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Studie: Antidepressivum gegen Corona
Hilft Fluvoxamin bei COVID-19?
In den USA starten Forscher der Washington University School of Medicine eine klinische Studie mit Fluvoxamin. Jedoch wird das SSRI nicht als Antidepressivum untersucht, sondern als mögliche Behandlung eines durch COVID-19 ausgelösten Zytokinsturms. In Mäusen war Fluvoxamin bereits erfolgreich. Doch wie könnte ein Selektiver Serotonin-Reuptake-Inhibitor einen Zytokinsturm bremsen?
Hilft Fluvoxamin bei COVID-19? Dieser Frage gehen Forscher der Washington University School of Medicine nach. Der Selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitor (SSRI) ist bereits seit Jahren zugelassen (Fevarin® 1996) und wird als Antidepressivum in Stärken von 50 mg und 100 mg zur Behandlung von depressiven Erkrankungen (Episoden einer Major Depression) und Zwangsstörungen (Obsessive Compulsive Disorder, OCD) eingesetzt. Off-Label findet Fluvoxamin unter anderem Anwendung bei posttraumatischer Belastungsstörung, sozialer Phobie, Panikstörungen oder auch dem Reizdarmsysndrom.
Fluvoxamin auf Abwegen
Nun geht der SSRI „fremd“ und soll mit COVID-19-Patienten geprüft werden. Das berichtet das Datenanalyse- und Beratungsunternehmen Global Data. Forscher der University of Virginia (UVA) School of Medicine fanden jüngst heraus, dass Fluvoxamin eine Sepsis verhindern und die Bildung von Zytokinen in Mäusen reduzieren könnte. Die Wissenschaftler Dr. Alban Gaultier und Dr. Dorian A. Rosen veröffentlichten ihre Ergebnisse im Februar 2019 in Science Translational Medicine: „Modulation of the sigma-1 receptor–IRE1 pathway is beneficial in preclinical models of inflammation and sepsis“.
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In ihrer Arbeit untersuchten sie den Sigma-1-Rezeptor (S1R) in einem präklinischen Modell des septischen Schocks. S1R ist ein wesentlicher Hemmer der Zytokinproduktion und damit wichtig für die Eindämmung von Entzündungsreaktionen: Mäuse, denen S1R fehlt, erliegen rasch einer Hyperzytokinämie. Fluvoxamin hingegen zeigt eine hohe Affinität zu S1R und konnte in dem Experiment die Mäuse vor einem tödlichen septischen Schock schützen. Ob Fluvoxamin auch beim Menschen Zytokinstürme mildern kann, wird sich zeigen.
Fluvoxamin beeinflusst Interleukin-6
Einen Zusammenhang zwischen Depressionen, Zytokinen wie Interleukin-6 (IL-6) und Fluvoxamin wurde in früheren Arbeiten bereits untersucht: Wissenschaftlern eines 2017 in „Neuropsychiatric Disease and Treatment" erschienen Beitrages („Influence of fluvoxamine on plasma interleukin-6 or clinical improvement in patients with major depressive disorder“) zufolge mehren sich die Beweise, dass Zytokine an der Pathophysiologie der Depression beteiligt sind und es bei Depressiven zu einer erhöhten Produktion von Entzündungszytokinen, zum Beispiel Interleukin-1β, TNF-α und IL-6, kommt. Die Forscher untersuchten den Einfluss von Fluvoxamin auf Plasma-IL-6-Spiegel und die Besserung einer Major Depression. Ihr Fazit: „Die Wirkung von Fluvoxamin auf IL-6 ist teilweise mit seiner klinischen Wirksamkeit bei Major Depression Disorder assoziiert.“
Dass sich antidepressive Therapien auf Zytokinlevel auswirken können, fand 2011 bereits eine andere Forschergruppe, die ihre Ergebnisse unter „The effect of antidepressant medication treatment on serum levels of inflammatory cytokines: a meta-analysis“ in „Neuropsychopharmacology" publizierte.
Fluvoxamin placebokontrolliert bei COVID-19
In der nun beginnenden klinischen Studie zu Fluvoxamin gegen COVID-19-assoziierte Zytokinstürme untersucht die Washington University of Medicine das SSRI placebokontrolliert mit 152 Patienten mit COVID-19. Die Patienten isolieren sich zuhause selbst, werden fernüberwacht, berichten über ihre Vitalparameter und interagieren mit dem Studienteam per Telefon oder online. Um ihre Vitalparameter bestimmen zu können, erhalten die Studienteilnehmer Thermometer, Sauerstoffsensoren für die Fingerspitzen und automatische Blutdruckmessgeräte. „Wir hoffen, dass wir Patienten, denen es gut genug geht, um zu Hause zu sein, Fluvoxamin verabreichen und so verhindern können, dass sie kränker werden und ins Krankenhaus gehen müssen", sagte Dr. Caline Mattar, Co-Forscherin der Abteilung für Infektionskrankheiten der Universität Washington. Selbst wenn sich Fluvoxamin als unwirksam in der Behandlung von COVID-19 zeigen sollte, würden die Studienpatienten durch die engmaschige Überwachung durch die Studienärzte von der Untersuchung profitieren, so Mattar.
Fluvoxamin: günstig, sicher, verfügbar
Sollte Fluvoxamin hingegen wirken bei COVID-19 und die Erkrankung lindern, wäre das SSRI eine verfügbare, sichere und erschwingliche Behandlungsoption zur Bekämpfung der Pandemie, da das Arzneimittel bereits zugelassen ist und breit vermarktet wird. Alban Gaultier hofft zudem, dass „der Ansatz sodann auch auf andere Entzündungszustände angewendet werden, die durch Zytokinstürme ausgelöst werden, wie beispielsweise eine Sepsis".
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Schwere Leberschädigungen unter Tocilizumab
Auch andere Arzneimittel werden derzeit erforscht, um einem möglichen Zytokinsturm bei COVID-19 beizukommen. Allerdings spielen Arzneimittel wie Tocilizumab, Baricitinib und Sarilumab in deutlich anderen Preisklassen als Fluvoxamin. Tocilizumab ist ein humanisierter, monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor, Sarilumab bindet als humaner monoklonaler Antikörper selektiv an Interleukin-6-Rezeptor-α. Baricitinib zählt zu den Tyrosinkinaseinhibitoren und hier zu den JAK-Inhibitoren. Alle drei Wirkstoffe werden bei rheumatoider Arthritis eingesetzt, als einziger hat Tocilizumab die Zulassung zusätzliche beim Zytokinfreisetzungssyndrom durch CAR-T-Zelltherapien, wie Tisagenlecleucel (Kymriah®) oder Axicabtagen-Ciloleucel (Yescarta®).
1 Kommentar
SSRI
von Dr Schweikert-Wehner am 21.05.2020 um 6:45 Uhr
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