Oraler CGRP-Rezeptor-Antagonist

Ubrogepant – Neues bei Migräne

Stuttgart - 18.12.2019, 09:00 Uhr

In den USA ist die Zulassung von Ubrogepant bereits beantragt. „Gepante“ wirken als orale CGRP-Rezeptor-Antagonisten und sind eine innovative Wirkstoffgruppe in der akuten Migränetherapie. ( r / Foto: Andrii Zastrozhnov / stock.adobe.com) 

In den USA ist die Zulassung von Ubrogepant bereits beantragt. „Gepante“ wirken als orale CGRP-Rezeptor-Antagonisten und sind eine innovative Wirkstoffgruppe in der akuten Migränetherapie. ( r / Foto: Andrii Zastrozhnov / stock.adobe.com) 


Wenn es in letzter Zeit um neue Arzneimittel bei Migräne ging, machten vor allem Antikörper im CGRP-System von sich reden. Drei sind mittlerweile zur Prophylaxe der Migräne zugelassen: Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab. Doch Calcitonin Gene-Related Peptide lohnt auch einen Blick in der Akuttherapie der Migräne – Ubrogepant als „small molecule“ und oraler CGRP-Antagonist liefert vielversprechende Daten.

Bislang hat es von den „Gepanten“ noch kein Wirkstoff in die Arzneimittelzulassung geschafft. Olcegepant und Telcegepant sind auf dem Entwicklungsweg gescheitert, aktuell beschäftigt sich die Forschung mit Rimegepant, Atogepant und Ubrogepant.

Das Target der „Gepante“ ist nicht neu. Sie zielen auf Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP), wie die seit 2018 verfügbaren CGRP-Antikörper Fremanezumab (Ajovy®) und Galcanezumab (Emgality®) beziehungsweise CGRP-Rezeptor-Antikörper Erenumab (Aimovig®). Allerdings geht es bei den Gepanten um die Akuttherapie eines Migräne-Anfalls, und nicht wie bei den Antikörpern um die Prophylaxe. Zudem sind es small molecules, die peroral eingenommen werden können, anders als die Migräne-Antikörper. Letztere werden parenteral appliziert.

Ubrogepant: FDA-Zulassung beantragt

Hinsichtlich Forschung und Entwicklung ist Ubrogepant derzeit am weitesten gediehen, in den USA hat Allergan bereits im März dieses Jahres die FDA-Zulassung beantragt. Entscheidende Grundlage waren die beiden klinischen Studien ACHIEVE I und ACHIEVE II, die „Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Ubrogepant“ zeigten, so Allergan in einer Mitteilung am 11. März 2019. Jüngst wurden beide Studien prominent publiziert, im JAMA (Journal of the American Medical Association) und NEJM (New England Journal of Medicine).

Wie wirkt Ubrogepant?

Ubrogepant ist ein small molecul aus der Gruppe der CGRP-Antagonisten. „Gepante“ oder CGRP-Antagonisten hemmen die Effekte von Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) und sind so wirksam bei Migräne-Attacken. 
CGRP spielt eine wichtige Rolle in der Pathogenese der Migräne, 1990 fanden Wissenschaftler, dass während einer Migräne-Attakce CGRP ausgeschüttet wird und die CGRP-Spiegel jedoch sanken, wenn der Migräne-Anfall mit Sumatriptan behandelt wurde. 

Im Folgenden konnte CGRP im Ganglion trigeminale nachgewiesen werden und CGRP-Rezeptoren in zerebralen Gefäßen und Arterien der Dura. CGRP fungiert als potenter Vasodilatator. Die Freisetzung des Neuropeptides erfolgt aus trigeminalen C-Fasern, die Ausschüttung lässt sich durch Aktivierung von 5-HT1B- und 5-HT1D-Rezeptoren inhibieren – die Angriffspunkte der Triptane.

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ACHIEVE II wurde bereits im November im JAMA publiziert – Effect of Ubrogepant vs Placebo on Pain and the Most Bothersome Associated Symptom in the Acute Treatment of Migraine – the ACHIEVE II Randomized Clinical Trial. „Ist Ubrogepant, ein oraler Calcitonin Gene-related Peptide Antagonist, wirksam in der Behandlung akuter Migräne?“, war die Frage hinter dieser Phase-3-Studie (multizentrisch, randomisiert, doppelblind, placebokontrolliert) an 1.686 Migränepatienten, von denen 1.465 die Studienmedikation erhielten und 1.355 ausgewertet wurden.

Ubrogepant: ein Fünftel schmerzfrei nach zwei Stunden

Untersucht wurde Ubrogepant an einem einzelnen akuten Migräne-Anfall, die Patienten erhielten entweder 25 mg oder 50 mg Ubrogepant oder Placebo. Unter Ubrogepant waren zwei Stunden nach Einnahme signifikant mehr Migränepatienten schmerzfrei als unter Placebo.

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Die Patienten litten im Schnitt an zwei bis acht Migräne-Attacken pro Monat, die zwischen vier und 72 Stunden anhalten. Auch durften Migränepatienten mit einer früheren Diagnose einer chronischen Migräne an der Studie teilnehmen, wenn sie zum Studienzeitpunkt unter begleitender Migräneprophylaxe weniger als 15 Migräne-Anfälle pro Monat hatten. Die Patienten wurden 1:1:1 auf 25 mg Ubrogepant, 50 mg Ubrogepant und Placebo randomisiert. Im Falle einer Migräne sollten sie die Medikation so schnell wie möglich, innerhalb von vier Stunden nach Symptombeginn, einnehmen. Optional durften die Patienten eine zweite Dosis oder Akutmedikation einnehmen, wenn zwei bis 48 Stunden nach der ersten Gabe mittelschwere bis schwere Kopfschmerzen auftraten.

Ubrogepant: mehr Patienten schmerzfrei als unter Placebo

Die Patienten bewerteten in einem elektronischen Tagebuch die Intensität der Kopfschmerzen zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Medikation. Die beiden koprimären Ziele waren Schmerzfreiheit und keine belastenden Begleitsymptome zwei Stunden nach Medikation.

Schmerzfreiheit innerhalb von zwei Stunden erreichten unter Ubrogepant 50 mg mit 21,8 Prozent der Patienten (101 von 464; 95 Prozent-KI 1,14-2,29, OR 1,62) und unter 25 mg Ubrogepant mit 20,7 Prozent (90 von 435 Patienten; 95 Prozent-KI 1,09-2,22; OR 1,56) signifikant mehr Migräniker als unter Placebo (14,3 Prozent; 65 von 456 Patienten).

Begleitsymptome bessern sich nur unter 50 mg Ubrogepant

Beim koprimären Endpunkt „keine belastenden Begleitsymptome“ zwei Stunden nach Medikation zeigte nur die 50 mg Ubrogepant-Dosis statistische Signifikanz im Vergleich zu Placebo: 38,9 Prozent (180 von 463) waren frei von belastenden Begleitsymptomem (OR, 1,65; 5 Prozent-KI 1,25-2,20), unter Placebo waren es 27,4 Prozent (125 von 456).

25 mg Ubrogepant zeigte hinsichtlich der Abwesenheit von belastenden Begleitsymptomen keine statistische Signifikanz verglichen mit Placebo: 34,1 Prozent (148 von 434; OR, 1.37; 95 Prozent-KI 1,02-1,8).

Weniger Akut- und Rescue-Medikation unter Ubrogepant

Unter Ubrogepant benötigten der Studie zufolge weniger Patienten eine zweite Dosis der Studienmedikation und einer Rescue-Medikation als unter Placebo: 16,4 Prozent unter 50 mg Ubrogepant, 20,5 Prozent unter 25 mg Ubrogepant und 25,7 Prozent unter Placebo nahmen eine zusätzliche Akutmedikation (NSAR, Opiode, Triptane, Acetaminophen) ein. Unter Ubrogepant wollten 37,6 Prozent der Patienten (gepoolt Ubrogepant) innerhalb von 24 Stunden eine zweite Dosis, unter Placebo waren es 42,8 Prozent.

Alternative zu NSAR und Triptanen?

Behandlungsbedürftige Nebenwirkungen (innerhalb 48 Stunden nach Medikation) waren vergleichbar häufig zwischen den einzelnen Therapiearmen: 12,9 Prozent unter 50 mg Ubrogepant, 9,2 Prozent unter 25 mg Ubrogepant und 10,2 Prozent unter Placebo. Zu den häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen zählten Übelkeit und Schwindel.

50 mg Ubrogepant wirksamer als 25 mg

Das Fazit der Wissenschaftler: Bei Erwachsenen mit Migräne führt die Akutbehandlung mit Ubrogepant im Vergleich zu Placebo zu einer deutlich höheren Schmerzfreiheit zwei Stunden nach der 50 mg und 25 mg Dosis. Zudem befreit die 50 mg Dosis von migränebedingten Symptomen. Weitere Forschungsarbeiten seien jedoch erforderlich, um die Wirksamkeit von Ubrogepant gegenüber anderen Akutbehandlungen bei Migräne zu beurteilen und die langfristige Sicherheit von Ubrogepant bei nicht ausgewählten Patientengruppen zu bewerten.

Ihrer Einschätzung nach legen die Studienergebnisse nahe, dass eine 50 mg Dosis wirksamer ist als ein 25 mg Behandlung mit Ubrogepant. Zudem sind sie von der Wirksamkeit der „Gepante“ per se überzeugt: Mehrere Studien stützten die These, dass Gepante wirksam in der Behandlung akuter Migräne sind. So seien die jüngst zu Rimegepant veröffentlichten Daten konsistent zu den jetzigen von Ubrogepant. Sie sehen in Ubrogepant das Potenzial, elementar an der Pathogenes der Migräne beteiligte Strukturen zu treffen, der Wirkmechanismus von Ubrogepant könnte eine Option für Menschen sein, die auf eine aktuelle Migränemedikation nicht ansprechen. Das erhofft man sich auch von Lasmiditan, ein selektiver 5-HT1F-Rezeptor-Agonist.

Wirksam auch bei leichten Attacken? Und langfristig?

Allerdings zeigt den Wissenschaftlern zufolge die Studie auch einige Grenzen: So wurden nur Patienten mit mittelschweren und schweren Kopfschmerzen eingeschlossen. Eine Aussage zur Wirksamkeit der Substanz bei leichteren Migräne-Attacken sei so nicht unbedingt möglich. Zudem ließe sich die Verträglichkeit anhand der Behandlung einer einzigen Migräne-Attacke nicht auf eine langfristige und wiederholte Gabe extrapolieren. Hierfür seien weitere Studien erforderlich.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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