Eine Kolumne von #DerApotheker

Gesetz ist Gesetz

06.04.2021, 07:00 Uhr

Das Schönste an der Arbeit sind die Kund:innen und das Schlimmste an der Arbeit sind die Kund:innen, meint #DerApotheker. (Foto: Ivan / stock.adobe.com)

Das Schönste an der Arbeit sind die Kund:innen und das Schlimmste an der Arbeit sind die Kund:innen, meint #DerApotheker. (Foto: Ivan / stock.adobe.com)


Jeder, der mit Kunden arbeitet, weiß, wie das ist. Das Schönste an der Arbeit sind die Kunden und das Schlimmste an der Arbeit sind die Kunden. Manche versüßen einem den Tag und andere sorgen dafür, dass man noch Stunden später angepisst ist und dieses Gefühl sehr wahrscheinlich sogar mit nach Hause nimmt.

Was mich immer ganz besonders nervt, sind Diskussionen. Unnötige Diskussionen mit Kunden, die ein „Nein“ nicht akzeptieren können und der Meinung sind, dass ich irgendwann schon nachgebe, wenn sie mit mir diskutieren und diskutieren und diskutieren.

Wovon ich rede? Zum Beispiel davon, gegen das Gesetz zu verstoßen

Vor ein paar Jahren arbeitete ich in einer Apotheke, die hauptsächlich von Stammkunden besucht wurde. Mit den meisten verstand ich mich auch sehr gut. Auch mit dem älteren Herrn, der regelmäßig zu uns kam. Er war immer gern gesehen. Wir haben zusammen gequatscht und viel gelacht, jahrelang. Eines Tages wollte er dann etwas ohne Rezept haben, da ihm die Tabletten ausgegangen wären. Freitag Nachmittag. Natürlich. Wann sonst?

Ja, die nahm er schon seit vielen Jahren ein und ja, er hätte ganz sicher am Montag ein Rezept nachgereicht. Der ein oder andere würde da sicher ein Auge zudrücken. Ich allerdings nicht. Auch nicht bei Stammkunden. Etwas ohne Rezept abzugeben, geht mir gegen den Strich. Es ist verboten und schafft in manchen Fällen einen Wettbewerbsvorteil. Ich höre nicht gerne von Kunden, dass ich mich nicht so anstellen soll, die bei der Konkurrenz würden auch mal Fünfe gerade sein lassen.

Da er mein „Nein“ nicht akzeptieren wollte, diskutierte der Herr daraufhin minutenlang mit mir und konnte es gar nicht verstehen, dass ich einen langjährigen Kunden so behandeln würde. Ausgerechnet ihn. Ich wiederholte immer und immer wieder, dass das nichts mit ihm zu tun hätte und ich da leider keine Ausnahme machen könnte, da ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel nicht ohne Rezept abgegeben werden dürfte. Nachdem er nach einigen Minuten bemerkte, dass er mich nicht umstimmen konnte, ging er wütend und beschwerte sich an meinem freien Tag bei meiner Chefin. Kurz darauf wurde ich gekündigt. Sicherlich nur ein Zufall.

Hält man sich ans Gesetz, verliert man möglicherweise Kunden, häufig auch noch Stammkunden, die seit Jahrzehnten in „ihre“ Apotheke kommen. Aber rechtfertigt das, dass man möglicherweise seine Approbation verliert? Rechtfertigt das, dass man gegen das Gesetz verstößt? Ich finde nicht.

Warum können Kunden kein „Nein“ akzeptieren?

In einer anderen Apotheke, in der ich arbeitete, war es gang und gäbe, dass die Kunden alle verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept bekamen. Da ich das nicht mitmachen wollte, war meine damalige Chefin der Meinung, man müsse dann eben einen Kompromiss finden. Sowas wie verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Rezept nur an alte Menschen abgeben, die es nicht geschafft haben, zur Ärztin zu gehen. Mein Kompromiss war zu kündigen.

Ein paar Jahre später, logischerweise wieder in einer anderen Apotheke, wollte eine junge Frau eine antibiotische Augensalbe für ihr Kind kaufen. Natürlich verschreibungspflichtig. 15 Minuten diskutierte sie mit mir. Meine Argumente prallten an ihr ab. Sie hörte nicht, was sie nicht hören wollte. Unterlassene Hilfeleistung, nannte sie das. Würde das Auge ihrer Tochter schlimmer werden, wäre ich dafür verantwortlich. Äh, nein. Es war ihre Entscheidung, aus Bequemlichkeit nicht zu einem Arzt oder einer Ärztin zu gehen. Natürlich tat die Tochter mir leid. Aber mal abgesehen von dem rechtlichen Aspekt, wäre eine antibiotische Augensalbe wirklich das richtige für das Auge ihrer Tochter gewesen? Ich weiß es nicht.

Warum können Kunden kein „Nein“ akzeptieren? Selbst dann nicht, wenn man ihnen erklärt, warum man diesen Standpunkt vertritt und, dass man von ihm nicht abweichen kann. Und was ist das überhaupt für eine Unart, jemanden dazu anstiften zu wollen, eine Straftat zu begehen? Wenn ich „Nein“ sage, meine ich „Nein“. Sonst würde ich es nicht sagen.

Ich muss dabei immer unweigerlich an eine Szene aus einem Film denken, den ich irgendwann mal gesehen habe und dessen Namen ich nicht mehr weiß. Ein Kunde wollte irgendetwas von einer Verkäuferin, die hinter einem Verkaufsschalter stand. Aus irgendeinem Grund war das, was er wollte, aber nicht möglich. Der Kunde wurde wütend und wollte daraufhin diskutieren. Die Dame am Schalter ließ ihn links liegen und blickte gelassen den nächsten Kunden an und sagte „Next!“.

Manchmal würde ich das auch gerne ganz genauso machen. Aber in der Realität führt das zu Beschwerden bei der Chefin oder dem Chef und zu schlechten Google-Bewertungen. „Der Apotheker hat mir kein Tilidin geben wollen, nur, weil ich kein Rezept hatte. Da gehe ich nie wieder hin. 0 Sterne.“

Ich verstehe ja, dass der Arzt mal im Urlaub ist, aber meistens besteht immer noch die Möglichkeit auf einem anderen Wege ein Rezept zu erhalten. Es ist ja nicht so, dass wir dabei nicht behilflich wären. Aber selbst wenn es tatsächlich keine andere Möglichkeit gäbe, ändert das ja nichts am Gesetz. Gesetz ist Gesetz. Ob es mir gefällt oder nicht, ich habe mich daran zu halten.

In Liebe,



#DerApotheker
redaktion@daz.online


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19 Kommentare

Gesetzestreue

von Doktor Tee am 06.04.2021 um 15:25 Uhr

Und wie halten es die lieben KollegInnen mit dem Eigenbedarf?

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AW: Gesetzestreue

von Riss am 10.04.2021 um 8:51 Uhr

Auch verschreibungspflichtigen Eigenbedarf gibt es bei uns nur auf Rezept zum Originalpreis wie für jeden Kunden auch!

Vielen Dank!

von Christian am 06.04.2021 um 14:53 Uhr

Endluch redet mal jemand Klartext. Ich dachte schon, ich wäre mit meiner Ablehnung, Rx ohne Rezept abzugeben, allein.
Natürlich tut es mir für manche Kunden leid, wenn ich nicht helfen darf... aber wie schon von manch anderem hier gesagt wurde: meistens gibt es eine Möglichkeit, noch an ein Rezept zu kommen. Ist halt unbequem, Samstags 3 Stunden in der Bereitschaftspraxis rumzusitzen.
Aber es ist und bleibt eine Straftat... wobei ich es begrüßen würde, wenn es eine Regelung wie in der Schweiz gäbe, die hier ja auch schon angesprochen wurde.
Es gibt hier leider auch keinen gesunden Menschenverstand zum Abwägen. Wenn mit dem widerrechtlich abgegebenen Rx-AM was schief geht, ist man einfach voll haftbar und erledigt.

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Man kann als selbstständiger Apotheker die "kriminelle Energie" eines Angestellten fördern...

von Michael Reinhold am 06.04.2021 um 12:27 Uhr

#Der Apotheker hat Recht.
ich kenne das auch. Da sagt man als angestellter Apotheker einem Kunden, dass er das Medikament nicht ohne Rezept erhalten würde und der Kunde wendet sich anschließend an eine PTA, die das Medikament ohne mit der Wimper zu zucken herausgibt.

Mich irritiert stets, welch massive kriminelle Energie ein Teil der angestellten PTAs aufweist bzw. wie leichtfertig manche PTAs Straftaten begehen.

Und dann wundert sich ein Inhaber einer Apotheke, der so ein Verhalten massiv fördert, dass diese kriminelle Energie auch durch den Griff in die Kasse ausgelebt wird.
Bei einem Griff in die Kasse gibt es dann auf einmal ein Riesentrara, obwohl das strafrechtlich und auch moralisch kein Unterschied ist.

Integrität ist eine Charaktereigenschaft, die man entweder hat oder nicht hat.

Das zweite Problem ist die Haftung: Wenn man als Apotheker einem Kunden (frisch vom Krankenhaus entlassen) beispielsweise ein Clexane ohne Rezept und ohne Rücksprache mit dem Arzt herausgibt und der Kunde nimmt beispielsweise daheim sein Marcumar wieder ein, wird der Schaden durch keine Haftpflichtversicherung beglichen - es handelte sich ja um eine Straftat. Da haftet man dann als angestellter Apotheker bzw. PTA hübsch mit seinem Privatvermögen. Ich denke, dass sich viele Angestellten dieser Tatsache nicht bewusst sind.

Unabhängig davon plädiere ich dafür, dass sich die Apotheker dafür einsetzen sollten, dass sie bei einer Dauerversorgung den Patienten übers Wochenende weiter versorgen dürfen.
In der Schweiz ist das so geregelt: Kleinste Packungsgröße, Abgabe nur durch den Apotheker mit nachfolgender Dokumentation, welche durch die überwachende Behörde auch kontrolliert wird.
Man sollte diesen Fall gesetzlich regeln und dann ist man dann auch auf der sicheren Seite.

Aber bis dahin: Keine Abgabe von Rx ohne Rezept. Ich mache die Regeln nicht, ich befolge sie aber. Man kann und darf Gesetze nicht ignorieren, bloß weil sie einem gerade nicht passen.

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AW: Man kann als selbstständiger Apotheker

von Thomas am 06.04.2021 um 16:34 Uhr

Ich möchte an dieser Stelle einmal hinterfragen, in was für Apotheken die PTA bitte den Weisungen ihrer Arbeitgeber nicht nachkommen und deren Autorität untergraben, indem sie "einfach abgeben", so wie Sie es schildern. Ich selbst bin PTA, habe stets den Weisungen meiner Vorgesetzten (Apothekern) folge geleistet und ganz bestimmt nichts getan, wovon ich wusste, dass meine Cheffin es nicht gutheißt. Ganz im Gegenteil, wenn ich wusste, ich darf das nicht, weil ich nur PTA bin, habe ich mich explizit an die Cheffin oder die Stellv. gewendet, weil ich nicht haften will.

Ich finde es ein kleines bisschen frech, wenn Sie es von einem Berufsstand abhängig machen, ob jemand kriminelle Energie hat oder nicht - in der Tat kenne ich eher Apotheker*innen die öfter mal "ein Auge zugedrückt" haben. Für mich hat das mit mangelnder Führungsqualität zu tun, wenn die PTA offenbar einfach abgeben wie sie wollen.

AW: Man kann als selbstständiger Apotheker

von Michael Reinhold am 06.04.2021 um 17:14 Uhr

An Thomas:
Ich habe vor den meisten PTAs durchaus sehr viel Respekt.

Aber als angestellter Apotheker hat man nur die fachliche Führung. Ich kann also einer PTA bspw. anordnen, wie sie eine Rezeptur herstellen soll.

Die disziplinarische Führung liegt alleine beim Inhaber der Apotheke bzw. beim Filialleiter. Als angestellter Apotheker habe ich kein Werkzeug in der Hand, um eine PTA für ein Fehlverhalten zu sanktionieren (wie Streichung eines potentiellen Bonuses, eine Abmahnung oder eine Kündigung). Ich bin diesbezüglich einer PTA nicht weisungsbefugt.

Wenn eine PTA während ihrer Arbeit Straftaten begeht (wie Abgabe eines Rx-Medikaments ohne Rezept) ist mir das als Angestellter erst mal egal. Ich hafte dafür ja nicht. Es haften hier alleine die abgebende PTA und der Inhaber. Man nennt das Organisationsversagen - er hat also seinen Betrieb nicht so strukturiert, dass die PTAs definitiv kein Rx ohne Rezept abgeben.

Sie haben aber durchaus Recht: Ich kenne das auch von einigen ehemaligen Apotheker-Kolleg:innen. Hach, den Mädels schmilzt manchmal das Herz weg, weil die arme Oma Müller jetzt mal zwei Tage ohne ihr Ramipril ist oder weil der Wauwau jetzt doch dringend die Antibiotikaaugensalbe braucht. Und der Bereitschaftsarzt ist ja soooo weit weg (3 Kilometer). Lieber begehen diese dann eine Straftat anstatt sich einfach an das Gesetz zu halten.

Oder anders: Der Post von mir war definitiv nicht gegen PTAs gemünzt, sondern gegen die Praxis von einigen Kollegen, Rx ohne Rezept abzugeben.

AW: Man kann als selbstständiger Apotheker

von F.T. am 07.04.2021 um 12:44 Uhr

Lieber Herr Reinhold,

ist Ihre Einschätzung der Gesetzeslage nicht falsch?
Wenn die Leitung nicht anwesend ist, arbeitet ein/e PTA doch trotzdem unter Aufsicht. Und zwar unter der Aufsicht der dann anwesenden Apotheker:innen.

Es würde mich überraschen wenn diese Apotheker:innen dann nicht zur Verantwortung gezogen werden könnten, weil die Leitung in deren Augen ein Organisationsproblem hat. Ein/e PTA muss den Weisungen der Anwesenden Apotheker:innen mMn zwingend folgen.

Augenmaß

von Dr. House am 06.04.2021 um 10:41 Uhr

Naja, wenn wir schon am plaudern sind... Also meine persönlich letzte Bastion ist die Rezeptpflicht. Klar hätte ich gerne mal den vom Herrn Dr. Schabik angesprochenen Salbutamol Fall, oder vielleicht auch den epipen bei ner akuten Wespenstichanaphylaxie. Kam mir bisher aber noch nie vor. Die Kunden, die schlauchen wollen sind meist altbekannt und es geht um medis, die zummindest nicht in den nächsten Stunden überlebenswichtig sind. Da bin ich noch streng. Wenn wir aber allgemein von Strafrecht reden,muss ich viele anderen Apotheker vermutlich aber sehr leise sein. Die Kunst ist, sich das regelmäßig bewusst zu machen, den manche Kollegen merken es nicht mal. Gerade die aktuell wieder unmöglichen Retaxationen der Krankenkasse ließen mich schon häufig mal das aut idem feld "bearbeiten". Klassiker: Medi mit aut idem nicht lieferbar, Patient will warten, Rezept muss in die Abrechnung. Zack und schon hat man eine Urkundenfälschung begangen und damit eine Straftat. Ich habe noch keine Apotheke erlebt, wo es nicht so läuft. Ich hatte teilweise schon Pharmazieräte, die vor meinen Augen einen fehlenden "Kringel" auf dem Arztstempel ergänzten und es dann freudig den kurzen DIenstweg nannten. Und ganz ehrlich ich find nicht mehr schlimm. Shifting baseline. Früher, als ich noch wegen fehlender Unterschriften extra 50km ins Uniklinikum gefahren bin sind vorbei. Zytos panschen und krumme deals sind das eine, aber den Hampelman für ein völlig verbürokratisiertes System spielen ist das andere. Solange man mit gesundem Menschenverstand und Augenmaß die Gesundheit des Patienten im Auge behält, kann man schonmal ein bisschen rebelisch sein. Immerhin haben wir in Deutschland rechtsfreie Räume die gigantisch sind und wo Menschen echter Schaden entsteht. Juckt scheinbar auch keinen.

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AW: Augenmaß

von Michael Reinhold am 06.04.2021 um 15:57 Uhr

Also, in der Apotheke meiner Chefin läuft das anders. Fehlt die Arztunterschrift, wird ein neues Rezept angefordert --> der Arzt soll das zusenden. Wird ein "aut idem" in Absprache mit dem Arzt nicht beachtet, bekommt das Rezept der Arzt zurück, um das gegen zu zeichnen.
Das geht, wenn man will.

Das mit der von Ihnen genannten "Shifting Baseline" ist übrigens das Problem:
- Zunächst fängt man an, der alten Oma die Wochenendration ihres Blutdrucksenkers mitzugeben.
- Dann gibt es die Pille halt mal ohne Rezept (Frauenarzt ist doch unnötig)
- Dann folgt Sildenafil ohne Rezept.
- Dann gibt man dem Bürger mit Migrationshintergrund die Medikamente für die Verwandtschaft beim Heimatbesuch ohne Rezept mit.
- Dann folgen Benzodiazepine ohne Rezept.
- Anschließend Tildin und Tramadol ohne Rezept.

Wenn man an diesem Punk angelangt ist, kann man es vor sich selbst auch moralisch rechtfertigen, dass man auch Testosteron und Cortikoide an Bodybuilder ohne Rezept abgibt.

Das ist ein schleichender Prozess (Ihre Shifting Baseline). Irgendwo dazwischen rechtfertigt man es sich auch, dass die PKA im Handverkauf mitbedient, man eine schwangere Mitarbeiterin dennoch in die Rezeptur schickt und man die eigenen Mitarbeiter bei der Abrechnung betrügt (Stichwort: "Das Weihnachtsgeld gibt es in diesem Jahr als Corona-Bonus - steuerfrei und sozialabgabenfrei", natürlich fehlen die Renteneinzahlungen).

Und irgendwann ist man soweit, dass man es vor sich selbst auch rechtfertigen kann, an Zytostatikapatienten unwirksame Kochsalzlösungen abzugeben, wie das in Bottrop passiert ist. Hey, mein damaliger Chef fand das Verhalten des Bottroper Apothekers völlig okay ("Da merken die Kunden wenigstens, dass wir selbstständigen Apotheker schlecht vergütet werden")

Bei den Sachen, die ich oben geschrieben habe: Wo ist die Grenze?

Und ehrlich: Bei dem Dieb, der einem die teure Kosmetik aus der Freiwahl stiehlt, hat das genauso angefangen. Der rechtfertigt sich selbst den Diebstahl auch moralisch damit, dass er halt kein Geld habe und man sich nehmen dürfe, was einem nicht gehört.

Problem der Chefs?

von Stefan Haydn am 06.04.2021 um 10:12 Uhr

Ich verstehe ehrlich gesagt die Chefs, egal ob m/w oder d nicht.
Wenn der Mitarbeiter dies in Abwesenheit so gehandhabt hat ist dies völlig korrekt. Schließlich muß er den Kopf dafür hinhalten.
Wenn die Apothekenleitung dies anders handhaben möchte, dann soll sie dies selbst tun und verantworten.
Da fällt man dem Mitarbeiter nicht in den Rücken!

Meine Angestellten tun auch alles Mögliche um solche Situationen für den Patienten zu entschärfen, aber wenn kein Arzt erreichbar ist bleibt eben nur der Notdienst.

Letztlich ist es doch auch nur ein unverschämtes Abschieben der eigenen Verantwortung von Seiten des Patienten. Den Schuh ziehe ich mir aber eben nicht an.
Vielleicht benötigt man da manchmal auch den Lerneffekt, da die Sache sonst gerne regelmäßig in Anspruch genommen werden könnte.
Was einmal möglich war geht doch sicher auch ein zweites oder drittes Mal.

Selbst wenn solche Fragen mit Hausärzten im Vorfeld abgeklärt wurden bleibt es immer noch eine strafbare Handlung ein Medikament ohne Verschreibung abzugeben.
Der Gesetzgeber kennt da auch im Notfall nicht wirklich eine Ausnahme.

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Notlage

von Ralf Schabik am 06.04.2021 um 9:28 Uhr

Hallo, Herr Hahn, danke für Ihre Antwort ;-)
Frage eins: Was soll er schreiben ? Ehrliche Antwort: Gar nix. Viele Themen in der heutigen Zeit werden zerredet, statt angepackt zu werden. Ein bisschen weniger Info-Overflow wäre mitunter kein Schaden.

Aber zur Sache selber: Ich sehe das Thema "Stammkunden kommen zurück" nachrangig, sehe in erster Linie den Kundenwunsch als Risikoabwägung.
Wer entscheidet, wie dringend die Notlage ist ? ICH - manchmal auch in telefonischer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt.
Sind wir nicht Heilberufler geworden, eben UM auch solche Entscheidungen zu treffen ? Für die antibiotische Augensalbe fällt mir keine Rechtfertigung ein, hier am Arzt vorbei das Präparat abzugeben.
Aber wenn mir der schnaufende Patient im Notdienst eine leere Salbu-Spray-Packung vor die Nase hält und ich weiß, dass der örtliche Rettungswagen gerade zum Einsatz in den Nachbarlandkreis unterwegs ist, dann wird die Luft sehr dünn, die Abgabe zu verweigern. Der 323c ist eine scharfe Waffe der Hinterbliebenen !

Sie schreiben - völlig richtig -, dass Gesetze eben NICHT nach persönlichem Ermessen gelten sollen. Wie erklären wir es uns dann, dass auf Basis ein und desselben Gesetzes Menschen vor Gericht in den verschiedenen Instanzen teilweise Urteile bekommen, die sich komplett widersprechen ?

Bitte nicht falsch verstehen: Ich stelle die Rezeptpflicht nicht in Frage, akzeptiere die Therapiehoheit des Arztes und bin sehr froh und dankbar, dass wir in unserer Apotheke seit 25 Jahren nur handverlesene Diskussionen "die anderen machen aber" hatten (und dann oft so, wie Sie schon anmerken "Scheinargument"). Das läuft bei uns in der Stadt / im Landkreis sehr, sehr einvernehmlich korrekt. Kenne ich aus Vertretungsapotheken "früher" auch anders und bin wirklich glücklich, dass wir die "Front" nicht haben.

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AW: Notlage

von Sabine Schneider am 06.04.2021 um 9:52 Uhr

Am besten nix !! Die einzig richtige Antwort .

AW: Notlage

von Thomas Wochinger am 06.04.2021 um 12:36 Uhr

Salbutamol ohne Rezept ist mutig. Vor 35 Jahren im Unterrichtsteil meines praktischen Jahres warnte uns
Ministerialdirektor Kirmayr mit einem Vorfall. Da hatte ein Apotheker nach längerer Gegenwehr dem drängenden Sohn
einer bekannten Asthmatikerin einen Sultanolspray gegeben. Die Mutter hatte aber keinen Asthmaanfall sondern einen Herzinfarkt und verstarb. Der gleiche Sohn hat ihn dann vor Gericht gebracht mit dem Hinweis, er hätte ihm den Spray nicht geben dürfen, egal wie unverschämt er das gefordert hat . Mit Glück keine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung.

Wir können auch bei Notlagen nur bei Abgabe ohne Rezept
verurteilt werden, nicht andersherum, selbst bei akuten Notfällen in der Apotheke!

AW: Notlage

von Dr. Stephan Hahn am 07.04.2021 um 8:40 Uhr

Guten Morgen Herr Schabik,

ich halte den Ursprungstext auch für ziemlich überflüssig, da die Regeln dafür klar formuliert sind. Ich bin hundertprozentig Ihrer Auffassung, dass es uns als Heilberuflern zusteht, eine Notlage als solche im Rahmen unserer beruflichen Qualifikation zu beurteilen. Die von mir formulierte Frage war rhetorisch gemeint. Entscheidend ist nach der Beurteilung der Notlage aber die daraus folgende Handlung des pharmazeutischen Personals, die eben gesetzteskonform zu sein hat. BGB § 323 gilt als höherrangiges Rechtsgut und es bedarf einer sorgfältigen Abwägung, ob man diese Regelung als Rechtfertigung für einen Rechtsbruch heranzieht oder nicht. Diese Verantwortung unterliegt aber jeder Mitbürger unabhängig von seiner beruflichen Qualifikation. Eine solche Diskussion haben Sie auch in der Ersten Hilfe, wenn es um Herz-Lungen-Wiederbelebung geht und man zur Rettung eines Lebens Rippenbrüche in Kauf nehmen muss, selbst wenn die HLW von Laien oder fachgerecht durchgeführt wurde.

Gesetz ist Gesetz

von Conny am 06.04.2021 um 9:03 Uhr

Der ältere Stammkunde und die Frau mit der Augensalbe für das Kind wären in meiner Apotheke zweierlei Schuhe. Hätte ich Sie gerne als Arbeitnehmer ? Schwierig.

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AW: Gesetz ist Gesetz

von Chrissi am 06.04.2021 um 9:19 Uhr

Ich kann Ihnen nur beipflichten. Wenn man den Kunden dann erklärt, dass man hierfür nicht nur seinen Job los ist, sondern auch eine (Gefängnis-)Strafe kassiert, kommen dann so „witzige“ Kommentare wie „dann komm ich Sie im Knast besuchen“ ....

Thema Blutdrucktablette, sagen wir Donnerstag 16.00:
Aber mein Arzt hat Urlaub! - Waren Sie schon beim Vertretungsarzt? - Nö

Wer bei mir samstags mit rot entzündetem Auge steht, den schicke ich dann zur Bereitschaftspraxis.

Wenn ich eine Möglichkeit habe, den Patienten ordnungsgemäß zu versorgen, nutze ich das! Bequemlichkeit unterstütze ich nicht.

AW: Gesetz ist Gesetz

von Michael Reinhold am 06.04.2021 um 12:55 Uhr

Conny, die Sache ist die: Hätte #Der Apotheker Sie (Conny) gerne als Arbeitgeber? Ich denke nicht. Und ich denke, dass ich Sie ebenfalls nicht als Arbeitgeber haben möchte.

Nehmen Sie das nicht persönlich. Aber wer Rx ohne Rezept abgibt, der dreht auch bei anderen Sachen krumme Dinger.

Es gibt Menschen, denen der Wert "Integrität" sehr wichtig ist. Und es gibt Menschen, denen dieser Wert wenig bedeutet.

Nehmen wir als Beispiel unsere Kommunikation vor einem halben Jahr. Ich hatte Sie damals im Forum auf der DAZ sachlich kritisiert - es ging um den Coronabonus. Sie hatten mir gewäußert, dass Sie jemanden wie mich sofort kündigen würden - jetzt, gleich per SMS.

Will ich als Angestellter für jemanden arbeiten, der mich wegen einer kritischen Äußerung kündigt - noch dazu per SMS? Ich denke nicht.

Sie haben ja auch geäußert, dass Sie diese zwei Euro bei den Masken erlassen haben und darauf auch noch stolz sind.

Will ich als Apotheker für jemanden arbeiten, der sich solcher Methoden bedient? Ich denke: Nein.

Und will ich als Arbeitnehmer für einen Chef arbeiten, der mich dazu zwingt, Straftaten zu begehen? Die Begehung von Straftaten ist völlig gegen meine Natur und gegen mein Wesen. Für so jemanden will ich nicht arbeiten.

Personen wie #Der Apotheker und meine Person arbeiten nicht lange in Apotheken wie der Ihren. Wir suchen uns vernünftige Apotheken. Ich denke, dass Sie mit solchen Äußerungen die Kräfte bekommen und halten, die Straftaten halt etwas "lockerer" sehen. Wundern Sie sich bei solchen Leuten dann aber nicht über ihre Fehlbestände bei der Inventur bzw. bei Fehlbeständen in der Kasse.

Gesetzestreue

von Ralf Schabik am 06.04.2021 um 8:24 Uhr

"Gesetz ist Gesetz. Ob es mir gefällt oder nicht, ich habe mich daran zu halten." Auf den ersten Blick natürlich richtig. Aber diese starre Haltung lässt außer Acht, dass Gesetze häufig schlampig formuliert sind und in der Praxis zu unbilligen Härten führen. Sonst gäbe es ja nicht so unendlich viele Prozesse, bei denen die erste Instanz "hü" und die zweite "hott" sagt. Oder dass sich Rahmenbedingungen geändert haben (schreibt er ja selber "meistens besteht ..." - aber eben nicht mehr immer). Und genau hier muss das einsetzen, was man "gesunden Menschenverstand" nennt. Viele Leute lernen das aber erst, wenn sie selber mal in einer Situation waren, in der jemand gegenüber nicht stur auf "das Gesetz" verwiesen hat.

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AW: Gesetzestreue

von Dr. Stephan Hahn am 06.04.2021 um 8:35 Uhr

Guten Morgen Herr Schabik,

was soll der Autor denn anderes schreiben? Zum einen würde er sich der Unzuverlässigkeit verdächtig machen. Zum anderen sollen Gesetze ja gerade nicht nach persönlichem Ermessen gelten. Und wer entscheidet am Ende, wie dringend eine Notlage wirklich ist? Egal, wie es auskommt, selbst auf diese Weise verprellte Stammkunden kommen mit der Zeit wieder zurück, denn das Argument, die Kollegen in der anderen Apotheke würde schon mal ein Auge zudrücken, hat sich oft genug als Scheinargument entpuppt.

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