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Management

Einladung zum Mutausbruch

Wenn es im Inneren brodelt und im Außen tobt

Personalprobleme, Inflation, Abschlagserhöhung, Corona-bedingte Einbrüche, Lieferengpässe, Krankheit. Der Einsatz des gesamten Teams in den vergangenen Pandemiejahren wird in weiten Teilen der Apothekenbelegschaften mit einer (gefühlten) grundsätzlichen Nicht-Wertschätzung verbunden. Die Sonnenseite des Lebens scheint sich momentan von den Apotheken abgewandt zu haben. Wo andere die Hoffnung verlieren, gilt es, im Vertrauen zu bleiben. Führungskräfte sind gefordert, authentisch und zeitgleich motivierend zu sein. Nicht das einfachste Unterfangen.

Nach dieser ersten, uns allen wohlbekannten Stimmungsanalyse der sich im Außen präsentierenden, chaotischen und unplanbaren Verhältnisse ist es kaum ein Wunder, dass sich Ähnliches bei vielen Beteiligten deckungsgleich im Inneren abspielt. Wenige Gedanken können zu Ende gedacht werden und dieser anhaltende Zustand führt so zu einem Wechselbad der Gefühle. Wo früher noch Dringendes und Wichtiges im allerbesten Eisenhower-Prinzip fein säuberlich getrennt werden konnte, überschlagen sich die Informationen und lassen am Ende des Tages vielfältig Frust, Ohnmacht, Sorge, aber auch eine gute Portion Aggression, Wut und Ärger zurück. Nicht-Verständnis, Hamsterrad und Opfer-Dasein gesellen sich wechselweise dazu und mögen langfristig in Richtung Burn-out weisen.

Angst als Grundtenor der Gefühlswelt

Alles Charakteristika für den berühmt-berüchtigten Fight-Flight-Freeze-Modus, in dem sich wir Menschen grundsätzlich wiederfinden, wenn Angst ein kontinuierlicher oder gar dominierender Begleiter geworden ist. Denken Sie dabei auch gern in die nahe Vergangenheit und an Kunden­gespräche zurück, die „schwierig“ waren. Könnte hier der Motor für Ihren Kunden ein Angstgefühl gewesen sein? Angst, das Falsche oder möglicherweise sogar gar nichts zu bekommen oder auch grundsätzlich Angst vor der be­stehenden Krankheit, die ihn beschäftigt?

Angst als Ursprung für alles Weitere zunächst wahrzunehmen, sie in der Folge anzuerkennen, um sie dann zu wandeln, ist eine der größten Herausforderungen, der wir uns stellen können. Und eine der lohnendsten. Doch wie? Was tun, sprach Zeus? Nun, was der alte griechische Göttervater vielleicht parat hatte und zu Zeiten der ebenso alten Lateiner gang und gäbe war, könnte uns möglicherweise auch helfen, richtig? Wir werfen einen Blick auf die Übersetzung des Wortes „cors, cordis“. Sie lautet „Herz, Geist, Seele und Mut“.

In vielen Sprachen wird „Herz“ mit „Mut“ übersetzt

Die Courage, die Beherztheit, wie wir heute sagen, entspringt also unseren Vorfahren und deren Interpretation des Wortes folgend deren Herzen – ganz mutig und unbedacht. Da ist kein „Zerdenken“, „Zergrübeln“, „Hirn zermartern“. Sie folgen automatisch bei Befragung Ihres Herzens Ihrer Seele, Ihrem inneren Geist und Antreiber und damit Ihrem Bauchgefühl. Doch die Art von Fragen, die Sie Ihrem Herzen stellen können und die auch beantwortet werden, beziehen sich nicht notwendigerweise auf durchzuführende Re-Präqualifizierungen, Arbeitspläne, Notfallvertretungen und Retaxa­tionen. Sie geben keine Antworten auf das Wer, das Wie und das Was, sondern sind grundsätzlicherer Natur.

Fragen Sie nach dem „Warum“

Fragen Sie nach Ihrem „Warum“. Fragen Sie nach dem „Warum“ Ihrer Apotheke. Und lauschen Sie auf die Antwort Ihres Herzens. Doch diese ist oft verdeckt durch den Geräuschpegel im Außen und Sie benötigen einen gewissen Abstand – einen Ruheraum für sich, um diese Antwort wahrnehmen zu können. Falls Sie diese Frage als Team-Frage stellen und gemeinsam beantworten wollen, so ist auch hier eine ruhige Atmosphäre sinnvoll, die sich möglichst weit entfernt von den alltäglichen Stressoren befindet.

Zunächst gemeinsam in die Ermittlung einer Wertehierarchie zu gehen, bietet sich förmlich an. Sie erhalten so eine solide Basis für alle weiteren Gespräche und Überlegungen. Nutzen Sie die so erhaltenen Ergebnisse, die auf bewusste Art und Weise strukturiert und gezielt eingesetzt werden können, als Motivatoren im Alltag. Als Beispiele seien hier einige der höchsten Werte exemplarisch genannt: Gesundheit, Sicherheit, Zufriedenheit, Wachstum, Hilfs­bereitschaft, Erfolg. Stellen Sie immer wieder die Frage: „Entspricht das, was wir tun und wie wir verfahren, unserem ‚Warum‘?“ Hier setzen Sie in der Fragestellung den Wert ein, um den es Ihnen, Ihrem Team geht. „Entspricht das den Werten, für die wir stehen? Stehen wollen? Mit denen wir uns im Außen darstellen wollen?“ Wandeln Sie eventuell unterschwellig und latent vorhandene, nicht zuträgliche und bremsende Gefühle wie zum Beispiel die bereits oben erwähnte Wut aller Beteiligten über Unsicherheit, Ungerechtigkeit und Unfairness in einen sich zeigen wollenden Mut. Mut, sich einzubringen. Für sich selbst. Für das Team. Für die Apotheke. Für den Patienten. Für die Vielzahl an Werten, die es zu wahren gilt. Die Werte wie Gesundheit, Hilfsbereitschaft und Sicherheit in der Arzneimitteltherapie. Erhöhen Sie so das Team-Vertrauen in die Selbstbestimmung und in das, was kommt.

Es ist Zeit für den Mutausbruch

Mutausbrüche sind in der Vergangenheit seltene Ereignisse gewesen. Selbst die Autokorrektur macht aus dem Wort einen „Wutausbruch“ (so geschehen in einem Post, den ich vor einigen Wochen verfasst habe). Doch Hand aufs Herz und mal ganz ehrlich: Ist es nicht an der Zeit, auch wenn wir manchmal nicht wissen wie, dem, was uns widerstrebt, Einhalt zu gebieten? Mindestens ein inneres Stopp-Signal zu setzen. Ist das, was im Außen geschieht, nicht eine Ein­ladung an jeden Einzelnen von uns, sich ganz individuell und beruflich auch im systemischen Kontext darüber klar zu werden, wo und wie wir unsere Energie investieren wollen? Und es geht hier nicht darum, im Vorfeld irgendeinen Schuldigen zu finden. Es geht darum, voll­umfänglich (ich mag dieses Wort) Verantwortung zu übernehmen. Sich zu entscheiden. Sozialverträglich. Für das eigene „Warum“ und dies in Konsequenz umzusetzen. Spüren Sie hier schon einen Unterschied? Raus aus dem passiven, leidenden, schweren, größtenteils unbewussten kollek­tiven Unmut und rein in ein pro­aktives Agieren, das der eigenen Wertehierarchie entspricht und so eine Leichtigkeit ermöglicht, von der wir sonst nur träumen können.

Warum tun Sie, was Sie tun?

Verbunden mit Ihrem Mutausbruch ist die Richtungsänderung der Aufmerksamkeit. Sie schauen nicht mehr im Außen, was funktioniert – oder eben nicht. Sie bleiben vielmehr bei sich selbst – und Ihrem Team – und kommen ins Tun. Das Beispiel „pharmazeutische Dienstleistungen“ drängt sich förmlich auf. Warum sollten Sie sie anbieten? Es gibt sehr gute Gründe dafür – doch es gibt auch bestechende Argumente, die eine Umsetzung ausschließen. Keine Zeit, kein Personal, das Material (Inhalatoren) fehlt, der Beratungsraum ist ungeeignet usw.

Wir machen, wie oben besprochen, einen Abgleich mit Ihren Werten. Entspricht die Einführung einer pharmazeutischen Dienstleistung, ganz gleich, welche die erste sein wird, Ihren Werten und denen Ihres Teams? Empfinden Sie sich damit in Ihrer Definition als erfolgreich? Dienen Sie der Gesundheit sowie der Arzneimitteltherapiesicherheit? Drücken Sie damit Ihre Form der Hilfsbereitschaft aus? Ja? Dann werden Sie (gemeinsam) einen Weg zur baldigen Umsetzung finden. Falls nein: Verschwenden Sie keinen weiteren Gedanken daran. Es kostet Sie nur überflüssige Energie.

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Monika Raulf
Pharmazeutisches Coaching – 
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Die Energie richtig einsetzen

Und letztlich geht es doch um den Fluss der Energien ... Es geht darum, die eigenen Energien, die aller Kollegen, die der Apotheke grundsätzlich über den Tag, über die Woche möglichst gleichbleibend zu halten. Diese Energien für genau das einzusetzen, was Ihnen wichtig ist. Und sie nicht verpuffen zu lassen in einem gefühlten Überlebenskampf. Sich nicht von der Hektik, den Erwartungen und den teils wirren Konstrukten anderer anstecken und mitreißen zu lassen. Sondern sehr „sauber“ und klar zu definieren, worauf Sie (und Ihr Team), im besten Sinne Ihrem „Warum“ folgend, hinauswollen mit Ihrem Tun. Denn Ihre Energie wird genau dahin fließen, worauf Sie Ihre Aufmerksamkeit richten.

In Analogie zu der sehr schönen Idee, die folgendermaßen lautet: „Wir müssen sowieso denken. Wieso dann nicht gleich positiv!“, möchte ich die Einladung zum Mutausbruch erneuern und Sie ausdrücklich dazu ermuntern, Ihre Energien zu nutzen, um Ihr Umfeld in Ihrem Sinne ganz mutig positiv auf das auszurichten, was Ihnen (allen) einen Arbeitsalltag beschert, der Sie am Ende des Tages zufrieden nach Hause gehen lässt. Welche Abläufe können komprimiert werden? Welche Abläufe können neu gedacht und strukturiert werden? Welche Abläufe sind uralt, haben nur noch Gewohnheitsrecht und können bei näherer Betrachtung „weg“? Und nein, mutig sein bedeutet nicht, keine Angst zu haben. Sondern trotz aller vorhandenen Ängste und Unwegsamkeiten zu handeln.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihrem Apothekenteam eine Zeit voller Mut und voller Courage! |

Monika Raulf, Apothekerin und zertifizierter Coach, www.co-pha.com

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