Konzeptpapier

AEP: Großhändler sollen Lieferengpass-Register aufbauen

Berlin - 18.11.2019, 07:00 Uhr

Das Großhandelsunternehmen AEP hat ein eigenes Konzept entwickelt, das helfen soll Lieferengpässe zu reduzieren. (Foto: dpa)

Das Großhandelsunternehmen AEP hat ein eigenes Konzept entwickelt, das helfen soll Lieferengpässe zu reduzieren. (Foto: dpa)


Die Reduzierung von Arzneimittel-Lieferengpässen dürfte eines der wichtigsten arzneimittelpolitischen Themen der kommenden Monate werden. Die Große Koalition will bald einige Maßnahmen auf den Weg bringen. Jetzt mischt sich der Großhändler AEP mit einem Vorschlag ein. Die AEP erinnert daran, dass beim Großhandel viele Fäden zusammenlaufen und ein guter Gesamtüberblick über die Lieferbarkeit des gesamten Apothekensortiments besteht. Die Grossisten könnten somit eine Defekt-Datenbank aufbauen – und dafür zusätzlich entlohnt werden, so die Idee.

Die Diskussion um Arzneimittel-Lieferengpässe bleibt ein Schwarzer-Peter-Spiel: Die Hersteller verweisen auf die Export-Tätigkeiten der Apotheker und Großhändler, den Apothekern sind insbesondere die Rabattverträge ein Dorn im Auge und die Kassen sehen eigentlich gar nicht so viel Handlungsbedarf – insbesondere nicht im Rabattvertragssystem. In diesem Dickicht der Interessen ist es für die Arzneimittelexperten der Großen Koalition nicht leicht, einen objektiven Kurs zu finden und Maßnahmen zu benennen, die die Lieferbarkeit effizient verbessern.

Aus dem Großhandelslager kommt nun ein weiterer interessanter Vorschlag dazu, den das Unternehmen AEP erarbeitet hat. Die AEP setzt an einem zentralen Problem an, über das sich auch viele Apotheker beschweren: den schlechten Informationsfluss bei neu entstehenden Lieferengpässen. Denn: Bislang sind die Meldungen der Hersteller beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei neuen Defekten nicht verpflichtend. Und: Die Hersteller melden nur vollständige Lieferausfälle, nicht aber drohende Engpässe und Unterlieferungen, die ebenfalls zu Versorgungsproblemen in der Apotheke führen. Das heißt: Wäre früher bekannt, dass ein Engpass droht oder sich eine Unterlieferung abzeichnet, könnte das System früher reagieren.

Die Großhändler sind in einer einzigartigen Position, um diese Informationen zu generieren und zu analysieren, meint die AEP. In einem Positionspapier, das das Unternehmen derzeit der Politik vorstellt und das DAZ.online vorliegt, heißt es: 


Da die Großhändler regelmäßig (d.h. i.d.R. wöchentlich) alle Produkte bei pharmazeutischen Unternehmen bestellen und somit der erste Kontakt in der Lieferkette nach den Herstellern sind, sind sie somit die natürlichen Akteure, die die Nicht-Lieferbarkeit von Arzneimitteln durch Hersteller systematisch feststellen können. Eine Nicht-Lieferfähigkeit können sie somit früher, breiter und messbarer als beispielsweise Apotheker feststellen. Dieses gilt sowohl für den Grad der Unterlieferung (im Extremfall 0-Lieferung, also gar keine Lieferung) als auch den Umfang, d.h. bei welchen Arzneimitteln ein Engpass in den Apotheken droht oder vorliegt.“

AEP-Konzeptpapier


AEP: Knapp 4340 Produkte nicht lieferbar

Um zu beweisen, dass die vollversorgenden Großhändler über verlässlichere Engpass-Daten verfügen als die BfArM-Meldungsliste, hat die AEP ihre eigenen Informationen zu Defekten ausgewertet. Und siehe da: Die Differenz ist frappierend. Während beim BfArM derzeit knapp 290 Produkte als nicht lieferbar gekennzeichnet sind, erkennt die AEP in ihrem System von etwa 60.000 gelisteten Präparaten 4338 Produkte, die gar nicht ausgeliefert werden können. Die Daten zeigen auch, dass es sich in den allermeisten Engpass-Fällen um komplette Lieferausfälle handelt. Denn nur bei knapp 70 Produkten konnte die AEP bis zu 25 Prozent der Bestellungen erfüllen, etwa die Hälfte der Apotheken-Bestellungen konnte die AEP bei 84 Präparaten beliefern und bei weiteren 62 Artikeln lag die Lieferbarkeit immerhin bei 75 Prozent.

AEP: 5 Cent mehr für Lieferengpass-Register

Die AEP will nun Daten sammeln, um mehr Transparenz und zutreffendere Analysen zum Lieferengpassgeschehen im Markt zu haben. Dazu sollen alle Grossisten Daten „in standardisierter Form in einem zentralen (digitalen) Register die Nicht- oder unzureichende Lieferbarkeit von Arzneimitteln auf Grundlage der Lieferungen der pharmazeutischen Unternehmen“ sammeln. Die Großhändler sollen die Informationen wöchentlich einpflegen. „Die Daten sollten die Hersteller und PZN der Produkte enthalten und können nach einem abgestuften System gemeldet werden“, schlägt die AEP vor. Das Register müsse zentral organisiert sein und soll in der „Verantwortung einer Behörde“ liegen, wie etwa dem BfArM, oder eines privaten Datenunternehmens (zum Beispiel IQVIA).

Durch ein solches Register könnten die Entscheidungsträger die wirklichen Ursachen der Engpässe besser erkennen, meint die AEP. Maßnahmen zur Vermeidung von Defekten könnten früher eingeleitet werden, außerdem wäre es leichter zu überprüfen, ob alle Akteure in der Lieferkette ihren Pflichten nachkommen. In einem ersten Schritt könnten die Daten den Kassen zur Verfügung gestellt werden, weil diese mit den Herstellern Rabattverträge abgeschlossen haben. Bei einer Lieferbarkeit von unter 50 Prozent könnten dann beispielsweise neue Lieferfristen gesetzt werden. In einem weiteren Schritt könne auf Basis der Daten dann auch über Strafzahlungen und Sanktionen nachgedacht werden, so die AEP in ihrem Papier.

Diesen Mehraufwand wollen sich die Großhandelsunternehmen natürlich auch vergüten lassen. „Das Monitoring, die Dokumentation und damit verbundene Herstellung von Transparenz wird dem pharmazeutischen Großhandel pauschal vergütet“, heißt es in dem Papier. Als „Vorschlag“ nennt die AEP den Wert von 5 Cent, den die Grossisten für ihre Datensammlung auf den derzeitigen Fixpreis von 70 Cent aufschlagen können.

Ganz unrealistisch scheint dieses Konzept für die Große Koalition nicht zu sein. Denn wie DAZ.online bereits berichtete, sind in der vergangenen Woche einige Änderungsanträge zum GKV-Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz bekannt geworden, in denen eine ganz ähnliche Idee enthalten ist: Demzufolge wollen Union und SPD das BfArM ermächtigen, die Großhändler „im Einzelfall“ zu Datenlieferungen zu verpflichten, um sich so ein besseres Bild über die Lieferbarkeit zu machen. Eine Vergütung für diese „Einzelfälle“ ist in den Änderungsanträgen bislang nicht vorgesehen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Liefer"engpass" Register

von Stefan Meinhardt am 18.11.2019 um 18:53 Uhr

Die Idee ist gut, allerdings frage ich mich wieder, ob das Register nicht über securpharm/ngda bzw. ABDATA realisiert werden kann bzw. realisiert werden müßte. Wir bezahlen diese Datenbanken, die herstellerspezifisch ab Herstellungsort jede Packung erfassen. Also liegen doch alle Daten auf den entsprechenden Servern vor und es mangelt nur an der politischen Forderung,den Marktzugang mit der verbindlichen Meldung zu verknüpfen. Es muss in unserem ureigenen Interesse liegen, dass wir, vor allem in Hinsicht auf die Komplikationen durch die Digitalisierung, unsere eigenen Werkzeuge besser im Markt positionieren.

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AEP Lieferengpass Register

von Peter Kaiser am 18.11.2019 um 13:02 Uhr

So ein Schwachsinn!!!
Es verschärft nur noch das Problem - Es führt zu Hamsterkäufen.
Einzige nachhaltige Lösung wäre:
Die unter Ulla Schmidt (SPD) 2003 beschlossenen Gesetze und Verordnung müssen zurüchgenommen werden, das könnte in "Dekaden" (Zitat Phagro beim DAT 2019) wieder zu einer Entspannung führen. Die Machtfülle der GKV muss gebrochen werden. Gebt den Ärzten wieder die Hoheit über die Verordnungen, dann gibt es wieder Planungssicherheit für Biliiganbieter. Nebenbei fördert es die Arzneimittelsicherheit und Einnahmentreue der Patienten.

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Interessanter Vorschlag, aber ...

von Dr. Ralf Schabik am 18.11.2019 um 11:09 Uhr

Zunächst mal GROSSES LOB an AEP, das Problem nicht nur deutlich zu thematisieren, sondern auch einen konkreten Vorschlag zu unterbreiten.
Allerdings muss man sich vor Augen halten, dass durch wie auch immer geartete Dokumentation keine einzige Packung mehr im Markt sein wird. Insider wissen das, anderen muss man das deutlich sagen.
Was eine solche Doku aber bewirken würde, ist ENDLICH ein Stück Transparenz !
Bisher gibt die Industrie Lieferausfälle nur dann zu, wenn es gar nicht anders geht. Und nur sehr selten erfahren wir die Gründe für Ausfälle - dabei würde es die Sache erheblich erleichtern, wenn wir den Patienten erklären könnten, WARUM etwas nicht lieferbar ist. Wenn man etwas versteht, kann man leichter damit umgehen als nur "nicht lieferbar" !
Was mir an dem AEP-Vorschlag besonders charmant erscheint: Transparenz erschwert Schiebereien. Schiebereien (egal, auf welcher Ebene und auch quer über alle Präparate, also nicht nur Originalia mit Preisdifferenzen in Europa !) sind ein nicht zu unterschätzender Grund dafür, dass die Versorgungslage momentan so beschissen ist, wie sie ist.
Ich bin sicher, mehr Transparenz deckt Dinge in der Branche auf, die zu einem Erdbeben führen können.
Das Aufdecken von Machenschaften wäre für die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln insofern hilfreich, als deutlich werden würde, was für ein dreckiges Spiel Großkonzerne spielen ... auf dem Rücken der Apotheken vor Ort und damit unmittelbar der Patienten vor Ort.

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Und dann?

von Karl Friedrich Müller am 18.11.2019 um 7:33 Uhr

Wenn wir Listen haben, sind die Defekte verschwunden?
Das BfArM nimmt die Sache schon nicht ernst. Nur 200 von 100.000
Was für eine doofe Aussage! Das sind fast alles Schnelldreher.
Und Austausch: es wird nicht verstanden, dass nicht nur eine Firma fehlt, sondern der Wirkstoff bei ALLEN Firmen.
Seichtes dummes Geschwafel. Ignoranz, Überheblichkeit.
So wird das Land geführt, von lauter Unfähigen, die noch viel zu hoch bezahlt werden

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