BaFin und AvP-Insolvenz

Rufe nach politischen Konsequenzen werden lauter

Stuttgart - 10.11.2020, 16:45 Uhr

Laut dem FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach der Wirecard-Pleite nun „mit der AVP den nächsten Skandal am Hals“. (Foto: imago images / Hannelore Förster)

Laut dem FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach der Wirecard-Pleite nun „mit der AVP den nächsten Skandal am Hals“. (Foto: imago images / Hannelore Förster)


Die Rolle der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin im Zusammenhang mit der Pleite des Apothekenrechenzentrums AvP sorgt nach wie vor für Diskussionen im politischen Berlin. Die Opposition wirft der Bundesregierung Versagen vor – vor allem hinsichtlich des vorausgegangenen Wirecard-Skandals. Frank Schäffler von der FDP-Fraktion und Mitglied im Finanzausschuss des Bundestags fordert nun politische Konsequenzen vom Bundesfinanzminister und BaFin-Präsidenten: „Herr Scholz und Herr Hufeld müssen sich fragen, ob sie ihren Laden noch im Griff haben.“

Das Insolvenzverfahren beim Apothekenrechenzentrum AvP läuft seit Anfang November. Die betroffenen Apotheken und sonstigen Leistungserbringer müssen ihre Forderungen anmelden und können gleichzeitig ihre Aussonderungsrechte beanspruchen. Dazu schreibt Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos die rund 5.000 Gläubiger an und unterbreitet ihnen Vorschlagswerte, die sich aus den Daten bei AvP ergeben haben. Bis zum 24. November 2020 müssen die unterzeichneten und ggf. korrigierten sowie mit Anlagen versehenen Formulare dann an Hoos wieder zurückgesendet werden.

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Doch viele AvP-geschädigte Apothekeninhaber akzeptieren nicht, dass sie wie gewöhnliche Gläubiger in einem Insolvenzverfahren behandelt werden. Sie sehen die Verantwortung beim Staat, da es um Gelder aus der Solidargemeinschaft geht und die Apotheken das Ausfallrisiko eines Rechenzentrums nicht alleine schultern müssen. Neben politischen Konsequenzen erwarten die Betroffenen daher vor allem staatliche Finanzhilfen. Die von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) würden in den Betrieben für weitere finanzielle Belastungen sorgen und ließen sich zum Teil nur unter erschwerten Bedingungen abrufen, wie auch DAZ.online jüngst berichtete.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, Mitglied des Finanzausschusses, hat sich mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung gewandt, um weitere Details zur Rolle der Bankenaufsicht BaFin im AvP-Fall zu erfahren. In ihrer Antwort an den Ausschuss stellt die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium Sarah Ryglewski (SPD) einige grundlegende Zuständigkeiten klar: So müsse der Insolvenzverwalter „alle möglichen Maßnahmen zugunsten der Insolvenzmasse“ prüfen. Vorausgegangen war die Frage Schäfflers, ob es realistisch sei, das Gelder von den Krankenkassen zugunsten der Insolvenzmasse zurückgefordert werden könnten. Wie aus dem Gutachten von AvP-Insolvenzverwalter Hoos hervorgeht, das DAZ.online vorliegt, wird angenommen, dass AvP mindestens seit dem Jahr 2013 Rabattverfallansprüche gegenüber den Krankenkassen zustehen.

Apotheken müssen kein Rechenzentrum zwischenschalten

Darüber hinaus wollte der FDP-Politiker wissen, ob Apotheken zwingend Abrechnungsstellen einschalten müssen. Ryglewski schreibt dazu, dass es keine gesetzlichen Vorgaben gebe, die Apotheken verpflichtet, Dienste einer Abrechnungsstelle in Anspruch zu nehmen. Vertreter der Großen Koalition begründen auf Nachfrage genau mit diesem Umstand, dass die Bundesregierung neben den KfW-Krediten keine weiteren Finanzhilfen in die Wege leiten müsse.

Aus dem heute Morgen bekannt gewordenen Gutachten von Insolvenzverwalter Hoos geht außerdem hervor, dass die Relation aus Verbindlichkeiten zu Vermögenswerten eine beachtliche Insolvenzquote hervorbringen könnte. Doch dieser rein rechnerische Ansatz ist mit großen Unwägbarkeiten verbunden. Schäffler erklärt dazu: „Es ist völlig offen, wie hoch die Insolvenzquote sein wird und wann die geschädigten Apotheken an ihr Geld kommen.“ Umso mehr muss seiner Ansicht nach jetzt das Aufsichtsverhalten der BaFin untersucht werden. „Wenn, wie bei Wirecard auch, nach dem Motto verfahren wurde, ‚nichts sehen, nichts hören und nichts sagen‘, dann muss dies politische Konsequenzen haben.“ Konkret an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und den Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Felix Hufeld gerichtet sagt er: „Nach der Wirecard-Pleite hat die BaFin mit AvP den nächste Skandal am Hals. Herr Scholz und Herr Hufeld müssen sich fragen, ob sie Ihren Laden noch im Griff haben.“


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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2 Kommentare

Selbständige Kaufleute aufgepasst

von Arnold Fehse am 02.12.2020 um 10:50 Uhr

Viele Apotheker sind selbständige Kaufleute. Das heißt, sie haben ihr Schicksal selbst in die Hand genommen. Die Entscheidung, dass ihr Geld auf Konten eines Pleiteunternehmnens geht hat nicht der Staat getroffen. Diese kaufmännische Fehlentscheidung haben die Apotheker selbst getroffen. Und nun haben sie den Salat.

Wenn nun manche meinen, dass sie Jahrzehnte lang von quasi staatlichen Leistungen den Rahm abschöpfen können, aber für eigene kaufmännische Fehlentschei-dungen nicht einstehen müssen, dann irren sie sich. Es ist Zeit für eine neue kaufmännische Fehlerkultur der selbständigen Apotheker.

Angesichts des bevorstehenden schwierigen Jahres 2021 sollte jeder Apotheker folgendes machen:

1) Prüfe, ob Deine Bank in Krisenzeiten standhält
2) Gib Dein Geld nicht einer Bank, sondern verteile es auf mehrere
3) Pack Dein Geld niemals auf das Konto der Abrechnungsfirma ! Niemals ! Niemals ! Niemals !

Sonst ist das Geld weg. Und das ist dann D E I N E kaufmännische Fehlentscheidung.

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Herr Scholz...

von Dr.Diefenbach am 10.11.2020 um 18:42 Uhr

..hat seinen "Laden" schon lange nicht mehr im Griff.Angefangen bei der "Sache Hamburg "in besagter Bankaffäre über die Wirecard-Geschichte mit ungeahnten Auswüchsen ist die Schlamperei in der AvP Angelegenheit und der dümmlichen Hin-und Herweisung der Zuständigkeit ein weiteres Highlight für einen Kanzlerkandidaten, der allerdings sehr markig auftritt wenn es um Kassenzettel geht,Stimmt,da ist ja gewaltig was zu holen.Für die Staatskasse.Und für das Image..

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