Forschende Pharmaunternehmen sorgen sich

Wie das TSVG die Impfstoffversorgung verschlechtern könnte

Stuttgart - 15.01.2019, 14:30 Uhr

Zusätzliche Herstellerrabatte in Deutschland gefährden Impfstoffversorgung, da Marktmechanismen greifen könnten. ( r / Foto: imago)

Zusätzliche Herstellerrabatte in Deutschland gefährden Impfstoffversorgung, da Marktmechanismen greifen könnten. ( r / Foto: imago)


Impfstoffe sorgen gern einmal für Probleme bei der Lieferbarkeit. Jüngstes und prominentes Beispiel waren die Grippeimpfstoffe 2018/19 – beziehungsweise sind es noch immer. Dies könnte künftig noch schlimmer werden – das fürchten die forschenden Pharmaunternehmen als Konsequenz des Terminservice- und Versorgungsgesetzes. Warum?

Die forschenden Pharma-Unternehmen warnen. In einem Tweet spricht der vfa von einem „Stolperstein für die Impfstoffversorgung“ – es geht um das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller erkennt eine „Schieflage im TSVG-Entwurf“ und fürchtet: „Zu wenig Impfförderung, zu hohe Industrierabatte. Deutschland mit Impfstoffen zu versorgen, wird noch unattraktiver als bisher“, twittert der vfa.

Die Sorgen der Pharmaindustrie scheinen durchaus berechtigt, betrachtet man Spahns Pläne zur Preispolitik für Impfstoffe im Entwurf des TSVG. Derzeit liegen die Preise für Impfstoffe in Deutschland auf einem Niveau wie in Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien. Diese vier Staaten bilden, gemeinsam mit Deutschland, das europäische Preisreferenzniveau. Das soll sich laut TSVG-Gesetzentwurf jedoch ändern: Geplant ist, dass der gesamte europäische Wirtschaftsraum – sprich die EU plus Island, Norwegen, Schweiz – als Referenzbereich dienen soll. Laut TSVG-Entwurf hat sich nämlich gezeigt, dass ein „tatsächlicher Abgabepreis“ in den bisherigen vier Referenzstaaten regemäßig
nicht vorliegt.

Marktmechanismen gefährden Impfstoffversorgung

Zusätzlich sollen den Herstellern weitere Zwangsrabatte zwischen fünf und zehn Prozent bei Impfstoffen auferlegt werden. Das heißt der vfa nicht gut. In einer weiterführenden Pressemitteilung erklärt der Verband, dass die geplante massive Erhöhung der Herstellerabschläge bei Impfstoffen die angestrebte bessere Versorgungssicherheit gefährde. Mehr noch: „Wenn etwa die weltweite Nachfrage größer ist als die verfügbare Menge an Impfstoff greifen Marktmechanismen", erklärte die Hauptgeschäftsführerin des Verbandes, Birgit Fischer, am gestrigen Montag in Berlin. Was dies bedeuten würde, liegt auf der Hand: „Das kann bei der Knappheit bestimmter Impfstoffe (zum Beispiel gegen Grippe) darüber entscheiden, wohin Impfstoff – der sich nicht auf Knopfdruck nachproduzieren lässt – geliefert wird. Mit anderen Worten: wie die Versorgungslage in Deutschland ist“, so Fischer. Und weiter: „Angesichts globalen Wettbewerbs, weniger Anbieter, begrenzter Produktionskapazitäten und eines weltweit steigenden Bedarfs an Impfstoffen ist diese Maßnahme versorgungspolitisch höchst riskant“.

Apotheker sollen einen Euro pro Impfstoff bekommen

Gerade Influenzavakzine sind ein saisonales Geschäft. Die Produktion einfach bedarfsgerecht zu steuern funktioniert aktuell in Deutschland noch nicht. Zur Zeit produzieren die hiesigen Grippeimpfstoffhersteller ihre Vakzine in vorbebrüteten Hühnerembryonen – was mehrmonatiger Vorausplanung bedarf. Dies könnte sich jedoch ändern, denn erst jüngst, am 12. Dezember 2018, erhielt Seqirus die Zulassung für Flucelvax – einen zellbasierten Grippeimpfstoff. Ab kommender Saison will das Unternehmen mit Flucelavx auch im europäischen Markt vertreten sein, in den USA hält Seqirus bereits seit Mai 2016 die Zulassung. „Der große Vorteil der Zellkulturtechnologie besteht darin, dass im Falle einer Pandemie ein schnellerer Start des Impfstoffherstellungsprozesses möglich ist“, erklärt die Behörde des amerikanischen Gesundheitsministeriums CDC (Centers for Disease Control and Prevention) zu Flucelvax.

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Doch Seqirus ist nur einer von fünf Grippeimpfstoffherstellern (AstraZeneca, GSK, Mylan, Sanofi-Pasteur) in Deutschland. Und selbst seine schnelle Herstellung von Influenzavakzinen würde wohl nicht vor drohenden Versorgungsproblemen schützen.

Anreiz für Preisverhandlungen ausmerzen

Mit den zusätzlichen Herstellerrabatten ist die finanzielle Beschneidung im Impfstoffbereich jedoch nicht abgehandelt. Auch Apotheken sollen das neue TSVG zu spüren bekommen. Eine Impfstoffdosis soll künftig mit einem Euro für die Apotheken vergütet werden. Somit würde sich der Erstattungspreis der GKV durch den Einkaufspreis plus einen Euro zuzüglich der Umsatzsteuer berechnen. Grund hierfür ist, dass „Schlupflöcher“, wie sie aus Sicht der Politik etwa durch den Vertrag der AOK im Nordosten genutzt wurden, künftig gestopft sind. Denn: „Durch die Begrenzung der Erstattung auf den tatsächlich vereinbarten Einkaufspreis beziehungsweise höchstens den Apothekeneinkaufspreis in Verbindung mit der Vorgabe der Vergütung der Apotheken bei der Abgabe von Impfstoffen an Ärzte besteht für Apotheken kein Anreiz mehr, Preisverhandlungen mit pharmazeutischen Unternehmen zu führen, da etwaige Rabatte auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers an die Krankenkasse weitergegeben werden  müssen“, heißt es in der Begründung des TSVG-Gesetzentwurfs.

Was fehlt beim TSVG?

Der vfa kritisiert nicht nur die geplanten neuen Herstellerrabatte, für Grippeimpfstoffe sollen das immerhin 10 Prozent sein. Im Gesetzentwurf fänden sich derzeit auch keine Maßnahmen, die den Fokus der Krankenkassen stärker auf die Impfförderung lenken. „Diese Schieflage muss korrigiert werden“, erklärt Birgit Fischer stellvertretend für die forschende Pharmabranche.

Auch Bundesrat fürchtet Lieferengpässe

Diese Sorgen trägt der vfa nicht allein. Bereits im Dezember des vergangenen Jahres hatte der Bundesrat zum TSVG-Kabinettsentwurf Stellung genommen – auch zur vorgesehenen Rabattierung der Impfstoffe. Der Bundesrat gab zu bedenken, „dass die vorgesehene Mehrfachrabattierung von Impfstoffen die bereits jetzt angespannte Liefersituation verschärfen könnte.“ Den Apothekenabschlag hingegen hielt er dagegen für ein probates Mittel.  



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Spahn und Apotheken

von Peter Kaiser am 15.01.2019 um 23:38 Uhr

Höchste Zeit für Spaxit

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