Verwaltungsgericht Minden

Kasse muss Apotheker Rabatt-Auskunft geben

Minden / Berlin - 16.02.2017, 10:00 Uhr

Rabattarzneimittel? Wie hoch der Nachlass bei einzelnen Arzneimitteln ist, ist für Apotheker ein Geheimnis – oder doch nicht?  (Foto: Schelbert)

Rabattarzneimittel? Wie hoch der Nachlass bei einzelnen Arzneimitteln ist, ist für Apotheker ein Geheimnis – oder doch nicht?  (Foto: Schelbert)


Die einzelnen Rabattverträge der gesetzlichen Krankenkassen mit Pharmaunternehmen sind für die Apotheker in der Regel ein Buch mit sieben Siegeln. Ein Bielefelder Apotheker wollte dennoch wissen, wie viel eine Kasse bei dem Arzneimittel Prograf einspart. Dafür zog er vor Gericht – und obsiegte nun in erster Instanz. Die BKK Diakonie muss Auskunft geben.

Die ostwestfälische BKK Diakonie muss einem Bielefelder Apotheker Auskunft geben, wie viel Rabatt ihr das Pharmaunternehmen Astellas für sein  Immunsuppressivum Prograf® eingeräumt hat. Dazu verpflichtete am gestrigen Mittwoch die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Minden die Krankenkasse. 

Auslöser für die Klage des Apothekers war eine Retaxierung durch die Kasse. Um sich gegen diese zu wehren, wollte der Apotheker die Nachlasshöhe exemplarisch für dieses Medikament wissen. Der Listenpreis für Prograf® 1 mg liegt bei 499 Euro für 100 Kapseln. Die BKK Diakonie hatte im Jahr 2009 nach einer Open-House-Ausschreibung Rabattverträge mit dem Originalhersteller Astellas geschlossen und diese alle zwei Jahre verlängert. Mittlerweile gibt es Generika, die 20 Prozent weniger kosten. 

Betriebsgeheimnis zum Schutz vor Wettbewerbern

Die BKK und das Pharmaunternehmen wollten dem Apotheker die ausgehandelte Rabatthöhe allerdings nicht verraten. Sie sehen darin eine Verletzung ihrer Betriebsgeheimisse. Wer den Rabatt kenne, könne leicht über Apothekerabgabepreis, übliche Großhandelsspannen auf die Preiskalkulation des Herstellers schließen, argumentierte das Pharmaunternehmen. Damit würde die Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil erhalten. 

Die Krankenkasse wiederum sah sich durch eine Angabe der Rabatthöhe in ihren Verhandlungen mit anderen Herstellern und vor allem im Wettbewerb mit anderen Kassen geschwächt. Es treffe sie als kleine Kasse besonders stark gegenüber den finanzstarken großen Kassen.

Die beklagte Kasse wie auch das beigeladene Unternehmen sahen in der Abwägung ihrer Interessen mit jenen des Apothekers ein Ungleichgewicht. Dem Apotheker helfe es nicht, den Rabattsatz zu kennen. Bei bestehenden Rabattverträgen dürfe er ohnehin kein vergleichbares Arzneimittel abgeben. Es sei Sache der Kasse, über die Wirtschaftlichkeit zu befinden. Mittlerweile stehen Tacrolimus-Präparate wie Prograf® allerdings auf der Substiutionsausschlussliste und dürfen selbst bei bestehenden Rabattverträgen nicht ausgetauscht werden.

Der Prozessvertreter des Klägers betonte, in dem Verfahren gehe es exemplarisch um dieses eine Arzneimittel. Er verwies darauf, dass auch der Gesetzgeber sowie andere Gerichte die Bedeutung der Transparenz in der Gesundheitsbranche betont hätten. Ob aus einem Rabattsatz wirklich Rückschlüsse auf die Preisfestsetzung und Gewinnkalkulationsspanne des Herstellers geschlossen werden könnten, bezweifle er. Dazu seien viele Faktoren nötig. 

Gericht bejaht Informationsanspruch

Letztlich entschied das Gericht: Die Kasse ist zur Auskunft verpflichtet. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Der Richter verwies in der Verhandlung jedoch auf ein bereits in diesem Sinne ergangenes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg aus dem Mai 2016. Hier wurde der Auskunftsanspruch aus dem Informationszugangsgesetz des Landes Sachsen abgeleitet. Auch in Minden sieht man das Informationsfreiheitsgesetz als Grundlage. Der hiernach bestehende Anspruch sei voraussetzungslos, sagte eine Gerichtssprecherin gegenüber DAZ.online.


Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 15. Februar 2016, Az.: 7 K 2774/14 -
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Hartmut Nolte / Kirsten Sucker-Sket
redaktion@daz.online


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