Rationaler Antibiotika-Einsatz

Pneumonie oder Bronchitis?

Stuttgart - 04.12.2017, 14:15 Uhr

Sauerstoffsättigung, Puls, Temperatur und Auskultation sollten Ärzte zur Diagnose der Lungenentzündung heranziehen. (Foto: Lichtmaler / stock.adobe.com)

Sauerstoffsättigung, Puls, Temperatur und Auskultation sollten Ärzte zur Diagnose der Lungenentzündung heranziehen. (Foto: Lichtmaler / stock.adobe.com)


Wie gelingt es, Patienten mit Infektionen der tiefen Atemwege von tatsächlichen Pneumonie-Patienten zu unterscheiden? Wichtig ist diese differenzierte Diagnose für den rationalen Antibiotika-Einsatz. Forscher haben nun vier Kriterien identifiziert, anhand derer sich die Diagnose Pneumonie stichhaltiger stellen lässt. Die Ergebnisse hat das European Respiratory Journal nun veröffentlicht.

Akute unkomplizierte Atemwegsinfektionen gehören zu den häufigsten akuten Erkrankungen, mit denen Patienten in ärztlichen Praxen aufschlagen. Viele erhalten Antibiotika, wobei – laut einem aktuellen Cochrane-Review – tatsächlich nur wenige Patienten von den Antiinfektiva profitieren. Unnötige Antibiotika setzen Patienten Nebenwirkungen aus, und sie forcieren die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen. Allerdings: Übersehen Ärzte eine Antibiotika-pflichtige Lungenentzündung, drohen dem Patienten eine schwere oder längere Erkrankung und unter Umständen zusätzliche Komplikationen. Wie gelingt es, die Patienten sauber zu diagnostizieren?

Diese Frage versuchten kürzlich britische Forscher zu klären: Sie haben ihre Ergebnisse im European Respiratory Journal veröffentlicht.

Röntgen im niedergelassenen Bereich wenig etabliert

28.883 Patienten mit Symptomen einer Infektion der tiefen Atemwege untersuchten die britischen Wissenschaftler in einer Kohortenstudie. 5222 Praxen beteiligten sich in den Jahren 2009 bis 2013. Die Ärzte dokumentierten Symptome wie Husten, Auswurf, Keuchen, Kurzatmigkeit und die verordnete Behandlung, und zwar bei Patientenvorstellung in der hausärztlichen Praxis und anschließend für weitere 30 Tage.

Eine Röntgen-Thorax-Untersuchung festigt die Diagnose einer Pneumonie. Von dem relativ großen Kollektiv mit knapp 29.000 Atemwegspatienten, entschieden sich die Ärzte allerdings nur bei 720 Patienten für ein Röntgenbild. 115 Patienten (16 Prozent) konnten hier einer sicheren oder wahrscheinlichen Lungenentzündungs-Diagnose zugeordnet werden.

Die Röntgendiagnose scheint – betrachtet man das große Patientenkollektiv – nicht standardmäßig etabliert zu sein. Was sichert die Diagnose unabhängig vom Röntgen?

Vier Symptome bei 80 Prozent der Pneumoniepatienten

Unabhängig von der Röntgen-bestätigten Diagnose einer Lungenentzündung, sollten Ärzte laut den Studien-Autoren auf Temperatur, Sauerstoffsättigung und Puls achten. Und bei der Auskultation genau hinhören. Denn weitere Prädiktoren für eine Lungenentzündung waren:

  • erhöhte Temperatur über 37,8 ° C,
  • Knistern bei Auskultation,
  • Puls höher 100 pro Minute und
  • Sauerstoffsättigung unter 95 Prozent. 

Die meisten Patienten mit Pneumonie (86,1 Prozent) wiesen mindestens eines dieser vier klinischen Symptome auf. „Die unnötige Verschreibung von Antibiotika würde substanziell zurückgehen, wenn sie nur noch dann erfolgen würde, wenn eines oder mehr der vier aufgeführten Symptome zutreffen“, ist Studienautor Michael Moore überzeugt.

Nun stellen Apotheker zwar keine Diagnose, Puls und Fieber können aber auch in der Apotheke als Hinweis dafür dienen, den Patienten rechtzeitig zum Arzt zu schicken. 


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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