Urteil zu homöopathischen Arzneimitteln

Werbeversprechen müssen wissenschaftlich nachgewiesen werden

Stuttgart - 22.04.2016, 11:00 Uhr

Welche Versprechen sind zuviel des Guten? Das OLG Koblenz befand einige Aussagen des Herstellers Hevert als irreführend.  (Foto: Hevert)

Welche Versprechen sind zuviel des Guten? Das OLG Koblenz befand einige Aussagen des Herstellers Hevert als irreführend. (Foto: Hevert)


In zweiter Instanz entschied das OLG Koblenz, dass Werbeaussagen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen müssen. So seien unbelegte Angaben unzulässig, ein homöopathisches Mittel stärke die Selbstheilungskräfte oder stelle das körperliche und seelische Gleichgewicht wieder her.

Welche Werbeversprechen sind zulässig – und welche gehen zu weit? Nicht nur bei Gummibärchen machen die zunehmend strengeren Anforderungen nicht jeden froh – auch bei Arzneimitteln wird oft um jedes Wort gekämpft. Nun hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz ein Urteil gefällt, das die Werbung bei homöopathischen Arzneimitteln einschränken könnte: „Die Werbung für Arzneimittel ist unzulässig, wenn und soweit der Inhalt der Werbeaussage nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht“, so das Gericht.

In dem Verfahren ging es um zwei homöopathische Arzneimittel des rheinland-pfälzischen Herstellers Hevert. Ein Verband war gegen zwei Anzeigen für die Produkte Sinusitis© und Calmvalera© vorgegangen, da sie nach Ansicht des Vereins nicht durch Studien gedeckt waren. Hevert hatte geworben, Sinusitis© helfe „schnell und effektiv“ sowohl bei akutem Schnupfen als auch bei chronischer Sinusitis und wirke „abschwellend, entzündungshemmend und regenerierend auf die Nasenschleimhaut“. Laut der betreffenden Anzeige löse es auch festsitzenden Schleim und lindere Begleiterscheinungen wie Zerschlagenheit oder Kopfdruck. Bei Calmvalera© wurden die Aussagen bemängelt, es fördere „Gelassenheit und Ruhe“ wie auch die Selbstheilungskräfte.

Irreführende Werbung ohne zweifelsfreien Nachweis

Sinusitis© und Calmvalera© sind vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen worden, sodass – anders als bei nur registrierten homöopathischen Präparaten – Anwendungsgebiete angegeben werden dürfen. Das Landgericht Bad Kreuznach hatte die Klage auf Unterlassung der Werbeversprechen abgewiesen, da nach seiner Ansicht die Aussagen durch die Zulassung abgedeckt sind. Dies sieht das OLG in seiner Entscheidung vom 27. Januar 2016 deutlich anders. Es untersagte die Werbung mit den beanstandeten Aussagen weitgehend. „Nach Auffassung der Richter ist die Werbung teils irreführend, weil die behauptete therapeutische Wirkung der Präparate vom zugelassenen Anwendungsgebiet nicht umfasst und auch nicht durch eine wissenschaftliche Abhandlung zweifelsfrei nachgewiesen sind“, schreibt das Gericht in einer Pressemitteilung.

So seien weder die „schnelle“ Wirkung noch die „regenerierende Wirkung des Produkts auf die Nasenschleimhaut“ von der Zulassung des BfArM gedeckt. Sie hätten vom Hersteller auch nicht durch wissenschaftliche Studien nachgewiesen werden können. Laut OLG kann hingegen mit Aussagen geworben werden, die sich aus der Zulassung beim BfArM ergeben. Da Sinusitis© gegen Entzündungen des Hals-Nasen-Rachenraumes und der Nasennebenhöhlen zugelassen ist, dürfe Hevert damit werben, es helfe bei Begleiterscheinungen wie Zerschlagenheit, Nies- und Juckreiz sowie Kopfdruck.

Wenn ein Präparat die Hürde der Zulassung durch das BfArM genommen hat, dürfe „grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die sich auf das zugelassene Anwendungsgebiet beziehenden Wirkungsangaben dem gesicherten Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der Zulassung entsprechen“, so das Gericht. Sofern diese Entscheidung nicht doch noch vom Bundesgerichtshof zurückgenommen wird, wäre dies eine für die Homöopathie sehr erfreuliche Entscheidung – da für Präparate der „besonderen Therapierichtungen“ deutlich geringere Anforderungen an die wissenschaftliche Evidenz gelten, als bei schulmedizinischen Arzneimitteln. 

Werden die Selbstheilungskräfte gestärkt?

Als irreführend bewertete das Gericht hingegen, ein Arzneimittel helfe bei der „Förderung der Selbstheilungskräfte“, wenn dies nicht explizit Teil der Zulassung ist. Calmvalera© ist für nervöse Störungen wie Schlafstörungen und Unruhe sowie Verstimmungszustände zugelassen, doch stehe die Förderung der Selbstheilungskräfte nach Ansicht des Gerichts in keinem ursächlichen Zusammenhang hiermit.

Eine wissenschaftliche Absicherung dieser Aussage gelang Hevert im Laufe des Verfahrens nicht – und auch die Behauptung, es sei allgemein bekannt und anerkannt, dass homöopathische Arzneimittel die Selbstheilungskräfte aktivieren, sei „bislang wissenschaftlich nicht belegt worden“, so die Richter in ihrem Urteil. Auch den Verweis auf einen „Leitfaden zur Behandlung mit homöopathischen Heilmitteln“ (hiermit ist wohl ein Flyer des Zentralvereins homöopathischer Ärzte gemeint) und das Online-Lexikon „Das ABC der Homöopathie“ ist nach Ansicht der Richter kein ausreichender wissenschaftlicher Nachweis.  

Gleichfalls kassierte das Gericht die Aussage, das Präparat fördere die „Gelassenheit und Ruhe“ und helfe, den alltäglichen Herausforderungen gestärkt entgegenzutreten. Die Richter bemängelten, dass anders als von Hevert angegeben eine Monographie der Kommission zur homöopathischen Therapierichtung am BfArM keine entsprechenden Aussagen zur Wirksamkeit enthalte. „Im Übrigen dürfte der Umfang und die Vielfalt alltäglicher Herausforderungen, z. B. in Beruf und Familie, einer entsprechenden Wirksamkeit entgegenstehen“, so die Richter in ihrem Urteil.

Das OLG hat die Revision zwar nicht zugelassen. Der Hersteller kann allerdings noch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.

Update vom 28.04.2016: Entgegen früheren Medienberichten hatte nicht die Wettbewerbszentrale geklagt, sondern ein anderer Verband - dies wurde korrigiert.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

:-/

von Sebi am 23.04.2016 um 0:15 Uhr

im Zeitalter von evidenzbasierter Medizin, ist Homöophatie ehh totaler Quatsch!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: im Zeitalter

von Jens-Wilhelm Salchow am 23.04.2016 um 8:31 Uhr

korrekter Interpunktion möge das Komma hinter "Medizin" entfallen

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