Sorgen wegen No deal-Brexit

UK: Apotheker sollen ohne Arzt-Rücksprache substituieren dürfen

Remagen - 10.12.2018, 16:15 Uhr

Im Vereinigten Königreich sollen Apotheker im Falle eines No deal-Brexits Arzneimittel auch ohne Rücksprache mit dem Arzt substituieren dürfen. ( r / Foto: Imago)

Im Vereinigten Königreich sollen Apotheker im Falle eines No deal-Brexits Arzneimittel auch ohne Rücksprache mit dem Arzt substituieren dürfen. ( r / Foto: Imago)


Die britische Regierung will die Apotheker des Landes auf den „Ernstfall“ nach dem Brexit vorbereiten und gesteht ihnen dazu mehr Kompetenzen zu. Bei schwerwiegenden Arzneimittelverknappungen sollen sie Medikamente ohne vorherige Rücksprache mit dem verschreibenden Arzt substituieren dürfen.

Das britische Gesundheitsministerium schlägt eine Änderung des Arzneimittelgesetzes (Human Medicines Regulation 2012) vor, mit der Apotheker ermächtigt werden sollten, im Falle von schwerwiegenden Lieferengpässen bei Arzneimitteln alternativ andere Präparate abzugeben, und zwar ohne vorher den Arzt deswegen zu kontaktieren

Diese Kompetenz soll durch die Einführung eines „serious shortage protocol“ (Protokoll für schwerwiegende Mängel) legitimiert werden, das in solchen Fällen vom Ministerium herausgegeben werden kann. In dem Protokoll soll eindeutig ausgewiesen sein, welche alternativen Medikamente abgegeben werden dürfen und an welche Patienten. Nach dem Vorschlag sollen hierfür vier Möglichkeiten in Frage kommen: die Abgabe einer geringeren Menge, eines therapeutischen oder generischen Äquivalentes oder einer alternativen Darreichungsform.

Nach dem derzeit geltendem Recht dürfen Apotheker in Großbritannien nur dann ohne Rücksprache mit dem Arzt substituieren, wenn ein verschriebenes generisches Präparat nicht verfügbar ist und stattdessen ein gleichwertiges Markenarzneimittel abgegeben werden kann. Der umgekehrte Vorgang, das heißt der Ersatz eines Markenproduktes durch ein Generikum ist ohne Zustimmung des Arztes nicht zulässig.

Patienten sollen schneller an ihre Medikation kommen

„In dem unwahrscheinlichen Fall eines Mangels ist es bei jedem Arzneimittel wichtig, dass die Patienten weiterhin das hohe Niveau der Behandlung erhalten, die sie erwarten“, wird ein Sprecher des Gesundheits-und Sozialministeriums im „Pharmaceutical Journal“ zitiert. Das Protokoll, das in Zusammenarbeit mit den Ärzten entwickelt werden soll, sei ein vernünftiger Ansatz, um die Zeit zu verkürzen, bis die Patienten ihre Ersatzmedikation bekommen.

Die Royal Pharmaceutical Society (RPS) erklärt dazu. „Wir unterstützen die Apotheker dabei, mit ihrem fachlichen Urteil zu entscheiden, welches Arzneimittel sie abgeben sollen. Sie werden sicherzustellen, dass Änderungen bei der Abgabe den Ärzten klar kommuniziert werden.“

Es geht nicht nur um den Brexit

Dabei gehe es nicht nur um den Brexit, hat der Staatssekretär für Gesundheit und Sozialwesen Matt Hancock am letzten Freitag im „Today Programme“ von BBC Radio 4 erläutert und verweist auf einen Engpass bei den Epipens, der im letzten Monat wegen eines Problems mit einem Lieferanten aus den USA aufgetreten sein soll. Das Gesundheitsministerium hat gegenüber dem Portal „Chemist + Druggist“ bestätigt, dass die Regelung auf jeden Fall vor März 2019 in Kraft gesetzt werden soll, unabhängig von der Situation bezüglich des Brexits.

Apothekenverbände in engem Kontakt mit dem Ministerium

Die geplante Neuregelung gehört zu den Vorschlägen, die das Pharmaceutical Services Negotiating Committee (PSNC), die Interessensvertretung der in den National Health Service (NHS) eingebundenen Apotheken, für den Fall eines chaotischen Brexits gemacht hat

Bereits seit dem Sommer dieses Jahres hätten sich die Verhandlungsführer des PSNC in einem ständigen Dialog mit dem Gesundheits-und Sozialministerium befunden, um “sekundäre Maßnahmen“ für die Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung nach dem Ausscheiden von Großbritannien aus der EU, speziell für den Fall eines „No deal-Brexit“ auszuloten, teilt das Komitee mit. Auch andere Apothekenorganisationen, wie die Company Chemists’ Association (CCA), die die acht größten Ketten-Unternehmen in England, Schottland und Wales repräsentiert, die Vereinigung der unabhängigen Apothekenketten und die National Pharmacy Association als Verband der unabhängigen Apotheken sollen sich hierzu mit dem Ministerium an einen Tisch gesetzt haben. „Bestimmt sorgen sich viele öffentliche Apotheker und Regionale Pharmazeutische Ausschüsse (Local Pharmaceutical Committees) zurecht um den Brexit und dessen Auswirkungen auf die Patienten, die Gemeinden und natürlich die Geschäfte“, sagt der Hauptgeschäftsführer des PSNC. „Ich teile ihre Sorgen.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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