken, auch mit mehreren Approbierten und weiterem pharmazeutisch tätigen Personal, nur zwischen 200 und 300 Euro. Die in den letzten Jahren entstandenen Zusatzrisiken wie Unterhaltsansprüche im Zusammenhang mit der Abgabe der Pille danach, Coronatestungen und eben letztendlich auch Grippeimpfungen haben diesen Versicherungsbeitrag laut Benecke nicht verteuert. „Nun könnte die Wahrheit in der Mitte liegen“, so der Versicherungsmakler.

Haftung bei Impfschäden durch COVID-Impfungen

in § 60 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) heißt es: „Wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die (...) gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (...) vorgenommen wurde, (...) eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.“ 

Das heißt: Impfende müssen bei möglichen Impfschäden keine Sorge vor Haftung haben. Sie können jedoch haftbar gemacht werden, wenn sie ihrer Sorgfaltspflicht bei der Aufklärung und Verabreichung des Impfstoffes nicht nachgekommen sind. 

Laut Benecke sondieren viele Versicherer die Situation aktuell noch, bevor sie sich abschließend äußern möchten, ob sie – mit oder ohne Zusatzbeitrag – Deckungsschutz gewähren wollen. Der Branchenprimus PharmAssec etwa warte noch „die genaue Gesetzgebung“ ab. Diese liegt allerdings seit dem heutigen Freitag vor.

Makler rät von Mehrjahresversicherungsverträgen ab

Außerdem rät Benecke davon ab, Mehrjahresversicherungsverträge abzuschließen. „Niemand weiß, wie der gewählte Versicherer auf neue Risiken reagiert. Dann sollte die Apotheke flexibel bleiben. Häufig werden Mehrjahresverträge abgeschlossen, ohne dass es in den Beratungen thematisiert wird“, begründet er diesen Appell. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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