Bitkom-Umfrage

Corona erhöht Interesse an digitalen Gesundheitsangeboten

Traunstein - 28.07.2021, 15:20 Uhr

Die Videosprechstunde profitiert zwar von der Pandemie. Dennoch sind viele Patienten und Patientinnen bislang zurückhaltend. (Foto: Михаил Решетников / AdobeStock)

Die Videosprechstunde profitiert zwar von der Pandemie. Dennoch sind viele Patienten und Patientinnen bislang zurückhaltend. (Foto: Михаил Решетников / AdobeStock)


Die Corona-Krise hat den Deutschen vor Augen geführt, welche Bedeutung der Digitalisierung auch im Gesundheitssektor zukommt. So geben in einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom fast 80 Prozent der Befragten an, dass ihnen seit der Corona-Pandemie klar sei, wie wichtig die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist. Bemerkenswert: Dennoch äußerten zum Befragungszeitpunkt im Mai 2021 knapp 40 Prozent, das E-Rezept nicht nutzen zu wollen.

Drei Viertel der Bundesbürger sind der Ansicht, dass sich eine Krise wie die Corona-Pandemie mit digitalen Technologien besser bewältigen lässt. Im Juli 2020 waren es nur 53 Prozent. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Digitalverbands Bitkom, der mehr als 2.000 Mitgliedsunternehmen vertritt. Diese wurde – anders als viele andere Umfragen in diesem Bereich – telefonisch und nicht online durchgeführt, sodass auch Personen erfasst wurden, die nicht Internet-affin sind.

Danach geben fast acht von zehn Bundesbürgern (78 Prozent) an, dass ihnen durch die Ereignisse der vergangenen 18 Monate die Bedeutung der Digitalisierung des Gesundheitswesens klar geworden ist. Zudem sind 70 Prozent (2020: 60 Prozent) der Ansicht, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems zurückhängt, 71 Prozent (2020: 60 Prozent) fordern mehr Tempo beim Ausbau digitaler Medizin. 

Knapp 60 Prozent können sich für das E-Rezept begeistern

Für die Apothekerinnen und Apotheker besonders spannend ist natürlich die Frage, wie die Deutschen zum E-Rezept stehen. Gefragt wurde laut Pressemeldung: „Wollen Sie das E-Rezept nutzen?“ Doch diese Frage würde sich insofern erübrigen, als das E-Rezept zum 1. Januar 2022 verpflichtend eingeführt wird und die Patienten keine Wahl haben zwischen dem rosa Formular und der digitalen Verordnung. Auf Nachfrage teilte Bitkom mit, dass die Frage folgendermaßen formuliert war: „Ab Sommer 2021 wird das E-Rezept eingeführt, über das Patientinnen und Patienten Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente über eine Smartphone-App oder über die ausgehändigten Zugangsdaten bei der gewünschten Apotheke einlösen können. Würden Sie das E-Rezept nutzen?“ Dazu muss angemerkt werden, dass die Umfrage bereits im Mai und damit in einigem Abstand zum „Sommer 2021“ stattfand.

22 Prozent sehen vereinfachte Arzneimittelbestellung als Vorteil

Es ist müßig zu spekulieren, inwieweit die Befragten das Ganze überhaupt verstanden haben – interessant ist, dass immerhin 39 Prozent angeben, das E-Rezept nicht nutzen zu wollen. In der Praxis wird das wohl bedeuten, dass sie sich beim Arzt den Papierausdruck mit den Zugangsdaten mitgeben lassen. 59 Prozent wollen dagegen das E-Rezept nutzen – vermutlich mit ihrem Smartphone. Als Vorteile erhoffen sie sich das automatische Erkennen von Wechselwirkungen (51 Prozent), die Vermeidung von Zettelwirtschaft (44 Prozent), digitale Medikationspläne (30 Prozent) und die automatische Erinnerung an die Medikamenten-Einnahme (25 Prozent). Immerhin 22 Prozent geben die vereinfachte Bestellung von Online-Medikamenten an – was auf den ersten Blick zwar wenig klingt, aber am Ende doch zu einem hohen Versandanteil im Rx-Markt führen würde. 

Aus den Wünschen der E-Rezept-Nutzer leitet Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder in der Pressemeldung folgende Forderung ab: „Die aktuell verfügbare E-Rezept-App der Gematik bietet die von den Menschen gewünschten Funktionen nicht. Es sollten Schnittstellen verfügbar gemacht werden, damit Drittanbieter E-Rezept-Apps mit zusätzlichen Funktionen auf den Markt bringen können.“ In der Tat sind entsprechende Schnittstellen geplant. Die genauen Regelungen dazu sollen in einer Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums erfolgen, welche derzeit noch aussteht.

Videosprechstunden bleiben auf niedrigem Niveau

Erstaunlicherweise ging die Verbreitung der Videosprechstunde in den vergangenen zwölf Monaten eher langsam voran. 14 Prozent der Deutschen ab 16 Jahren haben ein solches digitales Angebot schon einmal genutzt, im Sommer 2020 waren es 13 Prozent und 5 Prozent 2019, heißt es in der Pressemeldung. Dabei haben vor allem die 50- bis 64-Jährigen die Videosprechstunde für sich entdeckt: 22 Prozent aus dieser Altersgruppe haben schon einmal einen digitalen Arztbesuch absolviert – 18 Prozent sind es bei den 16- bis 29-Jährigen und 15 Prozent bei den 30- bis 49-Jährigen. Bei den Älteren findet die Videosprechstunde allerdings kaum Anklang: Von den 65-Jährigen haben lediglich 3 Prozent schon einmal das Angebot genutzt. Hier dürfte die fehlende Affinität zum Internet der entscheidende Faktor sein, der von der Nutzung abhält. Das zeigt sich auch an der gesonderten Auswertung der Umfrageteilnehmer, die das Internet verwenden: 46 Prozent davon können sich die Nutzung der Videosprechstunde künftig vorstellen. 

Diejenigen, die bereits Videosprechstunden genutzt haben, sind weit überwiegend zufrieden: 53 Prozent beurteilen ihre Erfahrung als „eher gut“ und 43 Prozent als „gut“. Fast alle (95 Prozent) sind der Ansicht, das Angebot an Videosprechstunden solle ausgebaut werden und drei Viertel (74 Prozent) beurteilen die Behandlung als ebenso gut wie eine persönliche Behandlung in der Praxis.

Zwei Drittel wollen die elektronische Patientenakte

Groß ist das Interesse an der elektronischen Patientenakte (ePA): Zwei Drittel der Befragten (66 Prozent) wollen sie künftig gern nutzen, zum Zeitpunkt der Befragung im Mai hatten sie allerdings erst 0,2 Prozent in Gebrauch. Ein Fünftel (21 Prozent) hat kein Interesse an der ePA und ein Zehntel (10 Prozent) gibt an, sich bislang noch nicht damit befasst zu haben. Diejenigen, die sich bereits mit der ePA auseinandergesetzt haben, sehen als Vorteil vor allem, dass andere Ärzte Diagnosen etc. einsehen können (74 Prozent), 71 Prozent schätzen, dass sie selbst alle Infos auf einen Blick haben und 64 Prozent finden vorteilhaft, dass Doppeluntersuchungen vermieden werden. Diejenigen, die die ePA nicht nutzen wollen, befürchten vor allem, dass ihre Daten nicht sicher sind (56 Prozent), dass Eingabefehler passieren (52 Prozent) und dass die Beantragung zu aufwendig ist (31 Prozent).

Bitkom fordert hohes Digitalisierungs-Tempo nach der Wahl

Mit Blick auf die Bundestagswahl fordert Bitkom, die Digitalisierung des Gesundheitswesens weiter mit hohem Tempo voranzutreiben. „Die große Koalition hat die jahrelange Stagnation der Digitalisierung im Gesundheitswesen überwunden. Jetzt muss es weitergehen: Wichtig ist, die Akzeptanz bei den Versicherten und den Ärztinnen und Ärzten zu verbessern und die Potenziale für die Patientenversorgung ebenso wie für die Forschung tatsächlich zu realisieren“, so Rohleder. Konkret nennt er unter anderem eine bundesweite einheitliche Vernetzung zur Kontaktnachverfolgung, damit die Gesundheitsämter auf ein globales Phänomen wie die Corona-Pandemie schnell reagieren können, sowie ein zentrales digitales Impfregister, in dem Patientendaten pseudonymisiert hinterlegt sind. Zudem brauche es Anreize für Arztpraxen, ihre Systeme technisch auf den neuesten Stand zu bringen, um elektronische Patientenakte, E-Rezept und andere Bausteine der digitalen Versorgung Patienten anbieten zu können.



Dr. Christine Ahlheim (cha), Chefredakteurin AZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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