Gesundheitspolitik

Protest im Westen

5000 Menschen in Dortmund

gg/js | Am 15. November blieben in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Hessen viele Apotheken geschlossen. Zentral protestiert wurde in Dortmund.

Knapp 5000 Apothekerinnen, Apotheker, PTAs, PKAs, Ärztinnen und Ärzte sollen an der Kundgebung teilgenommen haben. Mit dem Schlachtruf „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns Gesundheit klaut!“ machten die Demonstrierenden auf die katastrophale Lage aufmerksam und demonstrierten gemeinsam gegen die Politik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Thomas Rochell, Vorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, eröffnete den Protesttag im Westen bei leichtem Regen: „Das entspricht ja unserer Stimmung.“ Die Tatsache, dass sich die Fach- und Hausärzt:innen dem Protest angeschlossen hatten, lobte er als klares Zeichen. Als erste Rednerin betrat Claudia Middendorf, Patientenbeauftragte der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, die Bühne. Sie mahnte: Mit dem „Einschlagen der Säulen im Gesundheitssystem“ laufe Berlin aktuell nicht nur in die falsche Richtung, vielmehr gefährde man damit die Patient:innen. Gesundheitskioske und Apotheken „light“ halte sie für „fatale Signale“ und sie riet dem Bundesgesundheitsminister dringend ein Praktikum in einer Apotheke vor Ort.

Foto: DAZ/js

Overwiening genießt im Westen „Heimvorteil“

„Kommt schon, ganz laut!“ – als Gabriele Regina Overwiening die Bühne betrat, empfing sie lauter Jubel, der durch die Ermutigungen der Präsidentin der ABDA sowie der Apothekerkammer Westfalen-Lippe noch weiter anschwoll. Overwiening mag im Westen zwar den „Heimvorteil“ haben – die Unterstützung der Anwesenden ging aber hörbar darüber hinaus. In ihrer Rede kam sie rasch zum Kern der Probleme: Die Kosten steigen, die Apotheken schließen und Lauterbach habe zur Lösung nur „Seifenblasen“ und „trojanische Pferde“ im Angebot. Pläne, „an denen man nichts gut finden kann“. Aber: Die Apothekerschaft halte den Druck auf die Politik aufrecht, gerade durch Proteste wie in Dortmund und den Schulterschluss mit der Ärzteschaft. Das wirke: Erste Parlamentarier werden wach, so Overwiening. „An uns kommt keiner vorbei.“ Auch die Ärzteschaft war auf dem Podium vertreten. Lars Rettstadt, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, erklärte, warum es sich für die Ärzt:innen und ihre Mitarbeitenden lohne, zu protestieren. Zwei Probleme hob Rettstadt hervor: Der Nachwuchs würde lieber bei besser bezahlenden Arbeitgebern anheuern und dann sei da noch eine „Digitalisierung, die nicht funk­tioniert, aber für die wir haftbar gemacht werden“.

Foto: DAZ/js

Volker Schrage, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, urteilte: „So eine erratische Politik habe ich noch nicht erlebt.“ Besonders hob er die Belastung der Praxen durch die Bürokratie hervor: 61 volle Arbeitstage im Jahr sei man mit der Bürokratie­bewältigung beschäftigt.

Ein Drittel des Personals verlässt die Branche ganz

Für die Apothekengewerkschaft Adexa war Bundesvorstand Andreas May vor Ort. „Wir sitzen alle im selben Boot und das Boot ist am Sinken“, sagte er. In der Adexa-Rechtsberatung erlebten sie derzeit häufig, dass Sonderzahlungen gestrichen oder sogar betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Schließe eine Apotheke, so finde nur etwa ein Drittel der Belegschaft wieder wohnortnahe Arbeitsplätze in einer Apotheke. Ein weiteres Drittel verlasse die Branche ganz. Klare Worte fand er auch zu Apotheken „light“, in denen kein:e Apotheker:in vor Ort ist: Das sei keine Stärkung der PTA, sondern Ausbeutung. Ob PTA oder approbierte Kraft, viele würden derzeit über den Ausstieg aus der Branche nachdenken. Vor dem Marsch zum Westfalenstadion sagte Thomas Rochell: Lauterbach lege eine „Arbeitsverweigerungshaltung“ an den Tag – das Ziel der Proteste sei es, „die Politik an ihre Aufgaben zu erinnern“. |

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