Trotz schwerer Nebenwirkungen

Loperamid bleibt in den Niederlanden im freien Verkauf

Remagen - 20.06.2017, 14:30 Uhr

In Drogerien und Supermärkten erhältlich: In den Niederlanden soll Loperamid weiterhin frei verkäuflich sein - trotz bekannter schwerwiegender Nebenwirkungen. (Foto: dpa)

In Drogerien und Supermärkten erhältlich: In den Niederlanden soll Loperamid weiterhin frei verkäuflich sein - trotz bekannter schwerwiegender Nebenwirkungen. (Foto: dpa)


Bewertung in der EU

In der EU regte Zypern im letzten Jahr eine Bewertung durch den Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) an. Dort hatte es 54 entsprechende Fallberichte mit teilweise vermuteter Kausalität gegeben. Das PRAC befasste sich in seiner Juli-Sitzung 2016 damit und bat den Inhaber der Orginalzulassung Johnson & Johnson Consumer B.V., eine kumulative Analyse der Situation vorzulegen und die Plausibilität der unerwünschten Wirkungen zu beurteilen.

Auf Basis der Ergebnisse empfahl das PRAC den Herstellern nach seiner März-Sitzung 2017, eine Warnung vor Überdosierung in ihre Produktinformationen aufzunehmen. In der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels (Fachinfo) soll darauf hingewiesen werden, dass bei Personen mit Überdosierungen von Loperamid-HCl kardiale Ereignisse, wie QT-Intervallverlängerung, Torsades de pointes, sonstige schwere ventrikuläre Arrhythmien, Herzstillstand und Synkopen, beobachtet worden seien und dass auch über Todesfälle berichtet worden sei.

Nichtklinische In-Vitro- und In-Vivo-Auswertungen zu Loperamid hätten weder innerhalb des therapeutisch relevanten Konzentrationsbereichs noch bei signifikantem Vielfachen dieses Bereichs (bis zu 47-fach) signifikante kardiale elektrophysiologische Wirkungen angezeigt.

In der Packungsbeilage sollen die Patienten dazu aufgefordert werden, niemals mehr als die empfohlene Menge einzunehmen, und wenn doch geschehen, umgehend den Rat eines Arztes einzuholen oder sich an ein Krankenhaus zu wenden. Falls ein Kind zu viel einnimmt oder entsprechende Symptome zeigt, soll sofort ein Arzt gerufen werden.

In der EU fast überall rezeptfrei

Loperamid kam im Jahr 1973 unter dem Handelsnamen Imodium auf den Markt. In Deutschland ist es seit 1976 erhältlich. Das Antidiarrhoikum ist in der EU heute in der überwiegenden Zahl der Länder nicht rezeptpflichtig. Meist ist der OTC-Status jedoch mit Einschränkungen bezüglich der Einzel- und/oder der Tagesdosis oder auch der Packungsgröße oder der Altersgruppen verbunden.

In Deutschland ist Loperamid seit 1993 rezeptfrei, allerdings nur in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung bei akuter Diarrhö in Tagesdosen bis zu 12 mg und in Packungsgrößen bis zu 24 mg, sofern auf Behältnissen und äußeren Umhüllungen angegeben ist, dass die Anwendung auf Erwachsene und Kinder ab dem vollendeten 12. Lebensjahr beschränkt ist.

In den Niederlanden darf das Durchfallmittel zur Akutbehandlung sogar im Supermarkt verkauft werden.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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