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Nur 11 Euro Schaden, aber fast 10.000 Euro Retax!
Sozialgericht weist Klage eines Apothekers ab
Seit 2013 gilt: Krankenkassen dürfen Apotheken, die ohne erkennbaren Grund und trotz eines bestehenden Rabattvertrags nicht das Rabattarzneimittel, sondern ein anderes Präparat abgeben, auf Null retaxieren. Und Krankenkassen haben dies seitdem auch fleißig gemacht. Apothekern, die das nicht hinnehmen wollten, blieb nur der Klageweg. Besonders fuchste sie, dass in der Regel im Dunkeln blieb, was den Kassen durch nicht beachtete Rabattverträge wirklich entging – so zunächst auch im vorliegenden Fall:
Verordnetes Präparat war nicht lieferbar
Im Juli 2018 hatte ein Apotheker aus Hamburg ein Rezept über 2× Humira 40 mg 6 Fertigspritzen N3 erhalten. Hierbei handelt es sich um ein Produkt, für das ein Rabattvertrag der beklagten Kasse mit dem Hersteller existierte. Die Apotheke gab jedoch ein wirkstoffgleiches Produkt ab, für das kein Rabattvertrag existierte – daneben gab es acht weitere Verträge über wirkstoffgleiche Produkte anderer Hersteller. Zunächst zahlte die Kasse die Rechnung abzüglich Apothekenrabatt. Doch im Februar 2019 teilte sie dem Apotheker mit, dass sie die Abrechnung beanstande und daher 9790,66 Euro mit künftigen Forderungen verrechnen werde (Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Apothekenrabatt). Der Apotheker erhob in der Folge Einspruch und Widerspruch. Er reichte Bestätigungen des Großhandels nach, dass das verordnete Arzneimittel nicht lieferbar gewesen sei. Ein Großhändler erklärte dies auch für eines der Rabattarzneimittel, ein anderer für vier, ein weiterer für acht der insgesamt neun rabattierten Produkte. Das reichte der Kasse alles nicht. Sie rechnete auf und so erhob der Pharmazeut im Juni 2020 Klage. Er berief sich dabei auf verschiedene Gründe, unter anderem verstrichene Fristen des Arzneiversorgungsvertrags (AVV) und den Umstand, dass der Kasse kein relevanter Schaden entstanden sei, der sich bis zur Verhandlung vor dem Sozialgericht allerdings nicht konkret beziffern ließ.
Die Schadenshöhe spielt keine Rolle
Nach jahrelangem Hin und Her hat das Sozialgericht Lübeck die Klage jetzt abgewiesen – und sich dabei vor allem auf die eingangs genannte grundlegende Entscheidung des Bundessozialgerichts berufen. Die Apotheke sei danach verpflichtet, „bei jeder Verordnung selbstständig zu prüfen, ob Arzneimittel existieren, für die eine Rabattvereinbarung besteht, und diese vorrangig abzugeben“. Ein nicht rabattiertes, gleichartiges Produkt dürfe sie nur dann abgeben, wenn kein rabattiertes Arzneimittel verfügbar sei. Und die Nichtverfügbarkeit müsse gemäß § 4 Abs. 8 AVV auf der Abrechnung vermerkt sein – und sei auf Nachfrage nachzuweisen. Der Vermerk fehlte, die Nachweise reichten auch dem Gericht nicht. Die Begründung ist somit letztlich nicht wirklich verwunderlich, aber weiterhin sehr schwer bis gar nicht verständlich.
Im Zuge der Gerichtsverhandlung wurde sogar bekannt, wie hoch der Schaden für die Kasse war – im Urteil ist von einem „niedrigen zweistelligen“ Betrag die Rede. De facto sollen es 11 Euro gewesen sein. Doch das Gericht betont ausdrücklich, dass der tatsächliche Schaden nicht von Relevanz sei.
Retaxausschluss im ALBVVG gilt nicht rückwirkend
Auch wenn es dem Kollegen nicht hilft: Künftig wird es solche Urteile hoffentlich nicht mehr geben. Denn in den kommenden Tagen soll das Arzneimittellieferengpass- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) in Kraft treten. Und dieses sieht in einem neuen Absatz des § 129 SGB V eine Reihe von Retaxausschlüssen beziehungsweise -einschränkungen vor. Das betrifft auch den Fall, dass eine Apotheke trotz existierendem Rabattvertrag kein Rabattvertragsarzneimittel abgegeben hat. Dann ist „eine Retaxation des abgegebenen Arzneimittels ausgeschlossen“, heißt es künftig in Absatz 4d. In diesen Fällen besteht dann lediglich kein Anspruch auf die Vergütung nach der Arzneimittelpreisverordnung (Fixzuschlag von 8,35 Euro plus drei Prozent).
Rückwirkend soll die Regelung allerdings nicht gelten. |
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