Pilotprojekt in England

Wiederholungsrezept für die Pille direkt in der Apotheke

Remagen - 11.10.2021, 15:15 Uhr

Im Juli sind in Großbritannien die Handelspräparate Lovima- und Hana-Filmtabletten mit jeweils 75 Mikrogramm Desogestrel als erste hormonelle Kontrazeptiva aus der Rezeptpflicht entlassen worden. (c / Foto: WavebreakMediaMicro / AdobeStock)

Im Juli sind in Großbritannien die Handelspräparate Lovima- und Hana-Filmtabletten mit jeweils 75 Mikrogramm Desogestrel als erste hormonelle Kontrazeptiva aus der Rezeptpflicht entlassen worden. (c / Foto: WavebreakMediaMicro / AdobeStock)


In England gibt es ein neues Serviceangebot in öffentlichen Apotheken, allerdings erst mal nur auf Probe. Im Rahmen eines Pilotprojektes sollen Apotheker Frauen, die bereits auf ein orales Kontrazeptivum eingestellt sind, ohne Rezept weiter mit Anschlussmedikation versorgen können.

Frauen, die für ihre routinemäßige orale Empfängnisverhütung eine Wiederholungsverschreibung brauchen, können sich deswegen in England jetzt direkt an eine öffentliche Apotheke wenden. Ein vorheriger Besuch beim Arzt oder in einer Klinik für sexuelle Gesundheit soll dafür nicht mehr nötig sein. Dies sieht ein einjähriges Pilotprojekt des NHS England vor, das am 30. September gestartet wurde. Durch die Einbindung der öffentlichen Apotheken in das Verhütungsmanagement sollen der Primärversorgungssektor und die Kliniken für sexuelle Gesundheit entlastet werden und die Frauen sollen einen besseren Zugang dazu erhalten. 

18,50 Pfund für die Beratung

An der ersten Phase des Projekts nehmen Apotheken aus sieben Primärversorgungsnetzwerken (PCNs) teil. Sie bekommen für den Service vom öffentlichen Gesundheitsdienst 18,50 Britische Pfund pro Konsultation und 3,50 Pfund pro Lieferung eines Kontrazeptivums. Zur Deckung der Kosten für die Einrichtung des Dienstes gibt es außerdem 685 Pfund als Einmalzahlung. NHS-Vertragsapotheken müssen sich gesondert registrieren lassen, wenn sie den Dienst im Rahmen des Pilotprojekts anbieten wollen.

Wie der Dienst funktioniert

Interessierte Frauen können sich entweder direkt selbst an eine teilnehmende öffentliche Apotheke wenden oder, mit ihrer Zustimmung, von ihrem Hausarzt oder ihrer Klinik für sexuelle Gesundheit dorthin überwiesen werden. Der Apotheker führt dann eine vertrauliche klinische Beratung der Person durch und gibt gegebenenfalls die nächste Lieferung zur Fortsetzung der Kontrazeption heraus. „Menschen, die diese Unterstützung für die Empfängnisverhütung suchen, können sicher sein, dass Apotheker dafür geschult sind, Dienstleistungen zur Empfängnisverhütung zu erbringen“, versichert Thorrun Govind, Vorsitzende des English Pharmacy Board der Royal Pharmaceutical Society. Govind verweist bei dieser Gelegenheit darauf, dass britische Apotheker bereits seit einigen Wochen „Progesteron-only-haltige Mini-Pillen“ ohne Rezept abgeben dürfen. Im Juli waren die Handelspräparate Lovima- und Hana-Filmtabletten mit jeweils 75 Mikrogramm Desogestrel als erste hormonelle Kontrazeptiva in Großbritannien aus der Rezeptpflicht entlassen und in Pharmacy (P) Medicines umgestuft worden.

Die nächsten Ausbaustufen des Verhütungsmanagements in Apotheken

Im Mai 2021 hatte das „Pharmaceutical Journal“ berichtet, dass das Verhütungsmanagement als Serviceleistung öffentlicher Apotheken in England in Betracht gezogen würde. Das einjährige Pilotprojekt, das jetzt mit Option auf Verlängerung gestartet wurde, ist nur die erste Stufe eines größeren Vorhabens. Sollte der Pilot Erfolg haben, wird als nächster Schritt erwogen, öffentliche Apotheker auch mit der Einleitung einer oralen Empfängnisverhütung zu betrauen. In weiteren Stufen könnte das Servicespektrum dann auf die Fortsetzung laufender Behandlungen mit langwirksamen reversiblen Kontrazeptiva (LARCs) wie Implantaten, Vaginalringen, Injektionen oder Pflastern beziehungsweise die Einleitung von LARCs durch einen öffentlichen Apotheker ausgedehnt werden.  

Sorgfältige Evaluierung geplant

Nun müssen die Apotheker aber erst einmal unter Beweis stellen, dass die Stufe 1 funktioniert. Die Ergebnisse sollen anhand von Erfahrungen der Nutzerinnen, sowie des Apothekenpersonals, der Primärversorgung und der Sexualmediziner evaluiert werden. Außerdem soll im Rahmen des Piloten ein Datensatz ermittelt werden, der mit der öffentlichen Apotheke geteilt werden sollte, um den Überweisungsprozess und die Feedbackschleife zu den vom Hausarzt geführten Patientenakten zu unterstützen. 
In Großbritannien sind Verhütungsservices in der Regel ab 16 Jahren frei, und es gibt eine reichhaltige Auswahl von 15 Methoden, die zulasten des NHS in Anspruch genommen werden können. 


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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