Forschung zu Kinderarzneimitteln

Überall steigende Zahlen

Brüssel - 25.05.2016, 07:30 Uhr

2015 hat der Pädiatrie-Ausschuss der EMA (PDCO) so viele Anträge bearbeitet wie nie zuvor: 515 gegenüber 485 im Vorjahr. (Foto: Oksana Kuzmina / Fotolia)

2015 hat der Pädiatrie-Ausschuss der EMA (PDCO) so viele Anträge bearbeitet wie nie zuvor: 515 gegenüber 485 im Vorjahr. (Foto: Oksana Kuzmina / Fotolia)


Seit Inkrafttreten der EU-Verordnung zu Kinderarzneimitteln im Jahr 2006 berichtet die Europäische Arzneimittel-Agentur der EU-Kommission jedes Jahr, wie es um die Forschung auf diesem Gebiet steht. Der neue Bericht für 2015 berichtet erfreuliche Entwicklungen. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings. 

Der Report der EMA zur Entwicklungslage bei Kinderarzneimitteln spannt einen Bogen über den gesamten Zeitraum, seitdem die EU-Verordnung zu Kinderarzneimitteln in Kraft ist. Insgesamt ist der Anteil an Genehmigungen von Studien unter Einbeziehung von Kindern an der Gesamtzahl der Studien seit 2006 weiter angestiegen. Er liegt nun bei fast zwanzig Prozent (763 von 4242 Studien). 473 Erlaubnisse betreffen Untersuchungen, die ausschließlich an Kindern (Personen unter 18 Jahren) durchgeführt werden. Auch die Anzahl der pädiatrischen Studien-Teilnehmer hat zugenommen, auf über 210.000 im Jahr 2015. Zudem sind in allen Altersgruppen erheblich mehr Kinder in allen Altersgruppen eingeschlossen als noch in den Anfangsjahren.   

So viele Anträge wie nie zuvor

Im letzten Jahr hat der Pädiatrie-Ausschuss bei der EMA (PDCO) so viele Anträge bearbeitet wie nie zuvor: 515 gegenüber 485 im Vorjahr. 136 bezogen sich auf Prüfkonzepte zur klinischen Erprobung von Arzneimitteln bei Kindern (PIPs) und 231 auf Änderungen von Prüfplänen. In 74 Fällen wollten die Antragsteller eine Freistellung von der Verpflichtung zur Prüfung ihres Arzneimittels an Kindern erwirken. Weitere 74 betrafen sogenannte Compliance-Checks. Mit diesen prüfen die Behörden, ob die Studien zeitlich und inhaltlich nach Plan ablaufen.  

Erledigung noch nicht optimal

71 positive Empfehlungen zur Genehmigung von pädiatrischen Prüfkonzepten wurden ausgesprochen. Kein einziger Antrag wurde negativ beschieden, das heißt, die Dokumente waren offenbar allesamt gut vorbereitet. Wie sieht es bei den Erledigungen der PIPs aus? Laut Plan hätten nach dem Bericht bis Ende Juni 2015 172 Prüfpläne abgeschlossen sein müssen. Nur 103 davon haben das „Klassenziel“ erreicht. Die Deadline wurde für den Bericht gewählt, weil die Antragsteller danach innerhalb eines halben Jahres, hier Ende 2015, ihren Abschlussbericht abliefern müssen. Von den restlichen 69 lieferte rund die Hälfte keine Erklärung ab, warum sie bis zu dem geplanten Termin nicht fertig geworden sind. Hier läuft es also noch nicht so optimal.

Von Freistellungen und Netzwerken

Für Arzneimittel, die wahrscheinlich bei Kindern unwirksam sind oder deren therapeutischer Nutzen nicht wesentlich größer ist als bestehende Behandlungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche, können die Unternehmen eine Freistellung von der Verpflichtung zur Prüfung ihrer Arzneimittel an Kindern beantragen. Eine solche Befreiung kann für einzelne Wirkstoffe oder auch für ganze Wirkstoff-Klassen erteilt werden. Im letzten Jahr hat der PDCO 47 Produkt-spezifische und 49 Class waiver gewährt. Rund 60 Prozent davon bezogen sich auf Krebstherapien.

Erfreuliches wird auch über das Europäische Netzwerk für die pädiatrische Forschung bei der Europäischen Arzneimittelagentur (Enpr-EMA) berichtet. Die Anzahl der dort erfassten Einzel-Netzwerke hat sich auf 46 erhöht. Das zunehmende Engagement der Wissenschaftsnetze wird sich in Zukunft weiter positiv auf die Entwicklung von Kinderarzneimitteln auswirken, hofft die EMA. 

Auch ältere Studien werden ausgewertet

Nach der Kinderarzneimittel-Verordnung sollen auch bereits abgeschlossene und sonstige neue Studien an Kindern erfasst und daraufhin ausgewertet werden, ob sie verlässliche Erkenntnisse zur Anwendung an Kindern liefern. Diese werden dann durch neue Angaben in Fachinformationen und Packungsbeilagen der Arzneimittel berücksichtigt. Zu zentral zugelassenen Präparaten hat die EMA im letzten Jahr 85 neuere Studien bewertet. Zwölf davon führten zu Ergänzungen in den Produktinformationen. Für national zugelassene Produkte wurden so viele ältere Studien eingereicht, dass sie erst nach und nach in Arbeitsteilung unter den Behörden der Mitgliedstaaten in Wellen abgearbeitet werden können.   

Keine weitere PUMA

Insgesamt, resümmiert die EMA, geht es in allen Bereichen recht gut voran. Auch die Vergünstigungen, die die Hersteller für die klinische Forschung an Kindern bekommen können, werden zunehmend in Anspruch genommen.

Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: Im letzten Jahr wurde keine einzige neue „pediatric use marketing authorization“ (PUMA) erteilt. Diese besondere, zusätzliche Genehmigung kann für jedes Arzneimittel erteilt werden, das bereits für Erwachsene zugelassen ist, und für das eine weitere Zulassung ausschließlich für die Verwendung an Kindern beantragt wird. Die PUMA ist also definitiv kein Erfolgsmodell.  


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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