Debatte im Bundestag

Linke und Grüne fordern neue Regeln für Wirtschaftsprüfung

Süsel - 27.11.2020, 12:15 Uhr

Am heutigen Freitagnachmittag berät der Bundestag auf Initiative von Linken und Grünen über eine Reform der Wirtschaftsprüfung. Ziel ist es, Finanzskandale wie den um Wirecard künftig zu verhindern. (Foto: imago images / imagebroker/begsteiger)

Am heutigen Freitagnachmittag berät der Bundestag auf Initiative von Linken und Grünen über eine Reform der Wirtschaftsprüfung. Ziel ist es, Finanzskandale wie den um Wirecard künftig zu verhindern. (Foto: imago images / imagebroker/begsteiger)


Noch ist offen, welche Lehren der Gesetzgeber aus der AvP-Insolvenz ziehen wird. Beim Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard ist die Politik schon ein kleines Stück weiter. Die Linken und die Grünen haben Forderungen für mögliche grundlegende Änderungen bei der Wirtschaftsprüfung erarbeitet. Die Anträge stehen heute auf der Tagesordnung des Bundestags.

Am heutigen Freitagnachmittag berät der Bundestag über die Reform der Wirtschaftsprüfung. Dabei geht es um jeweils ein Antrag der Linken und der Grünen. Diese werden voraussichtlich in Ausschüsse überwiesen. Da beide Anträge von Oppositionsparteien stammen, sind keine baldigen Rechtsänderungen zu erwarten. Interessant ist jedoch die Aufmerksamkeit für das Thema. Möglicherweise wird hier eine langfristige Entwicklung zu neuen Regeln angestoßen.

Auslöser war der Skandal um fehlende Milliarden beim Zahlungsdienstleister Wirecard. Für Apotheker drängt sich allerdings die Parallele zur AvP-Insolvenz auf. In beiden Fällen steht die Frage im Raum, wie Wirtschaftsprüfer das Fehlen von Geldern übersehen konnten. In den Anträgen im Bundestag geht es nun darum, wie die Regeln für die Wirtschaftsprüfung künftig so verändert werden können, dass Bilanzmanipulationen frühzeitig aufgedeckt werden.

Linke: Umlagefinanzierte Prüfung

Die Fraktion der Linken im Bundestag möchte mit einer umfassenden Neuordnung der Wirtschaftsprüfungen insbesondere die Interessenkonflikte reduzieren. Unternehmen sollen ihre Prüfer nicht mehr selbst benennen und bezahlen. Stattdessen sollen sie eine von der Unternehmensgröße abhängige Umlage in einen Fonds zahlen, aus dem die Prüfer finanziert würden. Diese Finanzierung erinnert etwas an den Gesundheitsfonds zur Finanzierung der Krankenkassen und den Nacht- und Notdienstfonds der Apotheken.

Gemäß dem Vorschlag der Linken sollen die Prüfer nach dem Zufallsprinzip für jeweils fünf Jahre ausgewählt und von einer unabhängigen Behörde beauftragt werden. Die Prüfung soll zudem strikt von der Beratung getrennt werden. Denn die Beratung ist für die Beratungsunternehmen eine wichtige Einnahmequelle und sie müssten als Wirtschaftsprüfer das Ergebnis der eigenen Steuerberatung prüfen. Zur Begründung verweisen die Linken darauf, dass die Wirecard-Bilanzen von den Wirtschaftsprüfern über Jahre hinweg testiert wurden, obwohl nun davon auszugehen sei, dass etwa ein Drittel der angeblichen Bilanzsumme nicht nachweisbar sei.

Grüne: Aufdeckung von Bilanzbetrug als Prüfungsziel

Auch die Fraktion der Grünen möchte mit ihrem Antrag erreichen, dass Wirtschaftsprüfer Fälle von Bilanzbetrug schnell aufdecken. Dies soll als Ziel der Prüfungen ausdrücklich im Gesetz verankert werden. Um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, soll die Pflicht zur Rotation der Prüfungsgesellschaften bei Unternehmen von öffentlichem Interesse auf mindestens sechs Jahre verkürzt werden.

Wie die Linken fordern auch die Grünen eine klare Trennung zwischen der Arbeit der Abschlussprüfer und der Berater, um Interessenkonflikte auszuschließen. Anstelle der gegenwärtigen Quersubventionierung der Prüfung durch Beratungsleistungen sollen Mindesthonorare oder Mindestprüfungsstunden festgelegt werden. Außerdem findet sich im Antrag der Grünen ein ähnlicher Ansatz, wie ihn die Linken mit der umlagefinanzierten Beauftragung durch eine Behörde verfolgen. Die Grünen möchten Abschlussprüferkonsortien öffentlich ausschreiben, um mittelfristig einen Pool zu schaffen, der geeignete Prüfer vermittelt. Die Prüfungsleistung soll dann aus den Einzahlungen der zu prüfenden Unternehmen nach einer Gebührenordnung finanziert werden.

Warum so geringe Haftung?

Außerdem bemängeln die Grünen, dass die Haftungsobergrenzen für Abschlussprüfer viel zu niedrig seien. Diese müssten erhöht werden. Das bisherige Haftungsprivileg für Abschlussprüfer sei im internationalen Vergleich und gegenüber anderen Berufen unverhältnismäßig, heißt es im Antrag der Grünen. Abhängig vom zu prüfenden Unternehmen ist die Haftung der Abschlussprüfer derzeit auf 1 beziehungsweise 4 Millionen Euro begrenzt.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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