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Arzneimittel und Therapie
Resiliente Tuberkulose-Bakterien
Neuer Mechanismus für Therapieversagen entschlüsselt
Antibiotikaresistenzen entstehen oft durch Mutationen, die die Targetstrukturen der Antibiotika verändern, so auch bei Mycobacterium tuberculosis. Beispielsweise mutiert bei Rifampicin-resistenten Mykobakterien die Rifampicin-Bindungsstelle der bakteriellen RNA-Polymerase und reduziert die Affinität des Wirkstoffes zu seinem Target [1]. Wissenschaftler der Harvard-Universität suchten im Genom der Mykobakterien nach weiteren solchen häufig auftretenden Mutationen, um neue Resistenzmechanismen aufzuspüren. Ihre Ergebnisse publizierten sie kürzlich im Journal Science [2]. Für ihre Suche nutzten die Forscher bereits publizierte DNA-Sequenzierungsdaten von über 51.000 Patientenisolaten. Sie identifizierten dabei das Gen des Transkriptionsregulators Rv1830 als eines der am häufigsten mutierten Gene.
Resilienz statt Resistenz
Den Forschern wurde schnell klar, dass sie es bei Rv1830 nicht mit einem herkömmlichen Resistenzgen zu tun hatten. Im Labor erzeugte Mykobakterien mit den entsprechenden Rv1830-Mutationen waren herkömmlichen Therapeutika gegenüber ähnlich sensibel wie der Wildtyp. Völlig unerwartet zeigte sich aber, dass sich die mutierten Mykobakterien viel schneller erholten, wenn sie nach der Antibiotika-Exposition in einem Medium ohne Antibiotikum kultiviert wurden. Sie bildeten bereits nach 20 bis 50% weniger Inkubationszeit sichtbare Kolonien, unabhängig vom getesteten Antibiotikum. Üblicherweise hält die antibakterielle Wirkung noch etwas an, auch wenn die Wirkstoffkonzentration unter die minimale Hemmkonzentration absinkt. Diesen postantibiotischen Effekt schienen Mutationen im Rv1830-Gen für eine breite Auswahl an Antibiotika zu verkürzen. Die Autoren der Studie tauften diesen Mechanismus deshalb Antibiotikaresilienz und gaben dem entsprechenden Gen den Namen resR für resilience regulator. ResR arbeitet im Zusammenspiel mit zwei nachgeschalteten Genen, die für das Zellwachstum eine wichtige Rolle spielen.
Vermehrtes Therapieversagen
Klinisch relevant sind diese Ergebnisse in mehrfacher Hinsicht. Die Autoren konnten zeigen, dass Mutationen dieser drei Gene als Sprungbrett für eine Antibiotikaresistenz dienen können. Daten aus den Hochinzidenz-Ländern China und Indien zeigten, dass Stämme, die Mutationen des resR-Gens und der nachgeschalteten Gene aufwiesen, mit einer um 70 bis 80% höheren Chance auch antibiotikaresistent waren.
Bei antibiotikasensiblen Stämmen wiederum waren die Mutationen der drei Gene mit einem Therapieversagen assoziiert. Bei einer erneuten Auswertung der EMoxTB-Phase-III-Studie, die Moxifloxacin als Teil des antibiotischen Regimes untersuchte, zeigten die Wissenschaftler, dass 22,2% der Therapieversager Mutationen in den drei Genen aufwiesen – viel mehr als die Hintergrundfrequenz dieser Mutationen (5,4%) in den Ländern, in denen die Studie durchgeführt wurde, nahelegen würde.
Therapie besser timen
Sarah Fortune, die verantwortliche Autorin, resümiert, dass es bei der Therapie der Tuberkulose nicht nur darauf ankommt, Antibiotika zu kombinieren, um Resistenzen zu vermeiden, sondern auch darauf, wie oft die Mittel gegeben werden und wie man die Erholungszeit der Bakterien minimiert [3]. Gerade im Hinblick auf die lange Therapiezeit von mehreren Monaten weist das Ärzteblatt zudem auf die oft mangelnde Therapieadhärenz hin [4]. Eine regelmäßige Einnahme der Antibiotika könnte im Hinblick auf die Antibiotikaresilienz noch wichtiger für den Therapieerfolg sein als schon bislang bekannt. |
Literatur
[1] Alifano P et al. Rifampicin-resistance, rpoB polymorphism and RNA polymerase genetic engineering. J Biotechnol 2015;202:60-77, doi: 10.1016/j.jbiotec.2014.11.024
[2] Liu Q et al. Tuberculosis treatment failure associated with evolution of antibiotic resilience. Science 2022;378:1111-1118, doi: 10.1126/science.abq2787
[3] Failure of tuberculosis treatment linked to bacterial resilience. Pressemitteilung der Harvard T.H. Chan School of Public Health vom 8. Dezember 2022
[4] Tuberkulose: Auch eine Antibiotikaresilienz kann die Therapie erschweren. Nachricht des Ärzteblatts, 14. Dezember 2022
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