US-Gesundheitsmarkt in Bewegung

Was steckt hinter dem Amazon-PillPack-Deal?

München - 29.06.2018, 17:45 Uhr

Was bezweckt Amazon mit dem PillPack-Deal? Wer ist diese Versandapotheke überhaupt? Und was macht sie? DAZ.online-Autor Thorsten Schüller versucht, diese Fragen zu beantworten. (Foto: Imago)

Was bezweckt Amazon mit dem PillPack-Deal? Wer ist diese Versandapotheke überhaupt? Und was macht sie? DAZ.online-Autor Thorsten Schüller versucht, diese Fragen zu beantworten. (Foto: Imago)


„Ein Deal, den die Branche befürchtet hat“

Folgt man den Worten von Jeff Wilke, CEO von Amazon weltweit, so scheint der Versandkonzern allerdings noch keine exakte Vorstellung zu haben, wie genau er PillPack für die eigenen Aktivitäten im Arzneimittelversand nutzen möchte. Wilke wörtlich: „PillPack verbessert das Leben seiner Kunden erheblich und wir wollen ihnen helfen, es den Menschen weiterhin leichter zu machen, Zeit zu sparen, ihr Leben zu vereinfachen und sich gesünder zu fühlen. Wir sind gespannt, was wir im Laufe der Zeit gemeinsam für unsere Kunden tun können.“

Das könnte eine Vernebelungstaktik sein, um die Wettbewerber auf dem US-Apothekenmarkt im Unklaren über Amazons nächste Schritte zu lassen. Denn nach Meinung von Branchenkennern hat Amazon mit diesem Schritt die Frage beantwortet, wann und wie sich der Konzern ein Stück des 560 Milliarden Dollar schweren Marktes für verschreibungspflichtige Arzneimittel sichern will. „Das war genau die Art von Deal, die die Gesundheitsbranche befürchtet hatte“, schreibt die New York Times. Und Eric Coldwell, Analyst des Gesundheitsdienstleisters Robert W. Baird, wird von dem Nachrichtendienst Bloomberg mit den Worten zitiert: „Der Kauf von PillPack durch Amazon ist ein Frontalangriff auf die Gesundheitsbranche.“

Medien: PillPack will gar nicht Apotheke sein

Das italienische Medium Pharmacyscanner schreibt, dass Amazon mit dem Erwerb von Pillpack nicht direkt das Geschäftsmodell klassischer Apotheken oder Arzneimittelversender nachmache, sondern den Fokus auf Lieferqualität und Therapietreue lege - Faktoren, die für die Gesundheitssysteme heute eine große Bedeutung haben. Damit mache Amazon einen genialen Schritt, der zeige, dass der E-Commerce-Riese die Anforderungen und die Dynamik des Arzneimittelmarktes verstanden habe. Er zeige auch, dass Amazon die Prioritäten der sogenannten Payer, also Versicherungen und Fonds, bestens kenne: Die Lieferung in dosengenauen Packungen bedeute, das Leben für chronisch kranke Patienten zu vereinfachen und deren Einnahmetreue zu verbessern. Amazon habe auch verstanden, dass die Lieferung direkt nach Hause vor allem für chronisch Kranke einen Mehrwert darstelle – das gelte im Übrigen auch für Patienten auf dem europäischen Kontinent, so Pharmacyscanner.

Darüber hinaus löst die Übernahme von PillPack für Amazon ein Problem. Um in das Geschäft mit dem Medikamentenversand einzusteigen, braucht der Konzern in jedem US-Bundesstaat eine Apothekenlizenz. PillPack kann dem Onlinekonzern helfen, diese Hürde zu überwinden, da das Start-up in 50 Staaten die Lizenz zum Versand von Medikamenten besitzt. Damit dürfte für den E-Commerce-Riesen der Weg frei werden, schnell ein wichtiger Akteur in dem Geschäft zu werden.

Walgreens-Chef gibt sich gelassen

Während die Aktienkurse der Wettbewerber fast panisch auf Amazons Ankündigung reagierten, übten sich deren Chefs in demonstrativer Gelassenheit: So gab der Vorstandsboss von Walgreens Boots Alliance, Stefano Pessina, Im WallStreetJournal zu Protokoll, dass er „nicht besonders besorgt über die Neuigkeiten“ sei. Die Apothekenwelt sei viel komplexer als die Lieferung einiger Pillen oder Packungen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Rolle der physischen Apotheke auch in Zukunft sehr wichtig sein wird“, so Pessina.

Die Wahrheit könnte eine andere sein. Laut CNBC droht den etablierten Apothekenkonzernen damit, dass die Rolle ihrer stationären Geschäfte immer kleiner wird – eine Entwicklung, die auch in anderen Bereichen zu beobachten ist. So kaufen in den USA immer mehr Menschen ihre Waren online ein. Viele ehemals gut laufende Einkaufszentren veröden zunehmend.



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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