Interview Apotheker Philipp Kircher

„In Sachen Außenwahrnehmung der Apotheke hat Spahn Recht“

Berlin - 30.01.2019, 07:00 Uhr

Apotheker Philipp Kircher (li.) im Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). (Foto: BAV)

Apotheker Philipp Kircher (li.) im Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). (Foto: BAV)


Philipp Kircher ist das gelungen, was viele Apotheker gerne gemacht hätten: Der Pharmazeut aus Oberbayern hatte die Möglichkeit, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu seinen Ansichten und Plänen im Apothekenmarkt zu befragen. Und machte es gut: Mit pfiffigen Argumenten setzte er den Minister unter Druck. Im Interview mit DAZ.online erzählt Kircher nun mehr zur Genese des Interviews, zu seinen eigenen Ansichten in Sachen Berufspolitik und dazu, ob Spahn und er nochmals einen Kaffee trinken gehen wollen.

DAZ.online: Herr Kircher, zunächst einmal ein großes Kompliment für Ihr Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Ein aus unserer Sicht spannendes Gespräch über den Versandhandelskonflikt! Wie war denn die Gesprächsatmosphäre zwischen Ihnen und dem Minister? Schließlich hatte die ABDA ja nur ein paar Tage vorher seine Apotheken-Eckpunkte abgelehnt…

Kircher: Vielen Dank! Es war alles sehr spannend, Spahn war aber jederzeit fair – auch in Situationen, in denen unsere Meinungen auseinander gingen. Dass in der Thematik Pfeffer drin ist und es keine lockere Plauderei wird, sondern eher auf eine angeregte Diskussion rausläuft, war mir von vornherein klar, darauf habe ich mich eingestellt.  

DAZ.online: Gab es denn Reaktionen auf das Video?

Kircher: Sehr viele. Am meisten gefreut hat mich die E-Mail eines Patienten, der mir schrieb, dass er bislang immer im Versandhandel bestellt hatte. Durch das Interview sei ihm erstmals bewusst geworden, wie wichtig unsere Beratung eigentlich ist. Er sagte, er wolle nun vermehrt in der Apotheke vor Ort kaufen. Auf der anderen Seite – und da hat Spahn Recht – zeigt mir das auch die Problematik auf: Wir müssen in der Öffentlichkeitswahrnehmung noch besser werden.  

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DAZ.online: Sie gehen mit den Versandhändlern ja recht hart ins Gericht. Gab es denn aus der Versandhandelsecke Beschwerden?

Kircher: Ich wurde auch von einem Versandhändler angeschrieben, das war aber keine Beschwerde, sondern eine Einladung, mir die Firma und Abläufe zu zeigen.

DAZ.online: In Ihrer Diskussion mit Spahn hatten Sie mehrere anschauliche und eindrucksvolle Szenarios parat, aus denen hervorgeht, warum die Apotheke vor Ort so wichtig ist. Sie wirkten gut vorbereitet.

Kircher: Nach dem Deutschen Apothekertag in München Ende Oktober wollte ich etwas bewegen und habe deshalb die Initiative ergriffen und Spahn einen längeren Brief geschrieben, in dem ich ihm – fast wie in einer Geschichte – genau solche Szenen darstellte, in denen die Apotheke vor Ort problemlösend eingreift. 30 Prozent aller Arzneimittel sind hinsichtlich ihrer Anwendungsmethodik erklärungsbedürftig und haben meiner Meinung nach im Versand nichts verloren: Es geht beispielsweise um den Asthma-Patienten, der den Umgang mit seinem Inhalator lernen muss, die Herstellung eines Trockensaftes und die Auswahl von Augentropfen und die passende Anwendungstechnik für einen Parkinson-Patienten mit zittrigen Händen. Die Antwort vom BMG kam dann Ende November, es folgte ein Auswahlverfahren, bei dem ich die Fragen einreichen musste, letztendlich gab es die Bekanntgabe des Drehtermins. Es war also ausreichend Zeit, sich mit der Denke Spahns zu beschäftigen.

Kircher: Ich wollte Spahn gar nicht vom Rx-Versandverbot überzeugen

DAZ.online: Trotzdem schien der Minister unbeeindruckt. Seine Message: Werbt mehr für solche Leistungen, aber das Rx-Versandverbot könnt ihr vergessen!

Kircher: Das habe ich ähnlich empfunden. Es war jedoch auch gar nicht meine Intention, für das Versandverbot zu argumentieren. Vielmehr wollte ich ihm Alltagssituationen aus der Apotheke nahebringen, die wir leisten und die ihm vielleicht gar nicht so bewusst sind.

DAZ.online: Sie sind kein Freund des Verbots?

Kircher: Realistisch betrachtet ist es derzeit wohl nicht mehr möglich. Die ABDA liegt mit ihrem neuen, eigenen Eckpunkte-Papier inklusive Boni-Verbot zur Wahrung der Gleichpreisigkeit sicher richtig. Ich habe dem Minister nach dem Interview von einem Fall erzählt, bei dem ein Patient seinen Arzt nach zusätzlichen Arzneimittel-Rezepten fragte, weil er mehr Rx-Boni einheimsen wollte.

DAZ.online: Viele Apotheker werfen Spahn ja jetzt vor, er wolle sie mit der Vergütung neuer Dienstleistungen nun „kaufen“, damit sie wiederum auf das Verbot verzichten.

Kircher: Im zweiten Teil des Interviews, der bald erscheint, wird es ja auch noch um die Dienstleistungen gehen. Ich finde, dass die neuen Dienstleistungen eine große Chance für uns sein können, unsere Kompetenzen unter Beweis zu stellen und unsere Öffentlichkeitswahrnehmung zu verbessern. Wenn der Patient spürt, da tut sich was in der Apotheke, dann ist schon viel gewonnen. Die Vergütung dafür als zweites Standbein kann aber immer nur ein Zusatz sein – und da wurde es auch brenzlig mit dem Minister.

(Foto: BAV)

DAZ.online: Warum?

Kircher:  Ich habe ihm signalisiert, dass wir ökonomische Stabilität und Planungssicherheit, also eine  angemessene Vergütung der Packungsabgabe als Basis benötigen – und dass ein Defizit im Kerngeschäft nicht durch zusätzliche Geschäftsfelder ausgeglichen werden kann. Ich hatte das Gefühl, dass ihm dieses Argument nicht gefiel. Und auch im Gespräch über seine geplante 5 Prozent-Grenze hat es kurzzeitig geknirscht.

Kircher: Teilweise hat es geknirscht

DAZ.online: Weil Sie diese Marktanteilsgrenze - so wie einige Juristen - für nicht machbar halten?

Kircher: Ich fand seine Argumentation („So schlimm ist es ja gar nicht mit dem Versand.“) unpassend. Wenn ich auf einem gefrorenen See Schlittschuhlaufe und das Eis bekommt erste Risse, springe ich auch nicht weiter auf und ab, sondern sehe zu, dass ich schleunigst ans Ufer komme.

DAZ.online: Aber eigentlich müsste Sie der Minister doch mögen: Sie sind nicht aufs Rx-Versandverbot versteift und haben gute Ideen…

Kircher: Im weiteren Verlauf des Interviews haben wir auch über die Zukunft der Apotheke gesprochen. Das lief deutlich harmonischer ab. Ich erzählte ihm beispielsweise davon, dass wir bei uns in der Apotheke erste Gehversuche starten, patientenindividuell Arzneimittel-Lösungen mit einem Drucker auf leicht schluckbare Polymerfilme aufzutragen. Das ist für mich echte Digitalisierung.

DAZ.online: Wie sind Sie denn mit dem Minister auseinander gegangen? Haben Sie sich mit ihm nochmal auf einen Kaffee verabredet?

Kircher: Nein, das nicht. Aber er hat mir angeboten, dass ich ihm schreiben kann, wenn ich mit dem endgültigen Beschluss über seine Apotheken-Eckpunkte unzufrieden bin.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Spahn Interview

von Mit gleich langen Spießen am 31.01.2019 um 13:30 Uhr

Wer sich das Video von obigem Interview angesehen hat, der wurde sicher hellhörig als Spahn zum Thema Versender sinngemäß sagte: "Ich möchte dass die Versender und Apotheken vor Ort wieder mit gleich langen Spießen ausgestattet sind und der Patient wählen kann, was ihm lieber ist". Ich fragte mich kurz, was es wohl bedeuten mag 'mit gleich langen Spießen'? ... dass Versender künftig auch Notdienste machen, keine Rosinenpickerei mehr betreiben, auch Rezepturen herstellen, Nachwuchs ausbilden, Fortbildungen in Pflegeeinrichtungen halten, u.s.w. - oder habe ich den Minister mit seinen gleich langen Spießen falsch verstanden?

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