Bayer-Studie

Iberogast bei Reizdarm – nicht besser als Placebo?

Stuttgart - 02.09.2019, 08:29 Uhr

Bei Reizdarm ist Iberogast nicht wirksamer als Placebo, aber auch nicht risikoreicher. Das fand Bayer in einer Studie heraus.  (s / Foto: imago images / Arnulf Hettrich)

Bei Reizdarm ist Iberogast nicht wirksamer als Placebo, aber auch nicht risikoreicher. Das fand Bayer in einer Studie heraus.  (s / Foto: imago images / Arnulf Hettrich)


Bayer sieht sich wegen der zögerlichen Umsetzung der vom BfArM angeordneten Warnhinweise bei Iberogast harscher Kritik gegenüber. Doch nicht nur die Sicherheitsfragen zu Iberogast dürften den Konzern beschäftigen: Iberogast war in einer Studie an Patienten mit Reizdarmsyndrom nicht wirksamer als Placebo.

Bayer kämpft derzeit an mehreren Fronten – auf globalem Spielfeld dürfte dem Pharmakonzern die Monsanto-Akquise inklusive anhängiger Klagen und Schadenersatz- beziehungsweise Vergleichszahlungen auf den Magen schlagen. Das hauseigene Magenmittel Iberogast® schafft hier jedoch kaum Linderung, denn auf nationalem Parkett sorgt Iberogast® ebenfalls seit Jahren für Unruhe – bei Bayer, den Behörden und der Politik. Seit Kurzem beschäftigt Iberogast® auch die Staatsanwaltschaft.

Bayer steht vor allem deswegen in der Kritik, weil sich der Pharmakonzern zehn Jahre Zeit ließ, um die bereits 2008 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angeordneten Hinweise zum leberschädigenden Potenzial und zu Gegenanzeigen in die Fach- und Gebrauchsinformationen von Iberogast aufzunehmen. Dies vollzog Bayer erst im September 2018. Kurz zuvor, im Juni 2018, konnte Bayer eine Studie zu seinem schöllkrauthaltigen Arzneimittel an Patienten mit Reizdarmsyndrom abschließen – wobei das Ergebnis Iberogast®-Skeptikern in die Karten spielen dürfte.

Studie zur Wirksamkeit

Bayer untersuchte die Wirksamkeit von Iberogast multizentrisch in einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie: A double-blind, randomised, placebo-controlled study on the efficacy of Iberogast® (STW 5) in patients with irritable bowel syndrome. Als primären Endpunkt definierte der Hersteller die Wirksamkeit des Extraktes aus Bitterer Schleifenblume, Angelikawurzel, Mariendistelfrüchten, Kümmelfrüchten, Schöllkraut, Süßholzwurzel, Kamillenblüten, Melissenblättern und Pfefferminzblättern auf schmerzbezogene Symptome bei Patienten mit Reizdarmsyndrom. Sekundär wollte Bayer die Sicherheit und Verträglichkeit von Iberogast® und den Effekt auf die Lebensqualität der Patienten beurteilen.

Ist Iberogast sicher und wirksam?

Die Probanden (243) erhielten 28 Tage lang entweder dreimal täglich 20 Tropfen Iberogast®(167 Patienten) oder Placebotropfen (76 Patienten) vor oder zum Essen. Die Patienten, 78 Prozent waren weiblich, waren im Alter zwischen 19 und 86 Jahren. Als „Baseline“ wurde die Stärke der Bauchschmerzen mittels einer visuellen Analogskala (VAS) bestimmt, auch die Stuhlkonsistenz wurde dokumentiert, und anhand eines Fragebogens (Birmingham IBS) schätzten die Probanden ihre reizdarmbedingten Beschwerden ein.

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Das Ergebnis: Der primäre Endpunkt der Studie wurde nicht erreicht. Nach vier Wochen Therapie zeigte sich hinsichtlich der Stärke der Bauchschmerzen kein statistisch signifikanter Unterscheid zwischen Iberogast® und Placebo.

Besseres Ansprechen unter Placebo?

In beiden Patientengruppen verbesserten sich zwar die Schmerzen (der Effekt zeigte sich sowohl nach zwei als auch nach vier Wochen), aber der Unterschied Placebo-Iberogast® war nicht signifikant. Es gab sogar Hinweise, dass nach vierwöchiger Behandlung die Placebopatienten besser auf die Therapie ansprachen (42,7 Prozent) als in der Iberogast®-Gruppe (40,7 Prozent).

Die Studie unterschied zwischen Fast-Respondern und Late-Respondern: Bei einem Drittel der Patienten besserten sich die Schmerzen innerhalb von einer Woche (Fast-Responder), und sie berichteten über eine abnehmende Schmerzintensität an mindestens vier Tagen während der ersten sieben Tage der Behandlungsphase (30,2 Prozent Iberogast®, 28 Prozent Placebo). 

Jeweils die Hälfte der Probanden berichtetet über eine verminderte Schmerzintensität an sieben Tagen über einen Behandlungszeitraum von 14 Tagen (Late-Responder). Der Unterschied zwischen Placebo und Iberogast® war jedoch statistisch nicht signifikant.

Sicherheit bei Iberogast – nicht schlechter als bei Placebo

Es zeigte sich auch kein Unterschied bei den Stuhlparametern. Laut der Auswertung verbesserte sich in beiden Studiengruppen die Lebensqualität der Patienten, ebenfalls ohne statistische Signifikanz. Auch bewerteten in beiden Gruppen etwa gleich viele Patienten ihre Therapie mit „sehr gut“ und „gut“.

„Sicherheit von Iberogast bestätigt"

Erfreuliches konnte Bayer hinsichtlich der Sicherheit zeigen: Kein Patient verstarb, schwere Nebenwirkungen wurden nicht berichtet. Auch in diesem Punkt unterschied sich Iberogast® statistisch nicht signifikant von Placebo. Über 80 Prozent der Patienten bewerten die Verträglichkeit mit „sehr gut“ oder „gut“. „Insgesamt bestätigen die sicherheitsrelevanten Ergebnisse dieser Studie das bekannte positive Sicherheitsprofil von Iberogast®“, schreibt Bayer.

Die Analyse aller gemeldeten behandlungsbedingten unerwünschten Ereignisse ergab keinen Unterschied zwischen Placebo und Iberogast®, sechs Iberogast®-Patienten brachen ihre Mediaktion aufgrund unerwünschter Ereignisse ab. Keine Nebenwirkung war schwerwiegend, und nur in zwei Fällen konnte die Kausalität zum Studienmedikament hergestellt werden. Bayer kommt zu dem Schluss, dass die Sicherheits- und Verträglichkeitsbewertungen von Iberogast keine mit dem Produkt verbundenen Risiken zeigten, sie bestätigten ein günstiges Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil von Iberogast®.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Placebotropfen?

von norbert brand am 03.09.2019 um 8:04 Uhr

ich kenne die Studie nicht näher, daher würde mich besonders die Herstellung der "Placebotropfen" sehr interessieren. Bei Studien mit charakteristisch schmeckenden Liquida, und das ist Iberogast, stellt nämlich die Placebogabe eine nmE schier unlösbare Herausforderung dar. Wie würde denn der Placebo zu einem Pfefferminztee aussehen? Und wenn man bei der Applikation den Geschmack von Verum und Placebo durch starkes Verdünnen z.B. mit Wasser "maskiert", vermindert das unter Umständen die Wirksamkeit. Bei dieser Studie sind somit eigtl. nur die Daten zur Sicherheit relevant.

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