Beratung

Zahnschutz aus der Tube

Fluorid gehört in jeden Mund – von klein auf!

Fluorid schützt effektiv vor ­Karies. Dabei bieten Aminfluoride einige Vorteile gegenüber Natriumfluorid. Da eine lineare Dosis-Wirkungs-­Beziehung herrscht, sollten Kinder spätestens ab dem ersten Geburtstag eine Zahnpasta mit 1000 ppm Fluorid verwenden. Aber Achtung: Bei chronischer Überdosierung droht Fluorose. Dass das glücklicherweise das ­einzige Risiko darstellt, bestätigen viele Studien. | Von Anna Carolin Antropov

Der Zahnschmelz ist das härteste Zellprodukt des Menschen und besteht aus komplexem Hydroxylapatit, in dem vor allem die Mineralien Calcium und Phosphor vorkommen [1]. Üblicherweise liegt an der Zahnoberfläche ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Demineralisation und Remineralisation des Zahnschmelzes vor. Im Sauren sind Apatite leicht löslich. Sinkt der pH-Wert auf 5,7 bis 5,4 ab, entkalkt der Schmelz zunächst reversibel (Demineralisation). Dieser Säureanstieg entsteht beispielsweise bei bakterieller Zersetzung von kurzkettigen Kohlenhydraten durch kariogene Bakterien wie Streptococcus mutans und Lactobacillen. Hält der Mineralverlust länger an, erscheinen kreidig-weiße Flecken als Initialkaries auf den Zähnen. Spätestens dann kommt neben einer Einschränkung des Zuckerkonsums und sorgfältiger Mundhygiene Fluorid ins Spiel. Unbehandelt ist es sonst nur eine Frage der Zeit, bis ein kariöser Defekt entsteht. Insbesondere bei Kindern mit unreifem Zahnschmelz können ­dazwischen nur wenige Monate liegen [2].

Fluorid stoppt Demineralisierung

In der Behandlung von Initialkaries sowie in der Prophylaxe haben Fluoride ihren festen Stellenwert. Bei lokaler Anwendung in der Mundhöhle erfüllen sie mehrere Effekte: Einerseits ersetzt Fluorid teilweise die Hydroxylgruppe des ­Apatits und erhöht so die Stabilität des Kristallgitters im Schmelz. Mischkristalle aus Fluor- und Hydroxylapatit sind wesentlich säureresistenter. Experten sprechen von einem „stabilen Fluoridreservoir“ [3, 4].

Andererseits entstehen mit Calcium-Ionen (aus Speichel und Zähnen) ein Calciumfluorid-Präzipitat an Zahnoberflächen und Plaque. Diese Deckschicht trägt im besonderen Maße zum Kariesschutz bei. Denn sinkt der pH-Wert, setzt sie ­Fluorid-Ionen frei, die die rasche Remineralisierung mit ­Calcium- und Phosphat-Ionen beschleunigen. Aus dem pH-Wert-gesteuerten, labilen Fluorid-Reservoir setzt die Wirkung glücklicherweise genau dann ein, wenn sie gebraucht wird: beim Säureangriff. Die ­Bildung dieser Schicht hängt unter anderem von der Fluorid-Konzentration, dem pH-Wert sowie der Art der eingesetzten Fluorid-Verbindung ab. Tatsächlich entsteht das Calcium­fluorid-Präzipitat bei neutralem pH-Wert erst ab einer Fluorid-Konzentration von 300 ppm [5]. Werden niedrigdosierte Kinderzahnpasten verwendet, kann das problematisch werden, denn mit Speichel verdünnt wird die erforderliche Konzentration mitunter gar nicht erreicht. Seit 2021 lautet die Empfehlung daher auch schon für Kinder ab dem ersten Zahn einheitlich 1000 ppm Fluorid statt der zuvor gängigen 500 ppm [6]. Zusätzlich hemmen Fluoride in Labor­untersuchungen den Kohlenhydratmetabolismus säure­produzierender Mikroorganismen. Ob der antimikrobielle ­Effekt aufgrund der niedrigen Konzentrationen bei Verwendung Fluorid-haltiger Zahn­pasten aber tatsächlich zur ­Kariesprävention beiträgt, bleibt unklar. Zusammengefasst härtet Fluorid also den Schmelz und verschiebt das Gleichgewicht von der De- zur Remineralisation [3, 4, 5].

Tag der Zahngesundheit

Foto: Verein für Zahnhygiene

Am 25. September findet der Tag der Zahngesundheit unter dem Motto „Gesund beginnt im Mund – in Kita & Schule“ statt. Auch Apotheken können sich mit einer Aktion beteiligen. Veranstaltungsideen sowie Broschüren und Informationsmaterial finden Interessierte unter www.tagderzahngesundheit.de

Fluorid ist nicht gleich Fluorid

Obwohl die Fluorid-Wirkung vom freien Anion ausgeht, ­unterscheiden sich die lokal eingesetzten Verbindungen. Diese sind:

  • Natriumfluorid
  • Natriummonofluorphosphat
  • Zinn(II)-fluorid
  • Aminfluoride wie Dectafluor und Olaflur.

Natriumfluorid ist in Zahnpflegeprodukten weit verbreitet und liefert dank der guten Wasserlöslichkeit rasch freie ­Fluorid-Ionen. Da Calcium-reiche Hilfsstoffe die Bioverfügbarkeit deutlich herabsetzen, wird in Zahnpasten z. B. auf Calciumcarbonat-haltige Putzkörper verzichtet. Im Gegensatz dazu unterstützt Calciumcarbonat bei Natriumfluorphosphat sogar die karieshemmende Wirkung [7]. Allerdings liegt Fluor in dieser Verbindung kovalent gebunden vor und freie Fluorid-Ionen entstehen erst durch Hydrolyse. Da hierfür die Kontaktzeit beim Zähneputzen zu kurz ist, kann keine Calciumfluorid-Deckschicht als labiles Fluorid-Reservoir auf den Zähnen entstehen [8]. Auf dem deutschen Markt spielt Natriumfluorphosphat aber nur eine untergeordnete Rolle.

Zinn(II)-Ionen aus Zinnfluorid wirken deutlich antibakteriell. Oxidieren sie zu Sn4+, verlieren sie aber nicht nur ihre antibakterielle Wirkung, sondern verursachen durch Bildung von Zinn(IV)-sulfid Zahnverfärbungen. Kein Wunder also, dass Zinnfluorid bis in die 1980er-Jahre fast vollständig aus Zahnpasten verschwand. Nun erlebt diese Verbindung eine Renaissance und wird bei Entzündungen sowie überempfindlichen Zahnhälsen geschätzt. Dabei greifen Hersteller in die Trickkiste: Moderne Präparate enthalten Putzkörper ­gegen die Verfärbungen sowie Stabilisatoren wie das Aminfluorid Olaflur oder werden wasserfrei formuliert [9].

Aminfluoride wirken am besten

Aminfluorid dient als Sammelbegriff für Wirkstoffe wie Dectaflur und Olaflur. Genau genommen handelt es sich ­dabei um kationische Tenside, die über einen hydrophoben, langkettigen Alkylrest und mindestens eine hydrophile, protonierte Amin-Gruppe mit Fluorid als Anion verfügen. Durch diese Molekülstruktur besitzen sie oberflächenaktive Eigenschaften: Sie verteilen sich nicht nur besser in der Mundhöhle, sondern haften auch länger und erreichen dank ihrer Affinität zu Plaque dort etwas höhere Fluorid-Konzentrationen. Zusätzlich begünstigt ihr niedriger pH-Wert im Bereich zwischen 4,5 und 5 eine rasche Bildung von Calcium­fluorid an der Zahnoberfläche [4]. Bei diesem pH-Wert ­genügen bereits Konzentrationen von 100 ppm Fluorid [5]. Vor dem Hintergrund, dass Zähne oft nicht lang genug ­geputzt werden, ist das besonders vorteilhaft. Auch mit ihrer bakterienhemmenden Wirkung im Zahnbelag stachen Aminfluoride im Labor gegenüber anderen Fluoriden positiv hervor. Eine Studie aus 2008 konnte zeigen, dass Amin­fluorid signifikant das Wachstum von Streptococcus ­mutans und die Adhäsion am Zahnbelag hemmt. Entscheidend hierfür ist vermutlich die elektrostatische Interaktion zwischen kationischem Amin und der negativ geladenen Bakterienzellwandoberfläche [10]. Die Kombination von Zinnfluorid und Aminfluorid wirkt dabei synergistisch (s. Tab. 1).

Tab. 1: Apothekenübliche Zahnputzcremes (Beispiele)
Name
Fluorid-Verbindung
Fluorid-Konzentration
Besonderheit/Produktwerbung
Aminomed®
Olaflur
800 ppm
  • bei empfindlichen Zähnen und Zahnhälsen, bei gereiztem Zahnfleisch; zum Parodontitisschutz
+ Natriumfluorid
650 ppm
  • enthält unter anderem Blütenextrakt von Chamomilla ­recutita, Panthenol, Bisabolol
ApaCare® Zahnpasta
Natriumfluorid
+ Hydroxylapatit
1450 ppm
  • glättet, hellt auf, schützt vor Schmerzempfindlichkeit
Curaprox® Enzycal Zahnpasta
Natriumfluorid
1450 ppm bzw. 950 ppm
  • mild im Geschmack
  • enthalten Enzyme zur Förderung der Remineralisierung
  • ohne Natriumlaurylsulfat
Elmex® Sensitive Zahnpasta
Olaflur
1400 ppm
  • bei empfindlichen Zähnen, zur schonenden Reinigung
Elmex® Sensitive ­Professional
Natriummono­fluorphosphat + 8% Arginin
1450 ppm
  • sofortige Schmerzlinderung bei schmerzempfindlichen ­Zähnen, für tägliche Anwendung geeignet
  • sanft aufhellend mit Putzkörpern aus Calciumcarbonat
Elmex® Junior
Olaflur
1400 ppm
  • von sechs bis zwölf Jahren
Elmex® Kinder-Zahnpasta
Olaflur
1000 ppm
  • milder Geschmack
  • Testsieger Stiftung Warentest 8/22 mit Note 1,1
  • von zwei sechs Jahren
Elmex® Baby Zahnpasta
Olaflur
500 ppm
  • milder Geschmack
  • Fluoridgehalt entspricht nicht mehr aktueller Empfehlung
  • von 0 bis zwei Jahren
Lacalut aktiv®
Natriumfluorid
1450 ppm
  • verspricht Straffung und Festigung des Zahnfleisches
  • enthält Aluminiumlactat (adstringierend) und Chlorhexidin
Meridol® Zahnpasta
Olaflur
+ Zinn(II)-fluorid
1400 ppm
  • bei Zahnfleischbeschwerden
  • wirkt antibakteriell
Parodontax® Fluorid
Natriumfluorid
1400 ppm
  • weniger Zahnfleischbluten
  • sanfte Reinigung durch Putzkörper aus Natriumbicarbonat
Pearls & dents®
Olaflur
800 ppm
  • bei kieferorthopädischen Behandlungen, Zahnersatz, ­Ver­färbungen
  • verspricht schonende Reinigung durch Pflegeperlen
  • enthält unter anderem Blütenextrakt von Chamomilla recutita, Panthenol, Bisabolol
+ Natriumfluorid
650 ppm
Salviagalen® F Zahncreme
Natriumfluorid
1450 ppm
  • entzündungs- und bakterienhemmend
  • Extrakte aus Fenchel, Salbei, Kamille, Pfefferminze und Nelke
  • ohne Natriumlaurylsulfat
Sensodyne® Repair & Protect
Zinn(II)-fluorid
1100 ppm
  • wasserfreie Formulierung
  • Schutz vor Schmerzempfindlichkeit
Sensodyne® Sensitivität & Zahnfleisch Zahnpasta
Zinn(II)-fluorid
+ Natriumfluorid
1450 ppm
  • wasserfreie Formulierung
  • Schutz vor Schmerzempfindlichkeit

Fluorid-Wirkung dosisabhängig

Also sind Zahnpasten ohne Aminfluorid schlecht? Nein, ­beschwichtigt Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Oberarzt an der Poliklinik für Parodontologie, präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung in Hamburg-Eppendorf gegenüber der DAZ (s. Interview unten). Schließlich seien sämtliche Untersuchungen mit Aminfluoriden standardisiert im Labor durchgeführt worden, während Unterschiede in der Praxis dagegen kaum darstellbar seien. Entscheidend sei vielmehr, dass eine Fluorid-haltige Zahnpasta mit ­ausreichender Konzentration verwendet wird. Denn bei ­Fluoriden herrscht eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung. Enthalten Zahncremes mehr als 1500 ppm Fluorid, ist nicht mehr von Zahnpflegeprodukten, sondern Arzneimitteln die Rede. Sie werden bei erhöhtem Kariesrisiko eingesetzt, wenn Patienten beispielsweise eine feste Zahnspange tragen oder ältere Menschen freiliegende Zahnhälse haben. Ein Beispiel ist das hochdosierte Dentalgel Elmex® Gelee, das einmal wöchentlich angewendet wird und eine Mischung aus Aminfluoriden und Natriumfluorid enthält. Die Anwendung ist etwa ab Schulalter möglich, sobald Kinder kontrolliert ausspucken können. Im Rahmen der Individualprophylaxe ist bis zum 17. Lebensjahr eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse möglich. Dies betrifft allerdings nur Arzneimittel, also apothekenpflichtige Präparate [11].

Tab. 2: Fluorid-haltige Gele (Beispiele)
Name
Fluoridverbindung
Fluorid-Konzentration
Anwendung
Dynexamin-Fluorid® Gelée
Olaflur
Dectaflur
Natriumfluorid
1,25% Fluorid
einmal wöchentlich ab sechs Jahren
Elmex® Gelée
Olafluor
Natriumfluorid
Dectafluor
1,25% Fluorid
einmal wöchentlich ab sechs Jahren
Sensodyne® Proschmelz
Natriumfluorid
1,25% Fluorid
einmal wöchentlich ab sechs Jahren

Bei festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen sind Fluorid-haltige Spüllösungen ebenfalls eine gute Möglichkeit (s. Tab. 2). Denn nach Entfernung der Zahnspange weist fast jeder Vierte sichtbare Demineralisierungen am Zahnschmelz auf. Diese White-Spot-Läsionen bleiben oft permanent bestehen und stören nicht zuletzt die Ästhetik [12]. Grundsätzlich müssen Fluorid-haltige Zahnpasten, Lösungen und Gele regelmäßig angewandt werden (s. Tab. 3). Schließlich lässt die Fluoridkonzentration und -wirkung je nach Präparat rasch innerhalb von Stunden bis Tagen nach.

Tab. 3: Apothekenübliche Mundspüllösungen (Beispiele)
Name
Fluorid­verbindung
Fluorid-Konzentration
Elmex® Kariesschutz Zahnspüllösung
Olaflur
0,0125%
Natriumfluorid
0,0125% (entspricht gesamt 250 ppm)
Elmex® Sensitive
Olaflur
0,0125%
Natriumfluorid
0,0125% (entspricht gesamt 125 ppm)
Meridol® Zahnfleischschutz und frischer Atem Mundspüllösung
Zinnfluorid
0,0125%
Olaflur
0,0125% (entspricht gesamt 250 ppm)
Odol Med 3®antibakteriell
Natriumfluorid
0,02% (entspricht 200 ppm)

Fluorid-Lack für jung und alt

Deshalb verwenden Zahnärzte hochdosierte Fluorid-Lacke, die besonders intensiv und lang anhaltend haften. „Seit 2019 wird die Applikation von Fluorid-Lacken bereits bei Kleinkindern im größeren Umfang durchgeführt“, erklärt Schiffner. Hintergrund sei eine Leistungserweiterung des Katalogs der gesetzlichen Krankenkassen, basierend auf einem ­Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Durch die mehrmals jährliche Applikation kann das Auftreten von Karies (primäre Kariesprävention) reduziert und schon vorhandene Kariesläsionen arretiert werden. Auch Senioren profitieren von einer Lackapplikation durch den Zahnarzt, um Wurzelkaries vorzubeugen. Diese betrifft nur freiliegende Zahnhälse und tritt meist als Folge von mangelhafter mechanischer Reinigung, wenig Speichel und vermehrtem Zuckerkonsum auf. Wurzelkaries ist weit verbreitet, im Alter von 65 bis 74 Jahren ist bereits bei 32% mindestens ein Zahn betroffen [13]. Dentin enthält im Vergleich zum Schmelz einen höheren Carbonat-Anteil und ist empfindlicher gegenüber Säuren. Deshalb werden zum Kariesschutz und zur Remineralisierung wesentlich höhere Fluorid-Konzentrationen benötigt [14], wie z. B. in der verschreibungspflichtigen Zahnpasta Duraphat®. Sie enthält 5000 ppm Fluorid für die tägliche Anwendung [15]. Viele Patienten mit freiliegenden Zahnhälsen klagen zudem über Schmerzempfindlichkeit der Zähne. Dabei werden thermische oder osmotische Reize an offenliegenden Dentin­tubuli als schmerzhaft wahrgenommen. Auch hier können hoch­dosierte Fluorid-Gele helfen, indem Calciumfluorid das freiliegende Dentin temporär verschließt. Alternativ gelingt dies beispielsweise mit Hydroxylapatit (Bioniq® Repair, ­ApaCare® Zahnpasta) oder Kaliumnitrat, das die Reizweiter­leitung ebenfalls beeinflusst (Sensodyne F, 5% KOH) [11].

Überdosierung vermeiden

Wie so oft entscheidet aber die richtige Dosis über Gift oder Segen. Eine dauerhafte Fluorid-Überdosierung stört die Zahnschmelzbildung und führt ebenfalls zu weißen oder bräunlichen Flecken. Diese Dentalfluorose betrifft häufig die Schneidezähne, wobei Säuglinge und Kleinkinder besonders gefährdet sind. Die optimale Dosis mit höchstem kariespräventivem Effekt bei geringem Fluoroserisiko beträgt laut European Food Safety Authority (EFSA) 0,05 mg/kg Körpergewicht pro Tag [16]. Eine tägliche Dosis von 0,1 mg/kg Körpergewicht dürfe als tolerierbare maximale Einnahmemenge (tolerable upper intake level, UL) hingegen nicht überschritten werden [6]. Die geringe therapeutische Breite wurde in den aktuellen Empfehlungen für Kleinkinder mit 1000 ppm genau berücksichtigt. Dafür müssen Eltern aber unbedingt die Zahnpasta für ihre Kinder dosieren und unter zwei Jahren nur eine reiskorngroße Menge verwenden. Ab zwei Jahren ist dann eine erbsengroße Menge erwünscht. Eine gleichzeitige Verwendung von Fluorid-haltiger Zahnpasta und Fluorid-Tabletten im ersten Lebensjahr soll unterbleiben – und Tabletten werden ab dem ersten Geburtstag ohnehin nicht mehr empfohlen. Nichtsdestotrotz sind Fluoride kein Allheilmittel, denn Karies ist keine Fluoridmangel-­Erkrankung. Sie stellen neben der Ernährung, regelmäßigen Kontrollterminen und der richtigen Zahnpflege aber eine wichtige Säule der Zahngesundheit dar. |

Literatur

 [1] Gängler P et al. Konservierende Zahnheilkunde und Paradontologie. 2010, 34-36, doi: 10.1055/b-0034-18490

 [2] Gesenhues S, Ziesché R. Praxisleitfaden Allgemeinmedizin. 5. Auflage, 2006;1340–1344

 [3] Schiffner U. Verwendung von Fluoriden zur Kariesprävention. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 2021;64(7):830-837, doi: 10.1007/s00103-021-03347-4

 [4] Elmex Geleé Dentalgel. Fachinformation der CP GABA GmbH. Stand März 2021, Fachinformationsverzeichnis Deutschland, www.fachinfo.de, Abruf 24. August 2022

 [5] Lussi A et al. Fluoride – Wirkungsmechanismen und Empfehlungen für deren Gebrauch. Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 2012;34, Deutscher Ärzteverlag, Köln

 [6] Berg B et al. Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter. Monatsschr Kinderheilkd 2021;169;550-558, doi: 10.1007/s00112-021-01167-z

 [7] Cury JA et al. Effect of Calcium carbonate-based dentifrice on Enamel demineralization in situ. Caries Res 2003;37(3):194-199, doi: 10.1159/000070444

 [8] Hellwig E, Klimek J, Wagner H. The Influence of Plaque on Reaction Mechanism of MFP and NaF in vivo. Journal of Dental Research 1987;1:46-49

 [9] Kauer I. Zinnfluorid – ein Multitalent in der täglichen Zahnpflege. ZMK Zahnheilkunde Management Kultur 2022; www.zmk-aktuell.de/fachgebiete/prophylaxe/story/zinnfluorid--ein-multitalent-in-der-taeglichen-zahnpflege__11658.html, Abruf 28. August 2022

[10] Van der Mei HC, Engels E, de Vries J et al. Effects of Amine Fluoride on Biofilm growth and salivary pellicles. Caries Res 2008;42(1):19-27, doi: 10.1159/000111746

[11] Information über Zahnärztliche Arzneimittel. Information der Arzneimittelkommission Zahnärzte. Stand Januar 2022, www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/iza_pdf/IZA.pdf

[12] Oosterkamp BCM, van der Sanden WJM, Frencken JEFM et al. Kariesprophylaxe in der kieferorthopädischen Praxis: Entwicklung einer medizinischen Leitlinie. Informationen aus Orthodontie & Kieferorthopädie 2017;49(02):122-131, doi: 10.1055/s-0043-112086

[13] Scholz KJ, Buchalia W. Wurzelkaries – kennen, erkennen, erfolgreich therapieren. Das deutsche Zahnärzteblatt 2019;128(10):501-509, doi: 10.1055/a-1011-7974

[14] Hellwig E, Klimek J, Lussi A. Fluoride – Wirkungsmechanismen und Empfehlungen für deren Gebrauch. ZMK Zahnheilkunde Management Kultur, 17. Dezember 2013, https://www.zmk-aktuell.de/fachgebiete/prophylaxe/story/fluoride--wirkungsmechanismen-und-empfehlungen-fuer-deren-gebrauch__977.html, Abruf 28. August 2022

[15] Duraphat. Fluorid 5 mg/g Zahnpaste. Fachinformation der CP Gaba GmbH, Stand April 2014, Fachinformationsverzeichnis Deutschland, www.fachinfo.de

[16] Scientific Opinion on Dietary Reference Values for fluoride. European Food Safety Authority (EFSA), EFSA Journal 2013;11(8):3332, https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.2903/j.efsa.2013.3332

Autorin

Anna Carolin Antropov, Studium der Pharmazie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München; praktisches Jahr im Universitätsklinikum Heidelberg, seit Approbation 2016 als angestellte Apothekerin im Raum Rosenheim und als freie Autorin tätig

Kariesprophylaxe beginnt bei den Milchzähnen

Ein Interview

Prof. Dr. Ulrich Schiffner beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Demineralisierung von Zahnschmelz, sein Forschungsschwerpunkt ist Kariesprävention sowie Epidemiologie. Als langjähriges Vorstandsmitglied der deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde wirkte er auch als Mit­autor an der neuen Handlungsempfehlung zur Karies­prophylaxe bei Kleinkindern mit.

Prof. Dr. Ulrich Schiffner

DAZ: Fluorid wird immer wieder verteufelt. Was ist dran an der Kritik?

Prof. Dr. Ulrich Schiffner: Aussprüche wie „Fluorid macht dumm“ sind sehr medienwirksam. Aber tatsächlich bestätigen weltweit sehr viele Untersuchungen, dass nichts dran ist an der Kritik. Es gibt keine ­seriöse Studie, die einen Nachteil der Fluoride aufdeckt. Denn wir ­reden hier über Fluorid in einer Menge, die in Mundpflegeprodukten enthalten ist – das hat nichts mit ­erhöhter Fluorid-Konzentration zu tun, die in einigen Ländern beispielsweise natürlicherweise im Trinkwasser vorkommt! Damit bleibt einzig und allein das Risiko der Dentalfluorose bei chronischer Überdosierung. Diese Weißfärbung der Zähne will ich gar nicht negieren und wir möchten sie verhindern. Aber nicht jeder weiße Fleck auf ­einem Zahn ist eine Fluorose. ­Fluorosen können übrigens nur entstehen, während sich die Zähne noch in der Entwicklung befinden und noch nicht in die Mundhöhle durchgebrochen sind. Deshalb ­haben wir in der neuen Empfehlung von 2021 zur Kariesprophylaxe bei Kleinkindern unzählige Szenarien berücksichtigt, um eine sehr sichere Dosierung mit Fluorid anzugeben. Eine zu hohe Konzentration von ­Fluorid ist aber nicht gefährlich im Sinne von Lebensgefahr: Man kann sich nicht akut mit Fluorid aus Mundpflegeprodukten vergiften.

DAZ: Worauf kommt es sonst noch bei der Kariesprävention an?

Schiffner: Insbesondere bei Kleinkindern ist die Ernährung ein ganz wichtiges Standbein. In die Saugerflasche gehört Wasser und auch in Kitas sollte nur Wasser getrunken werden. Denn bei Kleinkindern steckt fast immer die Saugerflasche mit süßen Getränken hinter Karies. Bei Quetschies haben wir ähnliche Bedenken, wenn häufig eine „süße Pampe“ gesaugt wird. Werden dann die Zähne zu selten geputzt oder ­einige Stellen versehentlich ausgelassen und wird immer wieder Süßes gegeben, dann kann auch Fluorid-haltige Zahnpasta keine Karies ­verhindern. Fluorid trägt zwar in hohem Maße dazu bei, die Zähne gesund zu erhalten, bietet jedoch keine 100%ige Sicherheit! Die Basics sind: Zähneputzen, eine Fluorid-haltige Zahnpasta benutzen und Wasser trinken. Stehen die Milchzähne sehr eng, empfehlen wir zusätzlich schon bei Kleinkindern Zahnseide.

DAZ: Milchzähne fallen doch ohnehin aus. Wieso ist Kariesprävention dann schon bei Kleinkindern so wichtig?

Schiffner: Das hören wir öfter von Eltern, die sich entschuldigen und geloben, bei den bleibenden Zähnen alles besser zu machen. Ist das Verhalten jedoch erst einmal etabliert, werden diese Zähne selten anders gepflegt als die Milchzähne. Außerdem haben bereits Milchzähne eine große Bedeutung – nicht nur zum Kauen. Neben der Platzhalterfunktion sind sie ebenso für Ästhetik, Sprechen und Sozialisation wichtig. Zur Einschulung leidet die Hälfte aller Kinder an einer Karies, die unversorgt ist. Je jünger die Kinder, desto schwieriger wird die Behandlung. Ein Großteil muss sogar in Narkose behandelt werden, denn im Durchschnitt hat jedes siebte Kind im Alter von drei Jahren Karies – und zwar an vier Zähnen! Auch wenn die Zahngesundheit bei ­älteren Kindern und Jugendlichen schon sehr gut ist, dürfen wir uns auf diesem Erfolg nicht ausruhen!

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch.

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