Gesundheitspolitik

Overwiening: „Es ist kurz vor zwölf“

Apothekerkammern in NRW stellen mit Landesminister Laumann „Zukunftsstudie“ vor

gbg/ks | Noch ist das Apothekennetz in Nordrhein-Westfalen trag­fähig – aber es ist bereits „kurz vor zwölf“ und damit höchste Zeit, die Strukturen der Apotheken vor Ort zu stärken. So brachte die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Gabriele Regina Overwiening, die Ergebnisse einer Apothekenstudie des Instituts für Handelsforschung Köln (IfH) auf den Punkt. 

Diese zeigt u. a., wie sich die Flächendeckung seit dem Jahr 2012 entwickelt hat, welche Probleme die Betriebe belasten und welche Ansätze zur Lösung beitragen könnten. Vorgestellt wurde sie am vergangenen Dienstag zusammen mit dem Präsidenten der Apothekerkammer Nordrhein, Armin Hoffmann, NRW-Gesundheits­minister Karl-Josef Laumann (CDU) und Studienautor Markus Preißner. Das IfH Köln hatte fast 5000 Kammerangehörige, Pharmaziestudierende und Apothekenkunden aus NRW befragt. Zudem analysierte es die Personalentwicklung in den nordrhein-westfälischen Apotheken seit dem Jahr 2000 sowie die Gründe für Schließungen.

Preißner stellte die Ergebnisse im Detail vor. Nicht allzu überraschend: Auch in NRW ist die Zahl der Apotheken zwischen 2012 und 2022 deutlich gesunken. Gab es vor gut zehn Jahren noch 4543 Offizinen im Bundesland, waren es im Jahr 2022 nur noch 3804.

Dabei schlossen überdurchschnittlich häufig Apotheken in Groß­städten (52 Prozent). In 38 Prozent der Fälle waren Betriebe in Mittelstädten betroffen, nur jede zehnte Apothekenschließung war in Kleinstädten zu beobachten. Hinter den Schließungen steckt häufig, dass Inhaber, die keinen Nachfolger finden, die Apotheke am Ende des Berufslebens schließen müssen.

Foto: AK Nordrhein

AKWL-Präsidentin Overwiening, NRW-Gesundheitsminister Laumann und AKNR-Präsident Hoffmann bei der Pressekonferenz in Düsseldorf (v. l.)

Noch keine Kommune ohne Apotheke

Immerhin: Auch im Jahr 2022 gab es in NRW keine einzige Kommune ohne Apotheke. Doch dieser Zustand gerät ins Wanken: Während im Jahr 2012 noch 27 Kommunen über nur eine Apotheke verfügten, waren es 2022 bereits 41 – für die AKWL-Präsidentin ein klares Indiz dafür, dass Lücken im Apothekennetz drohen. „Es ist kurz vor zwölf“, warnte Overwiening. Denn auf den verbleibenden Apotheken laste ein besonderer Versorgungsdruck. Sie könnten den Ausfall anderer Apotheken im Umfeld zusehends schlechter abfangen als noch vor einigen Jahren. Faktoren wie Räumlichkeiten und Fachkräftebedarf setzten dem Wachstum inzwischen klare Grenzen. Overwiening mahnte zum raschen Handeln, bevor es möglicherweise zu spät ist. „Denn wenn das Netz bricht, werden wir es nicht flicken können.“

Doch noch schafft es das Apothekennetz in NRW offenbar, die Versorgung zu gewährleisten. Die deutliche Mehrheit der befragten Einwohner (93 Prozent) bewertete die Erreichbarkeit von Apotheken am eigenen Wohnort als sehr gut bis eher gut. Wie wichtig ihnen dies ist, zeigt die hohe Zustimmung zu der Aussage „Ein dichtes Apothekennetz ist aus meiner Sicht die Grundlage für die zuverlässige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln“ (91 Prozent).

Stressiger Arbeitsplatz

Das IfH befragte zudem angestellte Apotheker, welches Image die verschiedenen Berufsfelder für Approbierte aus ihrer Sicht haben. Demnach wird die Arbeit in öffentlichen Apotheken im Vergleich zu Wissenschaft, Industrie und Krankenhaus als besonders stressig (88 Prozent) und bürokratisch (77 Prozent) empfunden. Nur die Verwaltung gilt als noch bürokratischer (79 Prozent), dafür aber deutlich weniger stressig (11 Prozent).

Das Fazit von Kammerpräsident Hoffmann fällt ernüchternd aus: Die öffentliche Apotheke sei im Wettbewerb um Arbeitnehmer ins Hintertreffen geraten, sagte er. Das Studium sei zwar nach wie vor hochattraktiv – noch immer gebe es daher für die Pharmazie einen hohen Numerus clausus. Das Problem sei, dass es viele Absolventen heute nicht mehr in die Offizinen ziehe. Ein Grund dafür sei auch der Gehaltsunterschied im Vergleich zu anderen Tätigkeitsfeldern für Pharmazeuten.

NRW-Gesundheitsminister Laumann sagte, auf Basis der Erhebung wolle er nun gemeinsam mit der Standesvertretung im Bundesland besprechen, was es braucht, um das Apothekennetz zu erhalten. Ob es auf mehr Stu­dienplätze für Pharmazie hinauslaufen werde, ließ er dabei offen: Es gelte zunächst zu schauen, ob die Absolventen letztlich auch in den Apotheken ankämen. |

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